BGH,
Beschl. v. 12.12.2000 - 4 StR 464/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 464/00
vom
12. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
StGB § 177 Abs. 4
1. § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB ist kein
erfolgsqualifiziertes Delikt, sondern setzt auch hinsichtlich des
Eintritts der Gefahr Vorsatz voraus.
2. Der Täter verwendet ein gefährliches Werkzeug
gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB auch dann,
wenn er es ausschließlich zur Vornahme der sexuellen Handlung
einsetzt.
BGH, Beschluß vom 12. Dezember 2000 - 4 StR 464/00 - LG
Stendal
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. Dezember
2000 gemäß §§ 44 ff., 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der
Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des
Landgerichts Stendal vom 23. Mai 2000 und von Amts wegen nach
Versäumung der Frist zur Anbringung des
Wiedereinsetzungsantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung hat der Angeklagte zu tragen.
Der Beschluß des Landgerichts Stendal vom 25. August 2000,
durch den die Revision des Angeklagten als unzulässig
verworfen wurde, ist damit gegenstandslos.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit
den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.2.c) der Urteilsgründe,
b) im Strafausspruch im Fall II.2.b) der Urteilsgründe,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
d) soweit davon abgesehen worden ist, die Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit
mit Körperverletzung in zwei Fällen und (wegen)
gefährlicher Körperverletzung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; ferner hat
es eine Einziehungsanordnung getroffen. Mit seiner Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Das Rechtsmittel hat - nach Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand wegen der Versäumung der
Revisionsbegründungsfrist und der Frist des § 45 Abs.
1 Satz 1 StPO - mit der Sachrüge teilweise Erfolg; im
übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher
unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das Landgericht ihn im Fall
II.2.a) der Urteilsgründe wegen gefährlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten
verurteilt hat. Auch der Schuldspruch wegen Vergewaltigung in
Tateinheit mit Körperverletzung (Fall II.2.b) der
Urteilsgründe) sowie die Einziehung der "Metallfigur
Mutter-Gottes" halten rechtlicher Nachprüfung stand.
Dahinstehen kann, ob sich die Bejahung des besonderen
öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (§ 230
StGB) in der Anklageschrift vom 24. März 2000 auch auf die im
Fall II.2.b) abgeurteilte (einfache) Körperverletzung bezieht;
dies ist hier zweifelhaft, weil die Anklage von gefährlicher
Körperverletzung ausgegangen war (vgl. BGHSt 19, 377, 379; s.
auch BGHSt 6, 282, 284). Dem Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts
nach § 349 Abs. 2 StPO ist aber jedenfalls eine solche -
konkludente - Erklärung für den Fall zu entnehmen,
daß die Verfahrensvoraussetzung zunächst gefehlt
haben sollte (vgl. BGHSt 19, 377, 381; BGH bei Dallinger MDR 1974,
546). Im übrigen kann das Urteil jedoch nicht bestehen bleiben:
a) Im Fall II.2.c) der Urteilsgründe hält der
Schuldspruch wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit
Körperverletzung sachlich-rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
aa) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen würgte der
Angeklagte am 10. November 1999 nach vorangegangenem
Alkoholgenuß Frau B.
, mit der er seit ca. 10 Jahren zusammenlebte, bis zur
Bewußtlosigkeit und führte sodann eine ca. 16 cm
große "Metallfigur, die von vorne einer Mutter-Gottes-Figur
und von hinten einem männlichen Glied gleicht und
außer einer Kante am Fußsockel eine glatte
Oberfläche und runde Formen" (UA 6) hatte, den Kopf der Figur
mit der rechten Hand haltend, "mit voller Wucht" in die Scheide des
Opfers ein, so daß der Gegenstand fast vollständig
verschwand. Die Kante am Sockel verursachte einen ca. 15 cm langen
Scheidenschnitt bis zum Muttermund und eine klaffende Wunde in der
Scheidenhaut hinter dem Muttermund. Wegen des hohen Blutverlustes, der
auch zu einem kurzzeitigen Blutdruckabfall führte, bestand
Lebensgefahr, die wegen der - vom Angeklagten veranlaßten -
ärztlichen Versorgung der Geschädigten abgewendet
werden konnte.
bb) Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit einer Vergewaltigung
gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr.
1 und Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB schuldig gesprochen, weil der
Angeklagte die Geschädigte fahrlässig in die Gefahr
des Todes gebracht habe. Dies ist rechtsfehlerhaft:
Nach § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB wird der Täter
einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung bestraft, wenn er
das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt. Zwar hat das
Landgericht zu Recht eine Vergewaltigung bejaht, weil die
Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben
sind. Seine weitere Annahme, für die Erfüllung des
qualifizierenden Merkmals in § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB
genüge in subjektiver Hinsicht Fahrlässigkeit des
Täters, trifft aber nicht zu; die Vorschrift enthält
nämlich kein erfolgsqualifiziertes Delikt, sondern setzt
gemäß § 15 StGB auch hinsichtlich des
Eintritts der konkreten Todesgefahr für das Opfer zumindest
bedingten Vorsatz voraus (so auch Laubenthal Sexualstraftaten [2000]
Rdn. 205; Fischer in Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. §
177 Rdn. 31; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 177 Rdn.
12; Renzikowski NStZ 1999, 377, 384; Schroth Strafrecht BT 3. Aufl. S.
97; a.A. Horn in SK-StGB § 177 Rdn. 34 und allgemein
für den Eintritt einer konkreten Gefahr: Gössel in
Festschrift für Lange 1976 S. 219, 221; Tröndle in
Tröndle/Fischer aaO § 18 Rdn. 2). Dies hat der Senat
bereits zu der entsprechend formulierten, ebenfalls als Qualifikation
durch das 6. StrRG eingefügten Vorschrift des § 306 b
Abs. 2 Nr. 1 StGB entschieden (BGH NJW 1999, 3131 mit zust. Anm. Radtke
NStZ 2000, 89 und Stein JR 2000, 115); ebenso wie in jenem Fall bedarf
es auch hier keiner Entscheidung der Frage, ob die
Herbeiführung einer konkreten Lebensgefahr überhaupt
eine besondere Folge im Sinne des § 18 StGB sein kann (so
BGHSt 26, 176, 180 ff.; a.A. Stein aaO S. 116 m.w.N.).
Vom Wortlaut der Vorschrift her mag zwar eine andere Sichtweise auch
möglich erscheinen (vgl. Kühl in 50 Jahre
Bundesgerichtshof - Festgabe aus der Wissenschaft 2000 S. 237, 243 f.).
Allerdings unterscheidet sich der Wortlaut des § 177 Abs. 4
Nr. 2 Buchst. b StGB deutlich von demjenigen des sich unmittelbar
anschließenden Tatbestands der sexuellen Nötigung
und Vergewaltigung mit Todesfolge gemäß §
178 StGB, welcher in einer an sich (vgl. aber etwa § 226 Abs.
2 StGB) für erfolgsqualifizierte Delikte typischen Weise (s.
§§ 221 Abs. 3, 227 Abs. 1, 235 Abs. 5, 251, 306 b
Abs. 1 StGB) das "Verursachen" der schweren Folge sprachlich
hervorhebt. Auch ist zu berücksichtigen, daß die
Formulierung des § 18 StGB ("besondere Folge") - wie auch der
hieran anknüpfende Tatbestand des § 226 Abs. 1 StGB
und die Intention des Gesetzgebers bei der Einfügung des
§ 56 StGB a.F. (Schroeder in LK 11. Aufl. § 18 Rdn.
8) zeigen - jedenfalls in erster Linie die Realisierung der dem
Grunddelikt eigentümlichen Gefahr im Blick hat,
während § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB allein auf
eine Konkretisierung dieser Gefahr abhebt (vgl. Rudolphi in SK-StGB
§ 18 Rdn. 1 f.; Paeffgen in NK-StGB § 18 Rdn. 9;
Renzikowski aaO S. 383). Nicht unberücksichtigt bleiben kann
auch, daß dessen Wortlaut demjenigen anderer Vorschriften -
insbesondere des § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. = § 250
Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB n.F. - entspricht, für welche die
Rechtsprechung Vorsatz auch hinsichtlich des Gefahrerfolgs verlangt
(BGHSt 26, 244, 245; BGH StV 1991, 262).
Mit der Formulierung in § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB
wollte der Gesetzgeber sich gerade an die genannte Raubqualifikation
anlehnen (BTDrucks. 13/9064 S. 12 f.), ohne deren Auslegung durch die
Rechtsprechung infrage zu stellen (BTDrucks. 13/8587 S. 45, 13/9064 S.
17 f.). Auch hat er die Vorschrift aus dem § 177 Abs. 3 Satz 2
Nr. 3 StGB i.d.F. des 33. StrÄndG entwickelt: Für
konkrete Gefahrerfolge als Regelbeispiele wird indes auch von der
Gegenauffassung Vorsatz gefordert (Tröndle aaO;
Gössel aaO S. 222; vgl. aber § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr.
2 StGB); daß aber die Anhebung der Strafuntergrenze von zwei
Jahren auf fünf Jahre mit einer Absenkung der Anforderungen an
die innere Tatseite einhergehen sollte, kann nicht angenommen werden.
In Übereinstimmung mit der Auslegung des § 177 Abs. 4
Nr. 2 Buchst. b StGB durch den Senat hat der Gesetzgeber des 6. StrRG
in § 330 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB das Bringen eines anderen
Menschen in die konkrete Gefahr des Todes als eine Vorsatz
voraussetzende Qualifikation und die Verursachung des Todes als eine
Erfolgsqualifikation ausgestaltet (so ausdrücklich BTDrucks.
13/9064 S. 23).
Darüber hinaus ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang,
daß der Täter neben dem auf das Grunddelikt
bezogenen Vorsatz auch Gefährdungsvorsatz hinsichtlich der
konkreten Todesgefahr für das Opfer der sexuellen
Nötigung (Vergewaltigung) haben muß: Auch die
anderen - eine mit dem vollendeten Totschlag übereinstimmende
Strafuntergrenze von fünf Jahren rechtfertigenden -
Qualifikationstatbestände des § 177 Abs. 4 StGB
setzen Vorsatz voraus; nur die Annahme eines Vorsatzdelikts ergibt
ferner eine sinnvolle Abstufung des Unrechts- und Schuldgehalts der
einzelnen Tatbestände und der Strafrahmen in den
§§ 177 und 178 StGB.
cc) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zum Fall II.2.c)
kann der Schuldspruch gemäß § 177 Abs. 4
StGB auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten
werden: Allerdings hat der Angeklagte bei der Tat objektiv ein
gefährliches Werkzeug i.S.des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB
verwendet; denn die Metallfigur war - infolge des Einführens
in die Scheide mit dem Sockel nach vorne - geeignet, erhebliche
Verletzungen zuzufügen (vgl. BGH NStZ 1999, 242 f.; 2000,
419). Der Erfüllung dieser Qualifikation steht nicht entgegen,
daß der Angeklagte die Figur ausschließlich bei der
sexuellen Handlung, nicht aber als Nötigungsmittel einsetzte
(vgl. aber Horn aaO § 177 Rdn. 32; Tröndle/Fischer
aaO § 177 Rdn. 29; s. auch Mitsch ZStW 111, 65, 103 f. [zu
§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]): Das folgt bereits aus dem Wortlaut
der Vorschrift, weil das Gesetz mit der Formulierung "bei der Tat" an
beide Bestandteile des zweiaktigen Grunddelikts anknüpft; dies
kann nur so verstanden werden, daß der Einsatz des
gefährlichen Werkzeugs ausschließlich zur Vornahme
der sexuellen Handlung genügt. Nicht anders ist dieselbe
Formulierung bei der im gleichen Absatz geregelten weiteren
Qualifikation der schweren körperlichen Mißhandlung
aufzufassen (Laubenthal aaO Rdn. 202; Horn aaO § 177 Rdn. 33
i.V.m. 29; Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 30 i.V.m.
§ 176a Rdn. 11). Das gleiche ergibt sich aus Sinn und Zweck
des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB: Die Strafschärfung soll
dem unrechts- und schulderhöhenden Umstand Rechnung tragen,
daß der Täter die Gefahren für das Tatopfer
durch den Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs gesteigert hat
(vgl. Laubenthal aaO Rdn. 196; BGH, Beschluß vom 17. Februar
1999 - 5 ARs 2/99 [zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]); die
Gefahrerhöhung hängt aber nicht davon ab, ob der
Täter das Werkzeug bei der Nötigung oder bei dem
sexuellen Geschehen einsetzt.
Zwar hat der Gesetzgeber bei der Regelung in § 177 Abs. 3 Nr.
1 StGB, die allerdings nur das Beisichführen betrifft,
möglicherweise zunächst an "tatqualifizierende
Nötigungsmittel" gedacht (s. aber Horn aaO § 177 Rdn.
29); zur Begründung der weiteren Qualifikationsstufe in
§ 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB hat er aber auf diese Formulierung
nicht zurückgegriffen (vgl. BTDrucks. 13/9064 S. 12 f.),
sondern konsequenterweise mit der Wendung "bei der Tat", die in
§ 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB fehlt, auf beide Teile des zweiaktigen
Grunddelikts gleichermaßen Bezug genommen. In systematischer
Übereinstimmung damit können die anderen
Qualifikationen in § 177 Abs. 4 StGB nicht nur durch die
Nötigung, sondern auch (allein) durch die sexuelle Handlung
verwirklicht werden (vgl. Laubenthal aaO Rdn. 202, 205;
Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 31 und 30 i.V.m.
§ 176a Rdn. 11; so auch Renzikowski aaO S. 383 zum Merkmal
"durch die Tat" in § 177 Abs. 3 Nr. 3 StGB); eine
Beschränkung auf die Nötigungsalternative wie in
§ 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB ist dem Gesetz in § 177 Abs.
4 StGB fremd.
dd) Den Feststellungen ist jedoch nicht mit der erforderlichen
Sicherheit zu entnehmen, daß der Angeklagte insoweit
vorsätzlich gehandelt hat: Er war erheblich alkoholisiert,
hatte die Figur, die er vor der Tat eingefettet hatte, "um sie
geschmeidiger zu machen", am Vortag ohne Verletzungsfolgen in die
Scheide des Opfers gesteckt und holte unverzüglich Hilfe,
nachdem er den Gegenstand - allerdings mit voller Wucht - zuvor
eingeführt hatte; welche Konsequenzen aus der - zum objektiven
Tatablauf widerlegten - Einlassung des Angeklagten, er habe die Figur
mit dem Kopf voran eingeführt, für die subjektive
Tatseite zu ziehen sind, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Die
Schnittverletzungen hat das Landgericht ihm jedenfalls nicht zum
Vorsatz zugerechnet.
Für die Annahme einer schweren körperlichen
Mißhandlung gemäß § 177 Abs. 4
Nr. 2 Buchst. a StGB genügen die bisher getroffenen
Feststellungen ebenfalls nicht (vgl. BGH NJW 2000, 3655).
ee) Da andererseits nicht fernliegt, daß ein neuer Tatrichter
die Voraussetzungen einer der Qualifikationen in § 177 Abs. 4
StGB feststellt - ein Lebensgefährdungsvorsatz (vgl. BGHSt 22,
67, 73 ff.; 26, 244, 246) wird auch im Blick auf das Würgen
bis zur Bewußtlosigkeit zu prüfen sein -,
führt der Rechtsfehler zur Aufhebung des Urteils im Fall
II.2.c) insgesamt, auch soweit der Angeklagte der tateinheitlich
verwirklichten Körperverletzung für schuldig befunden
worden ist (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die Aufhebung
hat den Wegfall der Einsatzstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zur
Folge. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
Der Senat hebt ferner die Einzelstrafe im Fall II.2.b) auf, da nicht
ausgeschlossen werden kann, daß sich der Fehler auch auf die
Höhe dieser Einzelstrafe ausgewirkt hat.
b) Nicht bestehen bleiben kann das Urteil auch, soweit das Landgericht
es abgelehnt hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen. Das Erfordernis
einer solchen Maßregel ist vom Revisionsgericht auch dann zu
überprüfen, wenn - wie hier - lediglich der
Angeklagte das erstinstanzliche Urteil angefochten hat (§ 358
Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5), sofern er nur diesen Beschwerdepunkt
von der Anfechtung des Urteils nicht ausdrücklich ausgenommen
hat (BGHSt 38, 362); das ist nicht geschehen.
Das sachverständig beratene Landgericht hat mit allerdings
knappen, allgemein gehaltenen Ausführungen einen
symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten zu
übermäßigem Alkoholgenuß und der
Tat sowie der künftigen Gefährlichkeit bejaht (vgl.
zu Sexualdelikten als Anlaßtaten BGHR StGB § 64
Zusammenhang, symptomatischer 3 m.w.N.); die hinreichend konkrete
Aussicht eines Behandlungserfolgs (BVerfGE 91, 1) hat es indes
verneint. Doch genügt entgegen der Auffassung der Strafkammer
für die Annahme der Aussichtslosigkeit noch nicht,
daß der Angeklagte "nicht therapiebereit" und
"krankheitsuneinsichtig" ist. Fehlende Therapiebereitschaft und
mangelnde Einsicht können zwar Indizien dafür sein,
daß eine Entwöhnungsbehandlung keine Erfolgschancen
hat (vgl. BGH NJW 2000, 3015, 3016). Andererseits bedarf es in solchen
Fällen der Prüfung und Darlegung, daß auch
mit therapeutischen Bemühungen eine positive Beeinflussung des
Angeklagten nicht zu erreichen wäre (BGH NStZ-RR 2000, 299,
300; 1996, 355, 356; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 7).
Dies gilt hier um so mehr, als der Angeklagte sich "wegen seines
Alkoholproblems" vorübergehend einer Selbsthilfegruppe
angeschlossen und damit eine gewisse Einsicht in seine Suchterkrankung
gezeigt hat; die Gründe für das Scheitern der
"Therapie" teilt das Landgericht nicht mit.
3. Im übrigen weist der Senat für die neue
Hauptverhandlung vorsorglich auf folgendes hin:
a) Im Fall II.2.c) wird der neue Tatrichter auch § 224 Abs. 1
Nr. 5 StGB, der anders als § 223 StGB und § 229 StGB
(zur Möglichkeit von Tateinheit s. BGH NStZ 1997, 493) kein
relatives Antragsdelikt ist (§ 230 StGB; s. o. Ziff. 2), zu
prüfen haben (vgl. zum Würgen bis zur
Bewußtlosigkeit BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz 1
[a.E.]; BGH, Urteil vom 10. März 1998 - 1 StR 731/97 und
Beschluß vom 11. Juli 2000 - 4 StR 238/00); das
Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2
Satz 1 StGB stünde einem entsprechenden Schuldspruch nicht
entgegen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl.
§ 331 Rdn. 8).
Die nachteilige Berücksichtigung der
"äußerst brutale(n) Vorgehensweise" und der
"Intensität der Tatbegehung" bei der Strafrahmenwahl sowie der
konkreten Strafzumessung zu diesem Fall begegnet - nicht anders als die
strafschärfend gewertete "Handlungsintensität" im
Rahmen der Gesamtstrafenbildung - durchgreifenden Bedenken im Blick auf
das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Diese
Umstände gehören zum Regelbild des verwirklichten
Straftatbestands des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB und
sind daher kein zulässiger Strafschärfungsgrund. Da
zudem die Art der Tatausführung, soweit sie auf der
schuldmindernden geistig-seelischen Verfassung des Täters
beruht, diesem nicht uneingeschränkt angelastet werden darf
(BGH NStZ 1997, 592, 593; 1998, 84, 85; Tröndle/Fischer aaO
§ 21 Rdn. 6; § 46 Rdn. 19 und 22), bestehen auch
gegen die strafschärfende Berücksichtigung der
"brutale(n) Vorgehensweise" im Fall II.2.b) rechtliche Bedenken (vgl.
hierzu auch BGH StV 1998, 76; BGHR StGB § 177 Abs. 1
Strafzumessung 13; Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn.
36). Im Blick auf die ausdrückliche Herausnahme der
alkoholbedingten verminderten Schuldfähigkeit aus der
konkreten Strafzumessung weist der Senat ferner darauf hin,
daß die eine Strafrahmenmilderung bewirkenden
Umstände mit ihrem verbleibenden Gewicht in die
Gesamtwürdigung einzustellen sind (vgl. BGHR StGB §
50 Strafhöhenbemessung 1 bis 5).
b) Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben zu prüfen,
ob wegen der rechtskräftigen Vorverurteilung des Angeklagten
vom 28. August 1997 eine nachträgliche Gesamtstrafe mit der
Einzelstrafe für die zuvor begangene gefährliche
Körperverletzung (Fall II.2.a) gebildet werden muß;
sofern zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils
die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach
§ 55 StGB vorgelegen haben, ist diese auch dann nachzuholen,
wenn die früher verhängte Strafe inzwischen erledigt
ist (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1 und Fehler
2).
Meyer-Goßner Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |