BGH,
Beschl. v. 12.2.2003 - 2 StR 464/02
2 StR 464/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
12. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12.
Februar 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Gera vom 16. Juli 2002 im Ausspruch über die
Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben; die Feststellungen zum Lebensalter des Angeklagten bleiben
jedoch bestehen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen
gewerbsmäßigem unerlaubten Handel mit
Betäubungsmitteln" in 36 Fällen zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und im
übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten
führt mit der Sachrüge zur Aufhebung der
Gesamtfreiheitsstrafe; im übrigen ist sie unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zu den Verfahrensrügen ist ergänzend zu bemerken,
daß sie beide unzulässig sind, weil sie nicht den
Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen.
Die Revision teilt nicht mit, daß die Zeugin K. ,
hinsichtlich derer das Unterbleiben der Vereidigung gerügt
wird (§§ 59, 64 StPO), nur an dem ersten
Hauptverhandlungstag vernommen wurde, der wegen eines Verfahrensfehler
wiederholt wurde. Am zweiten Hauptverhandlungstag wurde die Zeugin
nicht erneut vernommen. Zudem stützt das Landgericht seinen
Schuldspruch nicht auf Angaben dieser Zeugin. Zu der Rüge nach
§ 261 StPO teilt die Revision nicht mit, wie das Landgericht
über den Protokollberichtigungsantrag der Verteidigung
entschieden hat.
2. Die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren kann nicht bestehen
bleiben. Sie läßt besorgen, daß sich das
Landgericht bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe zu sehr von der
Gesamtzahl der Einzeltaten und der Summe der Einzelstrafen hat leiten
lassen. Zudem überschreitet die Gesamtstrafe den Unrechts- und
Schuldgehalt der festgestellten Taten.
Das Landgericht hat für die innerhalb von knapp zwei Monaten
begangenen 36 Taten des (gewerbsmäßigen)
Handeltreibens mit je einem Gramm Heroin schlechter Qualität
Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten
verhängt. Eine konkrete Wirkstoffmenge wurde nicht
festgestellt. Geht man mangels anderer Anhaltspunkte davon aus,
daß der Angeklagte Konsumeinheiten verkaufte, weil sich die
Abnehmerin Kü. zur Tatzeit zweimal täglich mit
Betäubungsmitteln versorgte, davon einmal bei dem Angeklagten,
und daß 50 mg Heroinhydrochlorid bereits eine
äußerst gefährliche Konsumeinheit bilden
(vgl. BGHSt 32, 162, 164), ergibt sich eine Wirkstoffmenge von 50 mg
für den einzelnen Verkauf und eine Gesamtmenge von 1,8 g
Heroinhydrochlorid für alle 36 Verkäufe zusammen.
Unter diesen Umständen sind zwar die Einzelstrafen im Hinblick
auf den Strafrahmen des § 29 Abs. 3 Nr. 1 StGB nicht
rechtsfehlerhaft. In Bezug auf die Höhe der
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren ist aber zu besorgen,
daß das Landgericht die Grundsätze für die
Bildung einer Gesamtstrafe nicht hinreichend bedacht hat.
Die Gesamtstrafe ist durch die Erhöhung der höchsten
Einzelstrafe zu bilden. Dabei sind die Person des Täters und
die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen
(§ 54 Abs. 1 StGB). Die bloße Summe der
Einzelstrafen hat insoweit meist nur geringes Gewicht (vgl.
Senatsbeschl. vom 12. Februar 2003 - 2 StR 451/02 - m.w.N.). Das
Landgericht hat, neben anderen Umständen, den engen zeitlichen
und sachlichen Zusammenhang der Taten und ihre gleichförmige
Begehung in schneller Reihenfolge bedacht. Es hat jedoch auch unter
Berücksichtigung der Straferschwerungsgründe und der
Obergrenze des gesetzlichen Strafrahmens nicht nachvollziehbar
begründet, warum die Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs
Monaten auf die vierfache Dauer erhöht wurde. Die
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren entspricht zudem, auch unter
Berücksichtigung der durchaus gewichtigen
Strafschärfungsgründe, nicht mehr dem Unrechts- und
Schuldgehalt der festgestellten Taten, bei denen der Angeklagte
insgesamt nur etwa 1,8 g Heroinhydrochlorid verkauft hat. Im Hinblick
hierauf ist die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe unvertretbar
hoch und löst sich nach oben von ihrer Bestimmung eines
gerechten Schuldausgleichs.
3. Die Sache wird an eine allgemeine Strafkammer
zurückverwiesen, weil mit der Verwerfung der Revision des
Angeklagten im übrigen rechtskräftig feststeht,
daß er die Taten als Erwachsener begangen hat. Somit scheidet
eine Zuständigkeit der Jugendkammer aus.
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