BGH,
Beschl. v. 12.1.2000 - 1 StR 603/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 603/99
vom
12. Januar 2000
in der Strafsache gegen
wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Ulm (Donau) vom 20. August 1999
a) in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe
jeweils mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in zwei
Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei sowie
uneidlicher Falschaussage zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten
beanstandet die Anwendung des sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat
teilweise Erfolg, weil bandenmäßiges Handeln des
Angeklagten in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe
nicht hinreichend dargetan ist; das führt zur Aufhebung des
Urteils in diesen Fällen und zur Aufhebung des Ausspruchs
über die Gesamtstrafe nebst den zugehörigen
Feststellungen. Im übrigen ist die Revision
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den Feststellungen kam der Angeklagte im Jahr 1995 mit einer
polnischen Tätergruppierung in Kontakt, die gestohlene
Mercedes Benz-Fahrzeuge als Dubletten von preisgünstig
aufgekauften Unfallfahrzeugen herrichtete und ins Ausland verbrachte.
Die in Polen lebenden Anführer der Tätergruppierung,
R. und L. , erteilten innerhalb des hierarchischen Aufbaus der
Gruppierung die Aufträge und übten dergestalt Druck
auf die Mitglieder aus, daß sie ihnen für den Fall
des Ausstiegs Gefahren für Leib und Leben androhten. Der
Angeklagte hatte die Aufgabe, einzelne gestohlene Pkw´s zu
übernehmen und diese "eigenverantwortlich" im Ausland
abzusetzen. Das Landgericht meint, der Angeklagte habe sich in die
Tätergruppierung eingegliedert. Es ist der
Überzeugung und hat deshalb weiter festgestellt, zwischen der
Tätergruppierung und dem Angeklagten sei eine längere
Zusammenarbeit geplant gewesen. In Ausführung dieser
Verabredung sei es mindestens zu zwei Taten gekommen. Die erste beging
der Angeklagte zwischen Mai und Oktober 1995 (Fall 1), die zweite im
Sommer 1996 (Fall 2). Mitglieder der Tätergruppierung
übergaben jeweils das entwendete Fahrzeug dem Angeklagten zur
Weiterveräußerung. Dieser leitete die Verschiffung
in die Wege.
II.
Die Revision beanstandet mit Recht, daß den
Urteilsgründen in den Fällen 1 und 2 die für
den Tatbestand der Bandenhehlerei erforderliche Bandenabrede nicht
hinreichend zu entnehmen ist.
1. Für die Annahme einer Bande im Sinne von § 260
Abs. 1 Nr. 2, § 260a Abs. 1 StGB reicht es aus, wenn sich
unter Einschluß des Hehlers zumindest zwei Personen zu
fortgesetzter Begehung von Raub, Diebstahl oder Hehlerei durch eine
ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung verbunden
haben. Weder ist eine gegenseitige Verpflichtung der Mitglieder zur
Begehung von Delikten der in § 260 Abs. 1 Nr. 2, §
260a Abs. 1 StGB aufgeführten Art noch die Bildung einer
festgefügten Organisation rechtlich erforderlich; es
genügt vielmehr die allgemeine Verbrechensabrede zwischen den
Beteiligten, in Zukunft selbständige, im einzelnen noch
unbestimmte Diebstähle oder Hehlereihandlungen zu begehen. Bei
der Bandenhehlerei kommt es auch - anders als beim Bandendiebstahl
(§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) - nicht auf die Mitwirkung mehrerer
Bandenmitglieder am Tatort an (BGH NStZ 1995, 85). Die Kenntnis
mehrerer oder gar sämtlicher Mitglieder einer
bandenmäßig organisierten Gruppe von der
Bandenabrede ist nicht erforderlich, wenn der Täter diese nur
mit einem anderen getroffen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 85; BGH NStZ 1996,
495 = BGHR StGB § 260a Bande 1; BGH NStZ-RR 1999, 208 f.;
Ruß in LK 11. Aufl. § 260 Rdn. 3). Ob die
Voraussetzungen bandenmäßigen Handelns
erfüllt sind, ist aufgrund aller Umstände des
Einzelfalls zu beurteilen. Dabei kommt vor allem der Eigenart der
jeweiligen Tätergruppe Indizwert zu. Je stärker die
Gefährlichkeit einer Tätergruppe durch die Zahl ihrer
Mitglieder, durch deren Präsenz bei der Tatausführung
oder durch organisatorische Stabilität hervortritt, desto
geringer sind die Beweisanforderungen hinsichtlich des Bandenzwecks und
der Bandenabrede (BGH NJW 1998, 2913 f.; BGH NStZ-RR 1999, 208 f.).
2. Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
Das Landgericht hat zwar festgestellt, der Angeklagte habe sich
"dergestalt" in die Tätergruppierung eingegliedert,
daß er die Aufgabe übernahm, einzelne gestohlene Pkw
"eigenverantwortlich" im Ausland abzusetzen. Zwischen der Gruppierung
und ihm sei eine längere Zusammenarbeit geplant gewesen; in
Ausführung dieser Vereinbarung sei es zumindest - im Abstand
von etwa einem Jahr - zu den zwei dargestellten Hehlereitaten gekommen.
Feststellungen zur näheren Ausgestaltung der Bandenabrede und
zum Fluß der Erlöse sind indessen nicht getroffen.
Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt,
kamen als weitere Beweisanzeichen allenfalls noch die folgenden
Umstände in Betracht: Ein Mitglied der Diebesbande war auf die
Fahrzeugidentifizierungsnummer eines früher vom Angeklagten
exportierten Fahrzeuges "aufmerksam" geworden; die Gruppierung hatte
danach diese Nummer für eine sog. Fahrzeugdublettierung
verwandt. Der Grund für diese Kenntniserlangung ist offen.
Schließlich hatte der Zeuge S. , Mitglied der Diebesbande,
bekundet, man habe sich innerhalb der Gruppierung erzählt, der
Organisation stehe auch ein "chinesischer Abnehmer" zur
Verfügung; außer dem Angeklagten habe er indessen
bei seiner Tätigkeit niemanden chinesischer Abstammung
kennengelernt. An anderer Stelle hebt das Landgericht hervor, der
Angeklagte habe in den Jahren 1994/95 elf Schließanlagen
für Mercedes Benz-Pkw erworben. Die vom Angeklagten
dafür gegebene Erklärung erachtet es für
"wenig überzeugend"; zum Zweck dieses Erwerbs sind
Feststellungen nicht getroffen.
Die lediglich zwei festgestellten Hehlereihandlungen im Verlaufe etwa
eines Jahres und der Umstand, daß der Angeklagte die
Fahrzeuge "eigenverantwortlich" absetzte, sprechen hier eher
für eine bloße Zusammenarbeit zwischen der
Diebesbande einerseits und dem Angeklagten andererseits von Fall zu
Fall. Ein dauerhaftes, bandenmäßiges Zusammenwirken
ist dadurch nicht hinreichend belegt. Ob die genannten weiteren
Beweisanzeichen die Annahme einer Bandenabrede tragen konnten,
hätte der ausdrücklichen Würdigung bedurft;
von selbst verstand sich das nicht, zumal es an anderen, für
eine Bandenabrede typischen Indizien fehlt. Solche können sich
aus näheren Umständen der Planung und Vorbereitung,
aber auch aus der Ausübung einer weiteren Kontrolle
über die Hehlereihandlungen und eine Rechenschaftslegung des
Hehlers ergeben. Nach allem bleibt zu besorgen, daß das
Landgericht an den Nachweis der Bandenabrede zu geringe Anforderungen
gestellt hat.
III.
1. Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den
Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe. Von einer
Änderung des Schuldspruchs dahin, daß der Angeklagte
auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen insoweit der
gewerbsmäßigen Hehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 1
StGB) schuldig sei, sieht der Senat ab. Er schließt nicht
aus, daß ein neuer Tatrichter weitergehende Feststellungen
zur Frage der Bandenhehlerei (§ 260a StGB) treffen kann;
diesem obliegt es zudem, die vorhandenen Beweisanzeichen auch unter dem
Gesichtspunkt einer Bandenabrede zu würdigen.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der
Urteilsgründe zieht den Wegfall der Einzelstrafen in diesen
Fällen sowie die Aufhebung des Ausspruchs über die
Gesamtstrafe nach sich.
Die Einzelstrafen in den Fällen 3 und 4 der
Urteilsgründe haben hingegen Bestand. Der Senat
schließt aus, daß deren Höhe von dem
Rechtsfehler beeinflußt sein kann.
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