BGH,
Beschl. v. 12.1.2010 - 3 StR 466/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 466/09
vom
12. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches
Betätigungsverbot
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 12. Januar 2010 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dresden vom 6. Juli 2009 dahin geändert, dass der Angeklagte
wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches
Betätigungsverbot zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten
verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt
wird.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen. Jedoch wird die Gebühr um ein Viertel
ermäßigt; die Staatskasse trägt ein Viertel
der dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten des Zuwiderhandelns gegen ein
vereinsrechtliches Betätigungsverbot in zwei Fällen
schuldig gesprochen und ihn deswegen zum einen unter Auflösung
der mit Urteil des Landgerichts Gera vom 29. Mai 2008 gebildeten
Gesamtgeldstrafe und Einbeziehung der dort verhängten
Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten sowie zum
anderen zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung
ausgesetzt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die
Verletzung materiellen Rechts.
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Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen
Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte in der Zeit
vom 10. Januar 2007 bis zum 13. März 2009 als
Funktionär des KONGRA-GEL (Kongra Gele Kurdistan -
Volkskongress Kurdistans), einer Nachfolgeorganisation der PKK (Patiya
Karkeren Kurdistan - Arbeiterpartei Kurdistan), Verantwortlicher
für den Raum Dresden. In Ausübung dieser
Tätigkeit sammelte er für die Organisation Spenden
und verkaufte bzw. vertrieb Propagandamaterialien.
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Durch Urteil des Landgerichts Gera vom 29. Mai 2008 wurden gegen ihn
wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches
Betätigungsverbot in zwei Fällen Geldstrafen von
jeweils 60 Tagessätzen zu je 15 € verhängt,
aus denen das Landgericht eine Gesamtgeldstrafe von 90
Tagessätzen bildete. Dem lag zugrunde, dass der Angeklagte am
17. Januar und 14. Februar 2006 in Erfurt und Umgebung Spendengelder
für KONGRA-GEL eingesammelt und Propagandamaterial verteilt
hatte.
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1. Die Strafkammer hat angenommen, das bezeichnete Urteil des
Landgerichts Gera wirke als Zäsur mit der Folge, dass im
vorliegenden Fall zwei materiellrechtliche Taten anzunehmen seien. Dies
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das hier
abgeurteilte Verhalten des Angeklagten stellt vielmehr nur eine
sachlichrechtliche Tat dar.
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a) Jedes Zuwiderhandeln gegen ein Betätigungsverbot nach
§ 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG ist grundsätzlich eine
materiellrechtlich selbstständige Straftat (BGHSt 43, 312).
Übernimmt ein Täter allerdings im Interesse eines mit
einem Betätigungsverbot belegten Vereins ein auf eine gewisse
Dauer angelegtes Amt
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oder einen bestimmten Tätigkeitsbereich mit dem Willen, zur
Aufrechterhaltung oder zur Unterstützung der verbotenen
Tätigkeit des Vereins beizutragen, so verbindet das
übernommene Amt sämtliche in seiner Ausübung
begangenen Zuwiderhandlungen gegen das vereinsrechtliche
Betätigungsverbot zu einer einzigen Tat (Bewertungseinheit)
des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG (BGHSt 46, 6).
Danach sind die hier abgeurteilten Tätigkeiten, die der
Angeklagte als Verantwortlicher für den Raum Dresden in der
Zeit vom 10. Januar 2007 bis zum 13. März 2009
ausübte, materiellrechtlich als eine Zuwiderhandlung gegen ein
vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu würdigen.
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b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts führt das Urteil
des Landgerichts Gera vom 29. Mai 2008 nicht dazu, dass der Angeklagte
zwei Taten nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG begangen hat. Zwar
bewirkt die Verurteilung wegen eines Dauerdelikts eine Zäsur
mit der Folge, dass das Aufrechterhalten des Dauerzustands nach dem
Urteil als selbstständige Tat zu werten ist (Rissing-van Saan
in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 56; Stree/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. Vorbem.
§§ 52 ff. Rdn. 87). Dieser Grundsatz ist
sinngemäß auf Straftaten nach § 20 Abs. 1
Nr. 4 VereinsG übertragbar, wenn mehrere Tätigkeiten
des Angeklagten im Wege der Bewertungseinheit zu einer Tat im
materiellrechtlichen Sinne zusammengefasst werden. Jedoch entfaltet
eine Verurteilung, die in den zeitlichen Rahmen der Zuwiderhandlungen
gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot fällt,
welche zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden, nur dann eine
Zäsurwirkung, wenn in dem Urteil bis zu diesem Zeitpunkt
ausgeübte Tätigkeiten des Angeklagten sanktioniert
werden, die Teile der Bewertungseinheit sind. Eine Verurteilung
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wegen sonstiger Delikte nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG vermag
demgegenüber eine Zäsur nicht zu bewirken.
Daraus folgt, dass die Annahme von zwei materiellrechtlich
selbstständigen Taten hier ausscheidet; denn die durch das
Landgericht Gera am 29. Mai 2008 abgeurteilten, zu Beginn des Jahres
2006 in Erfurt und Umgebung begangenen Taten sind nicht Teil der
Tätigkeit des Angeklagten als Verantwortlicher für
den Raum Dresden in der Zeit vom 10. Januar 2007 bis zum 19.
März 2009.
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2. Der Senat kann den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des
§ 354 Abs. 1 StPO umstellen, da auszuschließen ist,
dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden
können, die eine Verurteilung wegen zweier materiellrechtlich
selbstständiger Vergehen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4
VereinsG tragen. § 265 StPO steht der
Schuldspruchänderung nicht entgegen; denn der
geständige Angeklagte hätte sich gegen den Vorwurf,
nur eine sachlichrechtliche Tat begangen zu haben, nicht wirksamer als
geschehen verteidigen können.
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3. Der Senat hat mit Blick auf die gebotene Beschleunigung des
Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO
die Strafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe festgesetzt. Dies
entspricht derjenigen Strafe, die das Landgericht für die von
ihm angenommene zweite Tat, mithin für die
Tätigkeiten des Angeklagten in seiner Funktion als
Raumverantwortlicher in der Zeit vom 30. Mai 2008 bis zum 13.
März 2009, für angemessen erachtet hat. Es ist
auszuschließen, dass ein neues Tatgericht für die
strafbaren Handlungen des Angeklagten in dem gesamten Tatzeitraum vom
10. Januar 2007 bis zum 13. März 2009 eine geringere Strafe
festsetzen würde.
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Die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach §
55 StGB mit den Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Gera vom
29. Mai 2008 kommt nicht in Betracht. Die hier abgeurteilte Tat
erstreckte sich bis zum 13. März 2009; sie war folglich nicht
vor der früheren Verurteilung beendet. Die in dem Urteil des
Landgerichts Gera verhängten Einzelstrafen und die daraus
gebildete Gesamtstrafe bleiben somit neben der Strafe im hiesigen
Verfahren bestehen.
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Becker Pfister von Lienen
Hubert Schäfer |