BGH,
Beschl. v. 12.1.2010 - 4 StR 589/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 589/09
vom
12. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts, zu Ziffer 1. auf dessen Antrag, und nach
Anhörung der Beschwerdeführerin am 12. Januar 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des
Landgerichts Magdeburg vom 17. Juli 2009 wird verworfen, soweit sie
zuungunsten des Angeklagten eingelegt ist.
2. Soweit das Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten wirkt (§
301 StPO), wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit
Bedrohung schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung an das Amtsgericht - Strafrichter - Aschersleben
zurückverwiesen.
4. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels sowie
die durch das Rechtsmittel dem Angeklagten erwachsenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Gründe:
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur
Bewährung ausgesetzt hat. Die Nebenklägerin strebt
mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision eine
Verurteilung des Angeklagten wegen ver-
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suchten Totschlags an. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund
der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zugunsten des
Angeklagten ergeben, wie der Generalbundesanwalt in seiner
Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Jedoch
ist das Urteil in entsprechender Anwendung des § 301 StPO
zugunsten des Angeklagten im Schuldspruch abzuändern und im
Strafausspruch aufzuheben, weil es einen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten aufweist, der auf die Revision der Nebenklägerin
zu beachten ist, obwohl das Rechtsmittel nur zuungunsten des
Angeklagten eingelegt wurde (BGH, Beschl. vom 23. August 1995 - 2 StR
394/95, NStZ-RR 1996, 130).
1. Nach den Feststellungen legte der Angeklagte der vor dem Computer
sitzenden Nebenklägerin ein etwa ein Meter langes Elektrokabel
locker um den Hals, ohne es allerdings zuzuziehen und ohne dass das
Kabel mit ihrem Hals in Berührung kam. Er wollte ihr lediglich
einen heftigen Schrecken einjagen. Die Nebenklägerin bemerkte
das Kabel, ergriff es von oben mit beiden Händen und zog es
mit einem heftigen Ruck dem Angeklagten aus der Hand, so dass es auf
den Fußboden fiel. Spätestens jetzt rief der
Angeklagte: “Ich bringe dich um.“ Die
Nebenklägerin, der es im weiteren Verlauf gelang, den
Angeklagten aus dem Zimmer zu drängen und in die
Küche zu flüchten, erlebte Todesängste,
verspürte eine Beklemmung und litt noch geraume Zeit nach der
Tat unter Angstzuständen.
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2. Diese Feststellungen belegen zwar noch die Annahme einer
vorsätzlichen (einfachen) Körperverletzung
(§ 223 Abs. 1 StGB). Die Verurteilung wegen
gefährlicher Körperverletzung kann jedoch keinen
Bestand haben. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der
Angeklagte die Körperverletzung nicht mittels eines
gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr.
2 Alt. 2 StGB begangen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein
gefährliches Werkzeug jeder bewegliche Gegenstand, der nach
seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im
konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche
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Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. nur Senat,
Beschl. vom 5. September 2006 - 4 StR 313/06, NStZ 2007, 95). Bereits
diese Eignung erscheint hier zweifelhaft. Zwar kann ein Kabel, wenn es
zum Würgen eingesetzt wird, nach seiner Beschaffenheit und der
konkreten Verwendung erhebliche Verletzungen herbeiführen.
Hier legte der Angeklagte der Nebenklägerin jedoch das Kabel
lediglich locker um den Hals, um sie in Angst und Schrecken zu
versetzen. Wird eine Strangulation aber nur vorgetäuscht, sind
erhebliche Verletzungen regelmäßig nicht zu
befürchten. Dass es sich hier ausnahmsweise, etwa aufgrund
einer besonderen Disposition der Nebenklägerin, anders
verhielt, ist nicht festgestellt.
b) Darüber hinaus verlangt § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB,
dass die Körperverletzung “mittels“ eines
solchen Werkzeugs begangen wird. Das Tatmittel muss hierbei unmittelbar
auf den Körper des Opfers einwirken (Senat, Urt. vom 22.
Dezember 2005 - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573, Beschl. vom 16.
Januar 2007 - 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405; Fischer StGB 57. Aufl.
§ 224 Rdn. 7). Jedenfalls daran fehlt es hier. Das Kabel kam
zwar mit dem Körper der Nebenklägerin in
Berührung. Es entfaltete jedoch als bloße
“Requisite“ bei der Inszenierung einer scheinbar
lebensbedrohlichen Situation seine Wirkung nicht unmittelbar
körperlich, sondern psychisch vermittelt. Dies vermag den
Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB aber ebenso wenig zu
erfüllen wie der Einsatz einer Maske oder die Vorlage einer
gefälschten Todesbescheinigung mit dem Ziel, das Opfer in
Schrecken zu versetzen. Diese Auffassung liegt auch der bisherigen
Rechtsprechung zugrunde (vgl. BGH, Beschl. vom 17. Januar 2001 - 1 StR
480/00; Urt. vom 26. November 1985 - 1 StR 393/85, NStZ 1986, 166; im
Ergebnis ebenso Stree in Schönke/Schröder StGB 27.
Aufl. § 224 Rdn. 3; a.A. Hardtung in MK StGB § 224
Rdn. 21; differenzierend Eckstein NStZ 2008, 125, 128). An ihr wird
festgehalten.
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3. Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend um. Er
schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden
können, die das Handeln des Angeklagten als eine das Leben
gefährdende Behandlung i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB
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lassen könnten. § 265 StPO steht der
Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte
nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Änderung des Schuldspruchs zieht angesichts des
gegenüber § 224 StGB milderen Strafrahmens des
§ 223 StGB die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der
Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO
Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter -
Aschersleben zurück, da dessen Strafgewalt hier ausreicht.
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Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer |