BGH,
Beschl. v. 12.7.2007 - StB 5/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
StB 5/07
vom
12.7.2007
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz u.
a.;
hier: Beschwerde des Beschuldigten S. gegen Beschlagnahmeanordnung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12.7.2007
gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 21. Mai 2007 (1 BGs
226/2007) wird verworfen.
Der Beschuldigte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
1. Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen
Agententätigkeit, des mehrfachen Verstoßes gegen das
Außenwirtschaftsgesetz und der Geldwäsche.
Gestützt auf einen Beschluss des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2006 führten im Zuge der
Ermittlungen Beamte des Bundeskriminalamtes und des Zollfahndungsamtes
Stuttgart am 6. November 2006 eine Durchsuchung der Wohnung des
Beschuldigten durch. Hierbei stellten sie verschiedene
Gegenstände des Beschuldigten sicher, da sie als Beweismittel
in Betracht kämen, unter anderem ein Notebook und ein
Mobiltelefon jeweils mit Zubehör.
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Mit Schriftsatz vom 17. März 2007 hat der Verteidiger des
Beschuldigten, Rechtsanwalt B. , die Herausgabe mehrerer der
sichergestellten Gegenstände beantragt, unter anderem des
Notebooks und des Mobiltelefons. Diesem Antrag hat sich die weitere
Verteidigerin des Beschuldigten, Rechtsanwältin M. , mit
Schriftsatz vom 26. April 2007 hinsichtlich des Note-
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books angeschlossen; hilfsweise hat sie zumindest die
Aushändigung einer kompletten Kopie der Festplatte verlangt.
Der Generalbundesanwalt hat daraufhin verschiedene der sichergestellten
Gegenstände herausgegeben und eine Kopie der auf der
Festplatte des Notebooks gespeicherten Buchhaltungsdaten an
Rechtsanwältin M. ausgehändigt. Die weitergehenden
Anträge auf Herausgabe des Notebooks und des Mobiltelefons hat
er dagegen abgelehnt und beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
beantragt, die Beschlagnahme dieser Gegenstände anzuordnen,
weil sie zum einen als Beweismittel in Betracht kämen und zum
anderen als Tatmittel der Einziehung unterlägen. Diesem Antrag
hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 21.
Mai 2007 entsprochen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des
Beschuldigten, der der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nicht
abgeholfen hat.
2. Das zulässige Rechtsmittel (§ 304 Abs. 5 StPO)
bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Der Beschlagnahmebeschluss vom 21. Mai 2007 erweist sich schon deswegen
als rechtmäßig, weil Gründe für
die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für die
Einziehung des Notebooks und des Mobiltelefons vorliegen (§
111 b Abs. 1 StPO); darauf, ob sie auch noch als Beweismittel von
Bedeutung sein können (§ 94 Abs. 1 StPO) oder die auf
ihnen vorhandenen Daten für das weitere Verfahren nicht auch
in anderer Weise als durch die Beschlagnahme der Geräte
wirksam gesichert werden könnten, kommt es danach nicht an. Im
Einzelnen:
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Die Anforderungen an die Beschlagnahme des Notebooks und des
Mobiltelefons zur Sicherung ihrer etwaigen Einziehung sind §
111 b Abs. 1 StPO zu entnehmen; es genügt, dass
tatsächliche Gründe die Annahme rechtfertigen,
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die Voraussetzungen der Einziehung lägen vor. Nicht etwa
bedarf es deswegen im Sinne des § 111 b Abs. 3 Satz 1 StPO
dringender Gründe für diese Annahme, weil nunmehr
seit der Sicherstellung dieser Gegenstände anlässlich
der Durchsuchung vom 6. November 2006 mehr als sechs Monate verstrichen
sind. Die Sechs-Monats-Frist des § 111 b Abs. 3 Satz 1 StPO
wird nicht durch jede Ingewahrsamnahme eines Gegenstandes seitens der
Strafverfolgungsbehörden in Gang gesetzt, insbesondere nicht
schon durch dessen Sicherstellung zu Beweiszwecken
gemäß § 94 Abs. 1 StPO; vielmehr
läuft sie erst ab Anordnung der Beschlagnahme nach §
111 b Abs. 1 StPO (Schäfer in Löwe/ Rosenberg, StPO
25. Aufl. § 111 b Rdn. 42; Meyer-Goßner, StPO 50.
Aufl. § 111 b Rdn. 8). Dies ist hier erst durch den
angefochtenen Beschluss vom 21. Mai 2007 geschehen. Gründe,
die im Sinne des § 111 b Abs. 1 StPO die Beschlagnahme einer
Sache zur Sicherung der Einziehung rechtfertigen sind vorhanden, wenn
gegen den Beschuldigten der Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 1
StPO) strafbaren Handelns gegeben ist (Schäfer aaO Rdn. 15;
Meyer-Goßner aaO m. w. N.) und auf dieser Grundlage eine
gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die zu
beschlagnahmende Sache nach den Vorschriften der §§
74 ff. StGB der Einziehung unterliegen (Schäfer aaO Rdn. 16).
Dies ist hier der Fall. Gegen den Beschuldigten besteht der
Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit
(§ 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB) sowie von zumindest 42 strafbaren
Zuwiderhandlungen gegen das Außenwirtschaftsgesetz (ein
Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG, Art. 3 Abs. 1
i. V. m. Anhang I EG-Dual-Use-VO; 41 Verstöße gegen
§ 34 Abs. 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1 AWG, § 5 c,
§ 70 Abs. 1 Nr. 3 AWV - in der jeweiligen Tatzeitfassung -).
Denn nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen liegen hinreichende
Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte in den Jahren
2002 bis 2006, handelnd unter der angeblich in Zürich/Schweiz
tätigen, tatsächlich dort aber nur als
Briefkastenfirma ansässigen "H Ltd.", in 42 Fällen
sog. Dual-Use-Güter oh-
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ne die erforderliche Genehmigung in den Iran ausführte, indem
er den jeweiligen Lieferfirmen einen Export in die Schweiz
vorspiegelte, in Wirklichkeit die Waren aber bei der eingeschalteten
deutschen Spedition zollrechtlich umdeklarieren und
anschließend in den Iran verbringen ließ. In die
konspirativ durchgeführten Beschaffungsvorgänge waren
nach den vorliegenden Erkenntnissen auf iranischer Seite jeweils
Stellen eingeschaltet, die für die oder in der
Rüstungsproduktion tätig sind. Dieser Verdacht folgt
namentlich aus der (auf dem Notebook gespeicherten)
Geschäftskorrespondenz des Beschuldigten, der Auswertung
überwachter Telefongespräche, dem Ergebnis von
Zeugenvernehmungen und hinsichtlich der dem Beschuldigten angelasteten
Verstöße nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG
zusätzlich aus der Stellungnahme des Auswärtigen
Amtes vom 20. März 2007. Ob er sich nach dem bisherigen
Ermittlungsstand zu einem dringenden Tatverdacht verdichtet hat, ist
für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung. Dies gilt
insbesondere auch hinsichtlich der Fragen, ob das Zusammenwirken des
Beschuldigten mit iranischen Stellen nach den vom Senat insoweit
aufgestellten Maßstäben (BGH NStZ-RR 2005, 305 m.
Anm. Schmidt/Wolf NStZ 2006, 161; BGH NStZ 2007, 93 ff.; 2007, 117,
118) naheliegend als geheimdienstliche Agententätigkeit
einzustufen ist und ob - auch unter Berücksichtigung der
erwähnten Stellungnahme des Auswärtigen Amtes - die
nach Außenwirtschaftsrecht allenfalls
gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG strafrechtlich
relevanten Exportgeschäfte tatsächlich geeignet
waren, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik
Deutschland erheblich zu gefährden.
Die Ermittlungen rechtfertigen weiter die Annahme, dass wegen der
genannten Taten die Voraussetzungen für die Einziehung des
Notebooks und des Mobiltelefons gegeben sind. Bei dem Angeklagten wurde
keine Geschäftskorrespondenz über die von ihm unter
der Firma "H Ltd." abgewickelten Exporte in Papierform gefunden.
Sämtliche dazu vorhandenen Dokumente waren in digitaler Form
auf der Festplatte des Notebooks gespeichert. Es liegt daher na
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he, dass er das Notebook für die Vorbereitung und Abwicklung
dieser Geschäfte nutzte. Gleiches gilt für das
beschlagnahmte Mobiltelefon, wie die Auswertung mehrerer
überwachter Telefonate des Beschuldigten belegt, die er
über die Rufnummer der SIM-Karte geführt hat, die bei
der Sicherstellung in das Mobiltelefon eingelegt war. All dies deutet
darauf hin, dass Notebook und Mobiltelefon vom Beschuldigten als
Tatwerkzeuge im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB genutzt worden sind.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine
Einziehung der beiden Geräte gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (§ 74 a Abs. 1
i. V. m. § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB) verstoßen
könnte. Notebooks werden auch in gehobener Ausstattung
für Preise zwischen 1.000 und 2.000 € angeboten,
Mobiltelefone sind für wesentlich geringere Preise
erhältlich. Im Hinblick auf die Strafe, die für den
Beschuldigten im Falle einer Verurteilung im Raume stünde,
kann nicht davon die Rede sein, dass die Einziehung von
Gegenständen mit einem solchen, vergleichsweise geringen Wert
außer Verhältnis zur Bedeutung der Taten und zu dem
gegen den Beschuldigten gerichteten Tatvorwurf stünde; denn
wegen der naheliegend gewerbsmäßigen Begehungsweise
kommen für die nach dem 7. April 2006 durchgeführten
Exportgeschäfte gemäß § 34 Abs. 6
Nr. 2 AWG nF Freiheitsstrafen über zwei Jahre in Betracht und
diese Taten könnten auch nicht mehr durch das etwaige Vergehen
nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB untereinander zu Tateinheit
verbunden werden. Soweit sich der Beschuldigte demgegenüber
auf den schnellen Wertverlust der Geräte beruft, vermag der
Senat hierin kein taugliches Argument für die
Unverhältnismäßigkeit einer etwaigen
künftigen Einziehung oder auch nur der diese sichernden
Beschlagnahme zu erkennen. Der Wertverlust wird durch keine dieser
Maßnahmen vergrößert; er
entstünde in gleicher Weise, wenn diese sich wieder im Besitz
des Beschuldigten befänden.
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Auch im Hinblick auf die Daten, die auf den Geräten
gespeichert sind, lässt sich eine
Unverhältnismäßigkeit der Beschlagnahme zur
Sicherung der Einziehung nicht erkennen. Soweit es um die Nutzung der
Datenbestände geht, sind diese dem Beschuldigten teilweise
über eine ausgehändigte Kopie der Festplatte des
Notebooks wieder zugänglich gemacht worden und der
Generalbundesanwalt ist bereit, weitere Kopien herauszugeben. Ob auf
dem Notebook und dem Mobiltelefon Daten gespeichert sind, die im
Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, bedarf keiner
näheren Erörterung; denn dies könnte die
Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung nicht hindern.
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Die Beschwerde des Beschuldigten erweist sich daher als
unbegründet.
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Tolksdorf Miebach Becker |