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BGH, Beschluss vom 12. Juni 2002 - 1 StR 79/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 12.6.2002 - 1 StR 79/02
1 StR 79/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
12. Juni 2002
in der Strafsache gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juni 2002 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 6. November 2001 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in drei Fällen und wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
Die Überprüfung des Schuldspruchs läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen (§ 349 Abs. 2 StPO); jedoch kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
Nach den Feststellungen ist die Ehefrau des Angeklagten nach Bekanntwerden der Mißbrauchstaten mit ihrer Tochter aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen und hat Scheidungsantrag eingereicht. Der geständige Angeklagte, der sich die Taten selbst nicht erklären kann, strebt in der Strafhaft eine Therapie zur Behandlung seiner sexuellen Probleme an und will insbesondere seiner Stieftochter ein Schmerzensgeld von etwa 20.000 DM zukommen lassen. Seine Ehefrau "betreibt derzeit mit dem Angeklagten den Verkauf des gemeinsamen Hauses". Das Schmerzensgeld soll aus diesem Verkaufserlös gezahlt werden. Die Strafkammer hat dieses Bemühen im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten gewertet, ist aber auf die Vorschrift des § 46a StGB nicht eingegangen (UA S. 7, 8). Dies beanstandet die Revision mit Recht.
Nach § 46a Nr. 1 StGB genügt das ernsthafte Bemühen des Täters um Wiedergutmachung, wobei die Vorschrift als Rahmenbedingung fordert, daß das Bemühen darauf gerichtet sein muß, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, was das Gesetz mit dem Klammerzusatz "Täter-Opfer-Ausgleich" stichwortartig charakterisiert. Die Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht. § 46a Nr. 1 StGB verlangt allerdings keinen "Wiedergutmachungserfolg". Erforderlich ist, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat; ausreichend ist aber auch, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt (BGH NStZ 2002, 29; NJW 2001, 2557; NStZ 1995, 492, 493; st. Rspr.).
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausführt, lassen sich im Blick auf § 46a Nr. 1 StGB dem Urteil keine näheren Einzelheiten über den Umfang der Bemühungen des Angeklagten entnehmen, obwohl sich dazu Ausführungen hätten aufdrängen müssen. Daß das Landgericht das Bemühen als ernsthaft angesehen hat, ergibt sich schon aus dessen Berücksichtigung in der Strafzumessung. Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 46a StGB hätte die Strafkammer darlegen müssen, ob der Angeklagte - der nach den Urteilsgründen möglicherweise Miteigentümer des Hauses ist, ohne den der Verkauf nicht erfolgen kann - sein Bemühen aus der Haft heraus bereits dadurch unter Beweis gestellt hat, daß er gegenüber seiner Ehefrau - die mit der Geschädigten und ihrer älteren Tochter zusammenlebt - die notwendigen Erklärungen für den Verkauf abgegeben oder ihr die Einzelheiten der Verkaufsverhandlungen vollständig überlassen hat. Das Urteil enthält auch keine Ausführungen darüber, ob der Angeklagte - etwa in Form eines Anerkenntnisses oder einer unbedingten Anweisung - bereits die Vorkehrungen für die - von der Revision behauptete - Zahlung des Schmerzensgeldes getroffen hatte.
Dies läßt besorgen, daß das Landgericht zu hohe Anforderungen an die Milderungsmöglichkeit nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB gestellt hat, zumal auch Feststellungen dazu fehlen, wie sich die Geschädigte in der Hauptverhandlung zu den Bemühungen des Angeklagten geäußert hat.
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