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BGH, Beschluss vom 12. März 2002 - 3 StR 4/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 12.3.2002 - 3 StR 4/02
3 StR 4/02
StGB § 253 Abs. 1 nF
Dem Käufer von Rauschgift, der durch Betrug zu einer Geldzahlung veranlaßt wird, ohne das vereinbarte Rauschgift zu erhalten, kann gegen den Verkäufer ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB zustehen. Dieser kann, wenn er mit Nötigungsmitteln durchgesetzt wird, der Absicht unrechtmäßiger Bereicherung entgegenstehen.
BGH, Beschl. vom 12. März 2002 - - Landgericht Mönchengladbach
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
12. März 2002
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 12. März 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 6. Juli 2001 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuld- und Strafausspruch, soweit die Angeklagten S. und Y. wegen erpresserischen Menschenraubs und der Angeklagte R. wegen Beihilfe dazu verurteilt worden sind,
b) hinsichtlich der Angeklagten R. und Y. im jeweiligen Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
- den Angeklagten R. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten;
- den Angeklagten S. unter Freisprechung im übrigen wegen erpresserischen Menschenraubs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten;
- den Angeklagten Y. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie erpresserischen Menschenraubs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Das Landgericht geht von folgendem Sachverhalt aus:
Die Angeklagten R. und Y. vermittelten ein Geschäft über die Lieferung von 35 Kilogramm Haschisch durch den gesondert verfolgten A. an zwei Käufer, u.a. an einen nicht näher festgestellten "At. ". Gegen Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises von 87.000 DM lieferte A. nur vier Kilogramm Haschisch und hinsichtlich der Restmenge von 31 Kilogramm jedoch Schokolade statt Haschisch. "At. " machte R. und Y. für das fehlgeschlagene Rauschgiftgeschäft verantwortlich und bedrohte sie mit dem Tode, wenn sie nicht innerhalb von 48 Stunden das bezahlte Geld zurückbringen würden. Daraufhin fuhren die Angeklagten R. und Y. , die Angst um ihr Leben hatten, sowie der Angeklagte S. - ein Freund des Y. - mit einem Pkw an den Wohnort des A. , um diesen dort aufzuspüren und ihm die entrichtete Geldsumme - notfalls mit Gewalt - wieder abzunehmen. Nachdem es den drei Angeklagten nicht gelungen war, A. zu stellen, entführten Y. und S. die Zeugin C. - die Freundin des A. - aus deren Wohnung, indem sie diese mit einer ungeladenen Schreckschußpistole bedrohten. Die Zeugin C. wurde im Fond des Pkw zwischen dem Angeklagten R. , der die Rolle eines Wächters übernahm, und dem Angeklagten Y. bzw. später dem Angeklagten S. plaziert. In der Folgezeit fanden Telefonate über die Rückzahlung des Geldes statt. Bei einem Gespräch mit A. hielt der Angeklagte S. nach Aufforderung durch Y. die Pistole aus kurzer Entfernung auf die Zeugin, so daß diese A. unter Tränen bat, das Geld sofort herauszugeben. A. , der das Leben seiner Freundin als bedroht ansah, lenkte ein. An einem vereinbarten Treffpunkt wurde die Zeugin C. freigelassen, nachdem A. den Angeklagten eine Tüte mit 77.000 DM hatte übergeben lassen.
2. Soweit die Angeklagten R. und Y. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Einzelstrafen von zwei Jahren und fünf Monaten (R. ) bzw. drei Jahren (Y. ) verurteilt worden sind, hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Die Verurteilungen wegen erpresserischen Menschraubs bzw. Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub halten jedoch rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
a) Nach Ansicht des Landgericht entführten die Angeklagten S. und Y. die Zeugin C. , um die Sorge des A. um deren Wohl zu einer Erpressung auszunutzen (§§ 239 a Abs. 1, 253 Abs. 1 StGB). Es hat dies damit begründet, daß den Angeklagten keine eigenen Ansprüche auf Rückzahlung zugestanden hätten, da sie nicht am Betäubungsmittelgeschäft beteiligt (Angeklagter S. , UA S. 34) bzw. nicht Geldgeber für den Ankauf des Rauschgifts (Angeklagter Y. , UA S. 39 f.) gewesen seien. Ein Irrtum über die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung sei auszuschließen.
b) Damit ist die für den Tatbestand der Erpressung erforderliche Absicht der unrechtmäßigen Bereicherung jedenfalls hinsichtlich der zurückerhaltenen 77.000 DM nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Zwar standen den Angeklagten keine eigenen Ansprüche zu, aber das Urteil verhält sich weder zum Bestehen eines Rückforderungsanspruchs der betrogenen Rauschgiftkäufer, für die die Angeklagten handelten, noch zu den Vorstellungen der Angeklagten S. und Y. darüber. Die Rauschgiftkäufer waren berechtigt, von A. den Kaufpreisanteil für die an Stelle von Haschisch gelieferte Menge von 31 kg Schokolade gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB, dem § 817 BGB wegen seines Ausnahmecharakters nicht entgegensteht (vgl. BGH NJW 1992, 310; Palandt, BGB 61. Aufl. § 817 Rdn. 2), zurückzufordern. A. hat nach den getroffenen Feststellungen einen vollendeten Betrug begangen. Er täuschte dem Angeklagten Y. , der die Rauschgiftkäufer vertrat, bei Vertragsschluß die Lieferung von Haschisch vor, obwohl er - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt - bereits zu diesem Zeitpunkt überwiegend Schokolade liefern wollte; Y. übergab ihm in Erwartung der zugesagten Haschischlieferung 87.000 DM und traf damit eine Vermögensverfügung. Die Geldgeber, insbesondere "At. ", erlitten einen Vermögensschaden. Für den Tatbestand des Betrugs ist Identität zwischen Getäuschtem und Verfügendem, nicht aber zwischen Verfügendem und Geschädigtem erforderlich (vgl. BGHSt 18, 221, 223). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß auch derjenige an seinem Vermögen geschädigt wird, der eine Geldleistung im Rahmen eines verbotenen oder sittenwidrigen Geschäfts erbringt, ohne die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten. Betrug ist daher auch beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln möglich (vgl. BGH NStZ 2002, 33; BGH bei Holtz, MDR 1979, 806; BGH, Urt. v. 29. April 1980 - 1 StR 132/80; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 29). An der Absicht einer unrechtmäßigen Bereicherung würde es im übrigen auch dann fehlen, wenn sich die Angeklagten einen Rückforderungsanspruch lediglich vorgestellt und deshalb in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum über die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Bereicherung gehandelt hätten (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 6; BGH NStZ-RR 1999, 6; BGH, Beschl. vom 11. Juli 2000 - 4 StR 232/00).
Zwar haben sich nach den Feststellungen die Angeklagten S. und Y. wegen Geiselnahme gemäß § 239 b Abs. 1 StGB, der denselben Strafrahmen wie der erpresserische Menschenraub hat, sowie der Angeklagte R. wegen Beihilfe hierzu strafbar gemacht. Der Senat ist aber gehindert, die Schuldsprüche entsprechend zu ändern, weil sich die Angeklagten gegen den Vorwurf der Geiselnahme bisher nicht verteidigen konnten (§ 265 StPO).
4. Sollte auch das neue Tatgericht von einer gegenwärtigen Lebensgefahr ausgehen, liegt ein entschuldigender Notstand schon deshalb nicht vor, weil für die Angeklagten R. und Y. diese Gefahr anders als durch die Entführung und Bedrohung der am Rauschgiftgeschäft nicht beteiligten Zeugin C. abwendbar war (§ 35 Abs. 1 Satz 1 StGB). Insbesondere war es ihnen zuzumuten, polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. BGHR StGB § 35 Abs. 1 Gefahr, abwendbare 1). Im übrigen besteht Anlaß zu dem Hinweis, daß ein Gericht entlastende Angaben von Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine ausreichenden Beweise gibt, deshalb nicht ohne weiteres seinem Urteil als unwiderlegbar zugrunde legen muß; es muß sich vielmehr aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 6; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 28).
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