BGH,
Beschl. v. 12.3.2002 - StB 5/02
StB 5/02
StPO § 304 Abs. 5
Gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofes, mit dem ein Haftbefehl lediglich um einen weiteren
Haftgrund ergänzt wird, ohne daß dies unmittelbare
Auswirkungen auf den Bestand oder die Vollziehbarkeit des Haftbefehls
hat, ist die Beschwerde, die sich lediglich gegen die Annahme des
weiteren Haftgrunds wendet, unzulässig (Ergänzung von
BGHSt 34, 34).
BGH, Beschluß vom 12. März 2002 - StB 5/02 -
Ermittlungsrichter des BGH
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 BJs 16/00 - 1 (3)
StB 5/02
vom
12. März 2002
in dem Ermittlungsverfahren gegen
wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12.
März 2002 gemäß § 304 Abs. 5 StPO
beschlossen:
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 24. Januar 2002 wird
verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Der Beschuldigte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 30. November 2001 wegen
des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit seit dem
6. Dezember 2001 in Untersuchungshaft. Durch Beschluß vom 24.
Januar 2002 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes diesen
Haftbefehl, der allein auf den Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) gestützt war, um den Haftgrund der
Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) erweitert.
Allein gegen diesen Beschluß, nicht jedoch gegen den
Haftbefehl als solchen, wendet sich der Beschuldigte mit seiner
Beschwerde. Der Beschwerdeschriftsatz des Verteidigers nennt nur das
Aktenzeichen des zweiten Beschlusses; inhaltlich befaßt er
sich ausschließlich mit dem Vorgang, der zur Annahme des
weiteren Haftgrunds geführt hat. Das Rechtsmittel ist nicht
zulässig.
Gemäß § 304 Abs. 4 Satz 1 StPO ist gegen
Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes
eine Beschwerde grundsätzlich nicht statthaft. Gegen
Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes
ist nach § 304 Abs. 5 StPO jedoch ausnahmsweise die Beschwerde
zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung,
Beschlagnahme oder Durchsuchung betrifft.
In der Ergänzung eines Haftbefehls um einen weiteren Haftgrund
liegt keine Entscheidung, die im Sinne des § 304 Abs. 5 StPO
"die Verhaftung" betrifft. Der Bestand und die Vollziehbarkeit des
Haftbefehls werden von ihm nicht betroffen. Es geht vielmehr lediglich
darum, daß zu dem bestehenden Haftgrund ein weiterer, den
Haftbefehl zusätzlich tragender Haftgrund hinzutritt, ohne
daß dies unmittelbare Auswirkungen auf den Bestand oder die
Vollziehbarkeit des Haftbefehls hätte. Die Bedeutung, die der
Annahme eines zweiten Haftgrunds ggf. für die
Vollzugsgestaltung oder für die Aussichten auf Aufhebung bzw.
Außervollzugsetzung des Haftbefehls zukommt, betrifft nicht
den für die Ausnahmeregelung des § 304 Abs. 5 StPO
maßgeblichen Gesichtspunkt, nämlich die besondere
Beschwer, die in der Freiheitsentziehung als solcher liegt. Dies hat
der Senat für den Fall einer Beschwerde nach § 304
Abs. 4 Satz 2 StPO, mit der sich der Beschwerdeführer
lediglich gegen einen von mehreren angenommenen Haftgründen
wendet, entschieden (BGHSt 34, 34, 36). Er hat auch in dem parallel
gelagerten Fall der Erweiterung des Tatvorwurfs die Beschwerde
für unzulässig erachtet (BGHSt 37, 347). An diesen
Entscheidungen hält der Senat ungeachtet der Kritik in der
Literatur (Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. §
114 Rdn. 35; Baumann in FS für Pfeiffer S. 255, 258) fest.
Zweck der Einführung des § 304 Abs. 5 StPO durch das
Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 war es, zur Entlastung des
Staatsschutzsenats des Bundesgerichtshofes die Möglichkeit der
Anfechtung von Verfügungen des Ermittlungsrichters auf einen
engen Kreis von Maßnahmen zu begrenzen, die besonders
nachhaltig in die Rechtssphäre des jeweils Betroffenen
eingreifen (vgl. die Gesetzesbegründung BRDrucks. 420/77 S. 57
f.). Dies gilt unabhängig davon, ob sich der
Beschwerdeführer gegen einen von mehreren in einem Haftbefehl
angenommenen Haftgründen oder gegen einen gesonderten
Beschluß, in dem ein Haftgrund nachgeschoben worden ist,
wendet (noch offengelassen in BGHSt 34, 34, 35; aA OLG
Nürnberg MDR 1964, 943). Das Gewicht der Belastung des
Beschuldigten durch die Annahme eines zusätzlichen Haftgrunds
ist in beiden Fällen dasselbe.
Eine analoge Anwendung des § 304 Abs. 5 StPO kommt nicht in
Betracht. Bei dieser, den Grundsatz der Unanfechtbarkeit
durchbrechenden Bestimmung handelt es sich um eine die
Anfechtungsmöglichkeit abschließend regelnde
Ausnahmevorschrift, die restriktiv auszulegen und einer analogen
Anwendung nicht zugänglich ist. Sie kann daher nur auf solche
nicht ausdrücklich aufgezählten Verfügungen
des Ermittlungsrichters erstreckt werden, die nach Sinn und Zweck der
zugrunde liegenden gesetzgeberischen Konzeption der Anfechtung
offenstehen müssen (BGHSt 29, 13, 14; 36, 192, 195; 43, 262,
264; Beschl. vom 9. November 2001 - StB 16/01). Das ist bei der
Erweiterung eines Haftbefehls um einen weiteren Haftgrund aus den
genannten Erwägungen nicht der Fall.
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