BGH,
Beschl. v. 12.11.2008 - 2 StR 450/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 450/08
vom
12. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 12. November 2008
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Köln vom 8. Mai 2008 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in
Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von
vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich
die Revision mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist
es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine erhebliche
Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des §
21 StGB ausgeschlossen hat,
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begegnen rechtlichen Bedenken. Die Kammer führt aus, die dem
Angeklagten etwa 9,6 Stunden nach der Tat entnommene Blutprobe ergebe
bei Rückrechnung auf die Tatzeit unter
Berücksichtigung des vom Angeklagten angegebenen Nachtrunks
von „1 bzw. 2 Flaschen“ eine maximale
Blutalkoholkonzentration von 3,0 bzw. 2,74 Promille. Angesichts des
langen Rückrechnungszeitraums und der wenig präzisen
Angaben zur Verteilung des Alkoholkonsums im Zeitablauf sei diese
Berechnung jedoch ziemlich ungenau und wenig verlässlich.
Deshalb spreche unter Berücksichtigung der weiteren
Umstände "Vieles" für die Richtigkeit der
Blutalkoholkonzentrationsberechnung auf der Basis der
Trinkmengenangaben des Angeklagten. Wenn man die nach „zum
Teil wechselhaften Angaben“ des Angeklagten auf Nachfragen
des Gerichts und des rechtsmedizinischen Sachverständigen
„zuletzt als Maximalwert angegebenen 8 Flaschen Bier a 0,5
Liter“ zugrunde lege, ergebe sich eine maximale
Blutalkoholkonzentration von 2,04 Promille zur Tatzeit. Beziehe man
ergänzend die Begleitumstände der Tat, insbesondere
das Verhalten des Angeklagten in die Betrachtung ein, habe zur Tatzeit
eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit
wegen des Alkoholkonsums nicht vorgelegen.
2. Mit diesen Ausführungen verkennt das Landgericht die an
seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen. Zwar
ist im Ausgangspunkt die Annahme des Landgerichts zutreffend, dass
einem aus einer Blutprobe errechneten Wert, der unter
Berücksichtigung der dem Angeklagten günstigsten
Abbauwerte zustande gekommen ist, lediglich eine beschränkte
Aussagekraft zukommt (vgl. BGHSt 35, 308, 313 f.). Dies gilt
insbesondere bei einem wie hier über viele Stunden
zurückgerechneten Maximalwert (BGHSt 36, 286, 289). Mit
fortschreitender Rückrechnungszeit gewinnen die sonstigen
objektiven und subjektiven Umstände, die sich auf das
Erscheinungsbild und das Verhalten des Täters vor,
während und nach der Tat beziehen, an indizieller Bedeutung.
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Kommt der Tatrichter in einem solchen Fall zu der Überzeugung,
dass die übrigen Beweisanzeichen stärker zu bewerten
sind als der BAK-Höchstwert, ist er nicht gehindert, trotz
hoher errechneter Blutalkoholkonzentration die festgestellten
psychodiagnostischen Beweisanzeichen dahin zu würdigen, dass
eine erhebliche Beeinträchtigung der
Steuerungsfähigkeit nicht vorgelegen hat (vgl. BGHR StGB
§ 21 Blutalkoholkonzentration 37 - Entkräftung der
Indizwirkung (2,92 Promille); BGH NStZ 2002, 532; BGHSt 35, 308, 316;
36, 286, 289).
Dies setzt jedoch unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes
voraus, dass der Tatrichter den aus der Blutprobe errechneten maximalen
und damit für den Angeklagten günstigsten BAK-Wert
sicher für ausgeschlossen erachtet. Das ist nach den
Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht der Fall.
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Das Landgericht stellt der Rückrechnung aus der Blutprobe eine
Rückrechnung auf der Grundlage der vom Angeklagten zuletzt
angegebenen Trinkmengenangaben gegenüber und kommt unter
Bezugnahme auf Ausführungen des Sachverständigen zu
dem Schluss, die aus der Blutprobe vorgenommene Berechnung sei
„ziemlich ungenau und wenig verlässlich“
und es spreche „Vieles“ für die
Richtigkeit der BAK-Berechnung auf der Basis der angegebenen
Trinkmenge. Daraus ergibt sich, dass der auf den Trinkmengenangaben
beruhende Wert von 2,04 Promille im Vergleich zum für den
Angeklagten günstigeren aus der Blutprobe ermittelten Wert von
3,0 Promille lediglich eine höhere Wahrscheinlichkeit
für sich beanspruchen konnte, nicht aber, dass letzterer
sicher ausgeschlossen war. Damit fehlt es für die Bewertung
der Schuldfähigkeit des Angeklagten an einer
zuverlässigen Tatsachengrundlage.
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Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit
den zugehörigen Feststellungen und zur
Zurückverweisung der Sache. Mit Rücksicht
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darauf, dass die Strafkammer bei ihrer Beurteilung der
Steuerungsfähigkeit maßgeblich auf die vom
Angeklagten angegebenen - zudem nach den im Urteil dazu mitgeteilten
Umständen ihrerseits mit erheblichen Unsicherheiten behafteten
- Trinkmengen und die daraus errechnete Blutalkoholkonzentration
abgestellt hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass das
Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.
3. Der Senat weist darauf hin, dass die Feststellung des Landgerichts,
der Angeklagte habe „seine Einsicht in das Unrecht der Tat
… zudem durch den Abschluss eines Vergleiches in der
Hauptverhandlung über die Zahlung eines Schmerzensgeldbetrages
in Höhe von 13.000 Euro bestätigt“ dem
neuen Tatrichter Anlass zu der Prüfung geben könnte,
ob die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB erfüllt
sind.
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Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Cierniak Schmitt |