BGH,
Beschl. v. 12.9.2000 - 4 StR 358/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 358/00
vom
12. September 2000
in der Strafsache gegen
wegen Raubes mit Todesfolge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12.
September 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 16. Mai 2000 im Strafausspruch dahin geändert,
daß der Angeklagte unter Einbeziehung des Urteils des
Amtsgerichts Minden vom 27. August 1998 - 14 Ds 55 Js 994/98 - 191/98
Hw - zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt wird.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 24. Juni 1999
wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit
mit Aussetzung und mit gefährlicher Körperverletzung
unter Einbeziehung des auf sieben Monate Jugendstrafe lautenden Urteils
des Amtsgerichts Minden vom 27. August 1998 zu einer
Einheitsjugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Auf die Revision des
Angeklagten hob der Senat das Urteil durch Beschluß vom 9.
November 1999 - 4 StR 521/99 - (BA 2000, 185) im Strafausspruch mit den
Feststellungen auf und verwies die Sache insoweit an das Landgericht
zurück. Die neu zur Entscheidung berufene Jugendkammer hat den
Angeklagten nunmehr zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er
die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel
führt zu einer Änderung des Strafausspruchs; im
übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat die siebenmonatige Jugendstrafe aus dem Urteil
des Amtsgerichts Minden vom 27. August 1998 nicht einbezogen. Diese
Strafe hat der Angeklagte in Unterbrechung der Untersuchungshaft nach
Erlaß des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils in der
Zeit vom 30. März bis zum 27. Oktober 1999
vollständig verbüßt (UA 7). Das Landgericht
hat gemeint, eine Einbeziehung komme deswegen "nicht mehr in Betracht"
(UA 14/15). Das ist rechtsfehlerhaft. Lagen die Voraussetzungen
für die Bildung einer Einheitsjugendstrafe im Zeitpunkt des
auf die Revision des Angeklagten aufgehobenen Urteils vor, so ist
§ 31 Abs. 2 JGG auch dann anzuwenden, wenn die früher
verhängte Strafe inzwischen vollstreckt ist (BGHR JGG
§ 31 Abs. 2 Einbeziehung 6).
2. Unter den hier gegebenen Umständen nötigt dieser
Rechtsfehler nicht zur Aufhebung des Urteils und zur erneuten
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann
der Senat, auch um das im Jugendstrafverfahren in besonderem
Maße zu beachtende Beschleunigungsgebot zu wahren, die
Einbeziehung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO
ausnahmsweise selbst vornehmen. Daß die Jugendkammer
ungeachtet der Anwendbarkeit des § 31 Abs. 2 JGG von einer
Einbeziehung aus erzieherischen Gründen nach Abs. 3 Satz 1 der
Vorschrift abgesehen hätte (vgl. dazu BGH NStZ 2000, 263 mit
Anm. Eisenberg NStZ 2000, 484), kann mit Blick darauf ausgeschlossen
werden, daß sich die Jugendkammer ersichtlich nur aus
Rechtsgründen an einer Einbeziehung gehindert gesehen hat. Die
unterbliebene Einbeziehung holt der Senat deshalb nach. Damit hat es
bei der Höhe der festgesetzten Jugendstrafe sein Bewenden. Der
Angeklagte ist hierdurch unter keinen Umständen beschwert. Ihm
kommt nunmehr die volle Anrechnung der Dauer der vollstreckten Strafe
aus dem einbezogenen Urteil zugute. Daß das Landgericht bei
erneuter Einbeziehung auf eine niedrigere als die verhängte
Strafe erkannt hätte, ist auszuschließen.
3. Im übrigen weisen die Erwägungen zur
Strafzumessung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
Insbesondere kann die Revision nicht damit gehört werden, das
Landgericht habe bei der Strafzumessung der dem Angeklagten im
Gegensatz zu dem ersten in dieser Sache ergangenen Urteil zugebilligten
erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit (§ 21
StGB) "faktisch keine Bedeutung beigemessen" (RB S. 2). Die Revision
unternimmt hiermit nur den unzulässigen Versuch, der
tatrichterlichen Bewertung eine eigene Bewertung entgegenzusetzen.
Allerdings hat das Landgericht rechtsfehlerhaft der Berechnung der
Tatzeit-Alkoholisierung die Trinkmengenangaben des Angeklagten, wie sie
in dem vom Senat aufgehobenen Urteil (dort UA 24) festgehalten worden
sind, zugrundegelegt (UA 10). Dabei hat das Landgericht nicht beachtet,
daß sich die auf den seinerzeit angenommenen
Ausschluß einer erheblichen Verminderung der
Schuldfähigkeit des Angeklagten beziehenden Feststellungen die
Straffrage betreffen und deshalb durch die Revisionsentscheidung des
Senats vom 9. November 1999 mit aufgehoben sind (vgl. BGH NStZ-RR 1997,
237; Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdn. 30 m.w.N.). Das
Landgericht hätte mithin zu den Trinkmengen in
prozeßordnungsgemäßer Weise eigene
Feststellungen treffen müssen. Der Angeklagte ist hierdurch
jedoch nicht beschwert; denn im Hinblick auf den
rechtskräftigen Schuldspruch war die Annahme der
Voraussetzungen des § 20 StGB ausgeschlossen (vgl. BGHSt 44,
119). Von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit
nach § 21 StGB ist das Landgericht aber ausgegangen.
4. Der im Verhältnis zur Höhe der im angefochtenen
Urteil verhängten Jugendstrafe vergleichsweise
geringfügige Erfolg gibt dem Senat keinen Anlaß, den
Angeklagten aus Billigkeitsgründen teilweise von den Kosten
seines Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein
Athing Ernemann |