BGH,
Beschl. v. 12.9.2007 - 2 StR 187/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 187/07
vom
12. September 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführer am 12. September 2007
gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 354 a
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts
Erfurt vom 14. Juli 2006, soweit es ihn betrifft,
a) im Fall II. 3 im Schuldspruch dahin geändert, dass er der
Beihilfe zum versuchten Mord schuldig ist,
b) im Fall II. 3 im Strafausspruch sowie im Gesamtstrafenausspruch
aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das vorgenannte Urteil,
soweit es ihn betrifft, aufgehoben, soweit eine Entscheidung
über die Vollstreckungsreihenfolge gemäß
§ 67 Abs. 2 StGB n. F. unterblieben ist.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die
hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen schweren Raubes und wegen
Beihilfe zum Mord unter Einbeziehung einer Strafe aus einer
früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht
Jahren verurteilt. Den Angeklagten H. hat es der schweren
räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung und mit
Freiheitsberaubung sowie der Beihilfe zum Mord für schuldig
befunden und ihn unter Einbeziehung mehrerer Strafen aus verschiedenen
Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren
verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten H. in einer
Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen dieses Urteil wenden sich die
Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung
formellen und materiellen Rechts rügen. Der Angeklagte G. hat
- soweit es seine Verurteilung wegen schweren Raubes anbelangt - sein
Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt.
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I. Revision des Angeklagten G.
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1. Soweit der Angeklagte im Fall II. 3 der Urteilsgründe wegen
Beihilfe zum (vollendeten) Mord verurteilt worden ist, hält
das Urteil sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
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Nach den Feststellungen forderte der Angeklagte G. den Mitangeklagten
J. auf, "dieser solle dem Geschädigten das Genick brechen,
aber schnell und leise, um die Sache zu Ende zu bringen". Zum Zeitpunkt
dieser Aufforderung hatte der Mitangeklagte J. dem Opfer aber schon die
Verletzungen zugefügt, die zu dessen späteren Tod
führten. Durch das auf die Aufforderung des Angeklagten G.
zurückgehende "in den Schwitzkastennehmen und Halsumdrehen"
hat der Geschädigte zwar zusätzlich ein HWS-Syndrom
erlitten;
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dieses war aber weder todesursächlich noch hat es den
Todeseintritt in irgendeiner Weise begünstigt oder
beschleunigt.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann, worauf die Revision zu
Recht hinweist, die vollendete Tötung des
Geschädigten dem Angeklagten G. nicht zugerechnet werden.
Vielmehr war dieser - da er annahm, er könne die
Tötung des Opfers noch fördern - nur wegen Beihilfe
zum versuchten Mord zu verurteilen.
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Der Senat kann in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1
StPO den Schuldspruch selbst ändern. § 265 StPO steht
dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich insoweit nicht anders
hätte verteidigen können.
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2. Die Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 3 der
Urteilsgründe führt zur Aufhebung der für
diese Tat verhängten Einsatzstrafe. Der Senat kann nicht
sicher ausschließen, dass die Kammer - gegebenenfalls unter
weiterer Verschiebung des Strafrahmens gemäß
§ 23 Abs. 2 StGB - bei richtiger rechtlicher Beurteilung
insoweit eine niedrigere Strafe verhängt hätte. Die
Aufhebung der Einzelstrafe führt auch zur Aufhebung des
Gesamtstrafenausspruchs. Die bisherigen rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen bleiben aufrechterhalten, ergänzende, dazu
nicht in Widerspruch tretende Feststellungen sind möglich.
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3. Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO. Was die Rüge einer Verletzung
der §§ 338 Nr. 5, 247 Satz 1, 230 Abs. 1 StPO
anbelangt, verweist der Senat ergänzend zu den insoweit
zutreffenden Darlegungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
und auf seine nachfolgenden Ausführungen zu der Revision des
Angeklagten H. .
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II. Revision des Angeklagten H.
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1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs.
2 StPO). Nähere Ausführungen sind lediglich zu dem
behaupteten Verstoß gegen §§ 338 Nr. 5, 247
Satz 1, 230 Abs. 1 StPO veranlasst.
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a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
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Am 16. Hauptverhandlungstag wurde der Zeuge He. zu Geschehnissen
vernommen, die nicht die angeklagte Tat, sondern einen Vorfall
betrafen, der sich 10 Tage zuvor ereignet hatte. Damals war der Zeuge
He. u. a. von dem Angeklagten H. , der nach den Urteilsfeststellungen
Spaß am Quälen von Menschen hat, über
Stunden grausam gefoltert und gedemütigt worden. Der Zeuge He.
war nicht bereit, in Anwesenheit des Angeklagten H. und zweier weiterer
Angeklagten wahrheitsgemäße Angaben zur Sache zu
machen, weil er Angst vor diesen hatte und weil sowohl er als auch
seine Familie von diesen bedroht worden waren, weshalb er auch seinen
Wohnort gewechselt hatte.
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Vor diesem Hintergrund wurden die drei Angeklagten während der
Vernehmung des Zeugen He. von der Teilnahme an der Hauptverhandlung
ausgeschlossen. Im Rahmen der Vernehmung wurden mit
Einverständnis des Zeugen auch dessen als Folge der
Folterungen vernarbten Unterarme in Augenschein genommen. Der
Augenschein wurde nach Wiederzulassung der Angeklagten nicht
wiederholt. Die Kammer hat dem Vorfall mit dem Zeugen He. im Folgenden
indizielle Bedeutung beigemessen, insbesondere was die
Anführerrolle des Angeklagten H. anbelangt.
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b) Der von der Revision behauptete absolute Revisionsgrund des
§ 338 Nr. 5 i.V.m. §§ 247 Satz 1, 230 Abs. 1
StPO liegt nicht vor.
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Zwar sind, worauf die Revision zutreffend hinweist, während
der Abwesenheit des Angeklagten andere Beweisvorgänge, wie z.
B. eine Augenscheinseinnahme, untersagt (BGH NStZ 1986, 564; 2001, 262;
NJW 2003, 597). Sie müssen daher, wenn sie trotzdem
stattgefunden haben, nach Wiedereintritt des Angeklagten wiederholt
werden. Ausnahmsweise erstreckt sich eine Ausschließung des
Angeklagten gemäß § 247 Satz 1 StPO jedoch
neben der Vernehmung eines Zeugen auch auf eine Augenscheinseinnahme
und zwar dann, wenn - wie hier - die Augenscheinseinnahme am
Körper des zu vernehmenden Zeugen erfolgt, mit dessen Aussage
in untrennbaren Zusammenhang steht und deshalb vom
Ausschließungsgrund mitumfasst ist (vgl. Gollwitzer in
Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 247 Rdn. 19 FN 47;
Hanack JR 1989, 255, 257).
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Hier war der Angeklagte - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend
hinweist - nur in Abwesenheit der ihn bedrohenden Angeklagten bereit,
sich als Beweismittel für ein nicht angeklagtes Geschehen zur
Verfügung zu stellen. § 247 StPO lässt im
Interesse der Sachaufklärung und des Zeugenschutzes Ausnahmen
von der Anwesenheitspflicht des Angeklagten zu (Meyer-Goßner,
StPO 50. Aufl. § 247 Rdn. Nr. 1).
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aa) Es liegt auf der Hand, dass der Zeuge von vornherein keine
wahrheitsgemäße, den Angeklagten belastende Aussage
gemacht hätte, wenn er damit hätte rechnen
müssen, nach Beendigung seiner Vernehmung - dann wieder in
Anwesenheit des Angeklagten - zum Gegenstand eines Augenscheins gemacht
zu werden. Das Vorzeigen von Spuren am Körper des vom
Angeklagten misshandelten Zeugen besitzt nämlich den gleichen
Erklärungswert wie ei-
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ne belastende Aussage. Zudem wäre der Zeuge bei der
Durchführung des Augenscheins noch sehr viel intensiver der
Begegnung mit dem Angeklagten ausgesetzt als bei seiner Vernehmung.
Denn auch dem Angeklagten stünde als Prozessbeteiligtem das
Recht zu, den Augenschein selbst vorzunehmen und sich zu diesem Zweck
dem Zeugen unmittelbar zu nähern. Eine derartige Konfrontation
mit dem gemäß § 247 Satz 4 StPO
über den Inhalt der Aussage informierten Angeklagten wirkt
aber auf einen Zeugen nicht weniger einschüchternd als der
Druck, eine belastende Aussage in dessen Gegenwart zu leisten. Die
Gefahr, dass der Zeuge schon im Hinblick auf diese von ihm als
äußerst bedrohlich empfundene Situation keine
wahrheitsgemäße Aussage macht, ist deshalb nicht
geringer als bei Vernehmung im Beisein des Angeklagten. Der Ausschluss
des Angeklagten nur während der Vernehmung würde
daran nichts ändern.
Hier war das Gericht auch nicht gehalten, auf ein weniger sachnahes
Beweismittel wie z. B. einen Augenscheinsgehilfen auszuweichen, der
später - in Anwesenheit des Angeklagten - als Zeuge oder
Sachverständiger hätte vernommen werden
können. Die Augenscheinseinnahme am Körper des Zeugen
erfolgte nämlich im Rahmen seiner Vernehmung dergestalt, dass
sie als deren notwendiger Bestandteil anzusehen ist und deshalb zur
Sachaufklärung geboten war. So erklärte der Zeuge He.
- wie von der Revision G. vorgetragen (RB 8) - den Prozessbeteiligten
die in Augenschein genommenen Narben, was einem Augenscheinsgehilfen in
dieser Form nicht möglich gewesen wäre.
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bb) Damit kann letztlich dahinstehen, ob - wofür einiges
spricht - der Ausschluss des Angeklagten während des
Augenscheins an dem Zeugen auch aus Gründen des Opferschutzes,
wie er in § 247 Satz 2 StPO zum Ausdruck kommt, geboten war
(vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 11 sowie BGH NJW 1985,
1478; Diemer in KK 5. Aufl. § 247 Rdn. 8; Pfeiffer, StPO 4.
Aufl.
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§ 247 Rdn. 5). Immerhin liegt es auf der Hand, dass eine zu
besorgende gesundheitliche Gefährdung des Folteropfers, die
die Abwesenheit des Angeklagten bei der Vernehmung bedingen
würde, auch dessen Ausschluss bei der sich
anschließenden Augenscheinseinnahme seines Opfers zur Folge
haben muss. Anderenfalls würde der Zweck der
Maßnahme vereitelt.
2. Auch der Maßregelausspruch hält der rechtlichen
Nachprüfung stand. Gleichwohl ist die Sache an das Landgericht
zurückzuverweisen, weil nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB
i.d.F. des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.
Juli 2007 (BGBl I 1327) das Gericht bei der Anordnung der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von
über drei Jahren bestimmen soll, dass ein Teil der Strafe vor
der Maßregel zu vollziehen ist.
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Eine solche Entscheidung über eine Änderung der
gesetzlichen Vollstreckungsreihenfolge war für die Strafkammer
noch nicht veranlasst. Der Senat hat jedoch gemäß
§ 354 a StPO, § 2 Abs. 6 StGB die neue Regelung
seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Dies führt zur
teilweisen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das
Landgericht, das nunmehr Gelegenheit haben wird, unter Zuziehung eines
Sachverständigen (vgl. BGH, Beschluss
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vom 24. Juli 2007 - 3 StR 231/07) eine ausdrückliche
Entscheidung zur Vollstreckungsreihenfolge zu treffen. Der Angeklagte
ist durch eine solche nachträgliche Entscheidung unter keinen
Umständen beschwert (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2007 -
4 StR 283/07).
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