BGH,
Beschl. v. 13.4.2010 - 3 StR 24/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 24/10
vom
13. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 13. April
2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 26. Juni 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 19
Fällen, versuchten Betrugs, Beihilfe zum Betrug in drei
Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit Beihilfe zur
Urkundenfälschung, Urkundenfälschung in fünf
Fällen und Beihilfe zur Urkundenfälschung zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Ferner hat es ein Notebook des Angeklagten eingezogen. Mit der
hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die
Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das
Rechtsmittel hat mit der Rüge vorschriftswidriger Abwesenheit
eines notwendigen Verteidigers in der Hauptverhandlung Erfolg; auf die
Sachrüge und auf die weiteren Verfahrensrügen kommt
es daher nicht an.
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I.
Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, dass ein
wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit eines notwendigen
Verteidigers stattgefunden hat (§ 338 Nr. 5 StPO).
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1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
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Am 10. Oktober 2008 bestellte der Vorsitzende der Strafkammer die
Rechtsanwälte A. und S. zu Verteidigern des Angeklagten. In
der nachfolgenden Hauptverhandlung gegen den Angeklagten und den
Mitangeklagten Ar. bestimmte das Landgericht für die
Schlussvorträge der Verteidiger Fortsetzungstermin auf den 9.
Juni 2009. In diesem Termin blieb sowohl Rechtsanwalt A. als auch
Rechtsanwalt S. aus. Stattdessen erschien Rechtsanwalt Sch. und
erklärte, er komme als "Vertreter" für den erkrankten
Rechtsanwalt A. , könne aber nicht als Verteidiger des
Angeklagten auftreten, da er mit dem Verfahrensstoff nicht vertraut
sei. Auf Anregung des Verteidigers des Mitangeklagten beschloss das
Landgericht hierauf die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten
und bestimmte insoweit Fortsetzungstermin auf den 22. Juni 2009. Der
Hauptverhandlung gegen den Mitangeklagten gab es sodann mit dem
Schlussvortrag des Verteidigers und der Verkündung des Urteils
Fortgang.
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2. Die Rüge hat Erfolg, denn während der Verhandlung
und Entscheidung über die Verfahrenstrennung war entgegen
§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO kein Verteidiger des Angeklagten
anwesend.
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a) Rechtsanwalt Sch. war nicht der Verteidiger des Angeklagten. Zum
allgemeinen Vertreter von Rechtsanwalt A. war er weder amtlich
(§ 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO) noch - wie sich aus der eingeholten
Erklärung von Rechtsanwalt A. zur Überzeugung des
Senats ergibt - durch diesen selbst bestellt (§ 53 Abs. 2 Satz
1 oder 2 BRAO). Eine "Untervollmacht" für die Verteidigung des
Angeklagten konnte Rechtsanwalt A. nicht erteilen, denn die Bestellung
zum Verteidiger blieb auf seine Person beschränkt
(Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 142 Rdn. 15). Da
Rechtsanwalt Sch. nach dem unwidersprochen gebliebenen
Revisionsvorbringen die Übernahme der Verteidigung abgelehnt
hat, konnte der Angeklagte ihn auch nicht ausdrücklich oder
stillschweigend zum Verteidiger wählen (Meyer-Goßner
aaO vor § 137 Rdn. 4).
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b) Allerdings liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr.
5 StPO nur vor, wenn die Person, deren Anwesenheit das Gesetz
vorschreibt, während eines wesentlichen Teils der
Hauptverhandlung abwesend war. Bei der Verhandlung und Entscheidung
über die Verfahrenstrennung war dies indes der Fall, denn es
ist nicht bereits denkgesetzlich ausgeschlossen, dass das Urteil gegen
den Angeklagten auf der Abwesenheit eines Verteidigers während
dieses Verfahrensabschnitts beruht (vgl. Meyer-Goßner aaO
§ 338 Rdn. 36; BGH NStZ 2006, 713).
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aa) Werden Strafsachen gegen mehrere Angeklagte, die wegen eines
sachlichen Zusammenhangs miteinander verbunden waren
(§§ 2, 3 StPO), wieder getrennt, so führt
dies zu einer grundlegenden Veränderung des prozessualen
Verhältnisses der Angeklagten zueinander. Die Trennung kann
den weiteren Gang der Untersuchung beeinflussen und die Verteidigung
beschränken, denn ihre Wirkung erschöpft sich nicht
allein darin, dass ein bisheriger Mitangeklagter die
verfahrensrechtliche Stellung eines Zeugen erhält. Sie kann
auch die
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Möglichkeiten des Gerichts und des Angeklagten
beeinträchtigen, sich mit Abweichungen oder
Übereinstimmungen in den wechselseitigen Einlassungen
unmittelbar auseinanderzusetzen. Dem entspricht es, dass eine
Verfahrenstrennung im Einzelfall die Aufklärungspflicht nach
§ 244 Abs. 2 StPO verletzen kann (Meyer-Goßner aaO
§ 2 Rdn. 14). Aus demselben Grund sind auch der Schlussvortrag
des Verteidigers eines Mitangeklagten und dessen letztes Wort
grundsätzlich wesentliche Teile der Hauptverhandlung (vgl.
BGHSt 32, 270; BGH NStZ 1983, 34). Der denkbare Ausnahmefall, dass es
an jeglichem Bezug der den Mitangeklagten (noch) angelasteten Taten
zueinander fehlt, liegt hier nicht vor, denn dem Mitangeklagten lagen
vier Fälle der Urkundenfälschung zur Last, zu denen
dem Angeklagten Anstiftung vorgeworfen wurde (vgl. Taten 9, 13 und 14
der Urteilsgründe).
Die Verfahrenstrennung steht nach § 4 Abs. 1 StPO im Ermessen
des Gerichts. Damit bleibt die Möglichkeit, dass der
Angeklagte, wäre er verteidigt gewesen, der Verfahrenstrennung
widersprochen und das Landgericht zu einer anderen Entscheidung bewogen
hätte.
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bb) Dass das Landgericht die Trennung auch außerhalb der
Hauptverhandlung hätte beschließen können,
führt zu keinem anderen Ergebnis, denn darin läge
eine andere Gestaltung des Verfahrens mit eigenständigen
prozessualen Regelungen zur Wahrung der Rechte der Verteidigung. So
wäre eine dem Angeklagten gegen die Trennung abweichend von
§ 305 StPO eröffnete Beschwerde
(Meyer-Goßner aaO Rdn. 13) nicht durch den unmittelbaren
Fortgang der Hauptverhandlung gegen den Mitangeklagten gegenstandslos
geworden. Hier hat das Landgericht den Weg der Entscheidung in der
Hauptverhandlung gewählt; das Verfahren muss sich deshalb an
den dafür geltenden Vorschriften messen lassen. Zwar ist in
der Rechtsprechung des Bundesgerichts-
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hofs anerkannt, dass die Nichtbeachtung der Vorschriften über
die Öffentlichkeit bei Verfahrensvorgängen, die auch
außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden können,
nicht zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO
führt. Solche Vorgänge sind jedoch vom Schutzbereich
des Öffentlichkeitsgrundsatzes von vornherein nicht erfasst,
so dass es bereits an einer Rechtsverletzung fehlt (BGH NStZ 2002, 106,
107; NJW 2003, 2761; 2004, 865, 867). Für den hier in Frage
stehenden Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO lassen sich
daraus keine Schlüsse ziehen, denn das Recht des Angeklagten
auf wirksame Verteidigung besteht auch bei einer Entscheidung
außerhalb der Hauptverhandlung fort.
II.
Für die neue Hauptverhandlung geben die Urteilsgründe
Anlass zu folgenden Hinweisen:
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1. Geht der Haupttäter einen Vertrag ein und erfüllt
er damit den Tatbestand des Betruges, so genügt die
Anwesenheit an seiner Seite bei Vertragsschluss für sich
allein noch nicht den Anforderungen, die nach § 27 Abs. 1 StGB
an eine Beihilfe zu stellen sind. Soweit keine Garantenpflicht besteht,
setzt auch die psychische Beihilfe ein aktives Handeln voraus; es muss
den Haupttäter im Tatplan, im Tatentschluss oder im
Tatausführungswillen bestärken und so dessen
tatbestandsmäßiges Handeln erleichtern oder
fördern (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 27 Rdn. 11,
14). Dies bedarf der konkreten Feststellung.
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2. Erbringt ein Mittäter seinen mehrere Einzeldelikte
umfassenden Tatbeitrag bereits im Vorfeld, so werden ihm die
Einzeltaten eines anderen Mittäters als in gleichartiger
Tateinheit begangen zugerechnet (Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m.
w. N.). Soweit der neue Tatrichter wiederum zu dem Ergebnis ge-
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langt, der Angeklagte habe auf sein Betreiben bestellte
GmbH-Geschäftsführer jeweils zum Abschluss einer
Mehrzahl betrügerischer Finanzierungsverträge
veranlasst, wird deshalb zu prüfen sein, ob dies durch eine
Handlung im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB geschah.
Becker von Lienen Sost-Scheible
RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Mayer
im Urlaub und ist daher gehindert
zu unterschreiben.
Becker |