BGH,
Beschl. v. 13.8.2002 - 3 StR 204/02
3 StR 204/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
13. August 2002
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 13. August 2002 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Flensburg vom 15. Januar 2002
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte im Fall II. A. der Urteilsgründe wegen Totschlags
in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung mit
Todesfolge verurteilt wird,
b) im Schuldspruch dahingehend klargestellt, daß der
Angeklagte des Totschlags in Tateinheit mit versuchter
räuberischer Erpressung mit Todesfolge und der schweren
räuberischen Erpressung schuldig ist;
c) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa) im Ausspruch über die im Fall II. A. der
Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen,
bb) im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen schwerer
räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in
einem Fall als Versuch begangen, zur Gesamtfreiheitsstrafe von 15
Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf
die Sachrüge gestützten Revision, die er im Fall II.
B. der Urteilsgründe wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkt hat. Das Rechtsmittel hat in dem aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen
ist es aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO. Insbesondere weist die Beweiswürdigung zum Fall
II. A. der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler auf.
1. Zu diesem Fall hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte bedrohte den Uhrmachermeister J. R. in dessen Uhren- und
Schmuckgeschäft mit einer Selbstladepistole und verlangte die
Herausgabe von Geld oder Wertgegenständen. Als der
Geschäftsinhaber dies lautstark verweigerte, geriet der
Angeklagte in Wut und Panik, weil sein Vorhaben gescheitert war. Er
schoß deshalb mehrmals in Tötungsabsicht auf R. ,
der an den Folgen eines Nahschusses in das Genick verstarb. Ohne
Mitnahme von Beute verließ der Angeklagte fluchtartig das
Geschäft.
Diesen Sachverhalt hat die Strafkammer als versuchte schwere
räuberische Erpressung in Tatmehrheit mit Totschlag bewertet.
2. Dieser Schuldspruch hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand. Wie der Generalbundesanwalt
in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, hat sich
der Angeklagte wegen versuchter räuberischer Erpressung mit
Todesfolge in Tateinheit mit Totschlag strafbar gemacht.
Wer beim Versuch einer räuberischen Erpressung mindestens
leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht, ist wegen versuchter
räuberischer Erpressung mit Todesfolge (§§
22, 23 Abs. 1, 255, 251 StGB) zu bestrafen. Dies gilt auch dann, wenn
der Täter - wie hier - den Tod vorsätzlich
herbeigeführt hat (vgl. BGHSt 39, 100). Der Tatbestand des
§ 251 StGB setzt dabei nicht voraus, daß der Tod
unmittelbar durch die Nötigungshandlung verursacht wird.
Vielmehr ist es ausreichend, wenn die den Tod des Opfers
herbeiführende Handlung derart eng mit dem Tatgeschehen
verbunden ist, daß sich in der Todesfolge die der Tat
eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht
(vgl. BGH NStZ 1998, 511). Dies war bei der vorsätzlichen
Tötung des Uhrmachermeisters R. durch den Angeklagten der
Fall, da bei einer räuberischen Erpressung unter Verwendung
einer Schußwaffe die Gefahr der Eskalation durch Gebrauch der
Waffe besteht, wenn das Opfer die Forderungen des Täters nicht
erfüllt.
Die Delikte der versuchten räuberischen Erpressung mit
Todesfolge und des Totschlags stehen im Verhältnis der
Tateinheit (BGHSt 39, 100, 108 f.). § 265 StPO steht der
Änderung des Schuldspruches nicht entgegen, da sich der
Angeklagte gegen den Vorwurf der versuchten räuberischen
Erpressung mit Todesfolge nicht anders als geschehen hätte
verteidigen können.
3. Der Angeklagte ist vom Versuch der räuberischen Erpressung
mit Todesfolge nicht mit strafbefreiender Wirkung
zurückgetreten.
Zwar hat das Landgericht das Problem eines möglichen
Rücktritts vom Versuch nicht ausdrücklich
erörtert. Dies stellt aber unter den gegebenen
Umständen des Falles keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar.
Da nach den getroffenen Feststellungen das Vorhaben des Angeklagten,
sich mittels einer Straftat Geld zu verschaffen, wegen des unerwarteten
Widerstands des Tatopfers gescheitert war (UA S. 5), ging die
Strafkammer erkennbar von einem fehlgeschlagenen Versuch aus, bei dem
ein strafbefreiender Rücktritt ausscheidet (vgl. BGHSt 34, 53,
56; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 1;
Freiwilligkeit 22). Der in der Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs
liegende Schluß des Tatrichters, der Angeklagte habe die
räuberische Erpressung als nicht mehr durchführbar
und deshalb als endgültig gescheitert angesehen, beruht auf
einer ausreichenden Tatsachengrundlage, die sich aus dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt.
4. Wegen der Änderung des Schuldspruchs im Fall II. A. der
Urteilsgründe waren die insoweit ausgesprochenen zwei
Einzelstrafen von vier und zehn Jahren mit den zugehörigen
Feststellungen aufzuheben. Dies bedingt auch die Aufhebung des
Gesamtstrafenausspruchs. Dagegen bleibt die im Fall II. B.
verhängte Freiheitsstrafe von sieben Jahren bestehen. Der
Senat schließt aus, daß sich die aufgehobenen
Einzelstrafen auf diese Strafe ausgewirkt haben.
Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, das Vorliegen erheblich
verminderter Schuldfähigkeit bei der Tötungshandlung
neu zu prüfen. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich schon
nicht, ob das Landgericht wegen der "Wut des Angeklagten, die sich in
einem impulsiven und aggressiven Übermaßverhalten
entladen habe" (UA S. 22), von einer tiefgreifenden
Bewußtseinsstörung oder einer schweren anderen
seelischen Abartigkeit ausgegangen ist. Außerdem stellt es
nicht ausreichend dar, daß die diagnostizierte dissoziale und
impulsive Persönlichkeitsstörung das Gewicht einer
schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht. Dies ist nur dann der
Fall, wenn die Persönlichkeitsstörung solche Symptome
aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten
vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören,
belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störung, was
aufgrund einer Ganzheitsbetrachtung von Täter und Tat zu
prüfen ist (BGHSt 37, 397, 401 f.; BGHR StGB § 21
Seelische Abartigkeit 31). Weiterhin wird die Möglichkeit
einer Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des
Amtsgerichtes Flensburg vom 15. Januar 2001 - 111 Js 16963/00 V 22 -
ausdrücklich zu erörtern sein.
Winkler Miebach von Lienen
RiBGH Becker ist durch Urlaub an der Unterschriftsleistung gehindert
Miebach Hubert
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