BGH,
Beschl. v. 13.8.2002 - 4 StR 208/02
4 StR 208/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
13. August 2002
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 13.
August 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Detmold vom 11. Februar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II 2.1 bis 2.5 der Urteilsgründe (=
Fälle 1 bis 4 und 11 der Anklage),
b) in dem den Angeklagten S. betreffenden Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die beiden Angeklagten - unter Freisprechung im
übrigen - des schweren Bandendiebstahls in fünf
Fällen (Fälle II 2.1 bis 2.5 der
Urteilsgründe), den Angeklagten S. darüber hinaus des
Diebstahls in 16 Fällen schuldig gesprochen und gegen den
Angeklagten S. eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren sowie gegen
den Angeklagten K. eine solche von drei Jahren und drei Monaten
verhängt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren
Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts
rügen. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat in vollem
Umfang, das des Angeklagten S. hat insoweit Erfolg, als er wegen
schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist; im übrigen
ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen zu den Fällen II 2.1 bis 2.5 der
Urteilsgründe waren die beiden Angeklagten Mitglieder einer
straff organisierten und hierarchisch strukturierten
größeren Bande, die Pkws der Ober- und der gehobenen
Mittelklasse entwendete und diese anschließend in
Rußland und anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen
Sowjetunion gewinnbringend verkaufte. Der "Kopf" der Bande ("Igor")
organisierte und koordinierte von Danzig und St. Petersburg aus die
Tätigkeiten der Bandenmitglieder. Bei den einzelnen Taten
wirkten stets mehrere, zum Teil "hoch spezialisierte" Mitglieder der
Bande arbeitsteilig zusammen. Einige von ihnen befaßten sich
ausschließlich damit, in Rußland
"Fahrzeugbestellungen" entgegenzunehmen und diese weiterzuleiten.
Andere beschafften Originalkraftfahrzeugpapiere, die zu den
gewünschten Fahrzeugen paßten, indem sie
Unfallfahrzeuge preisgünstig ankauften. Die so erlangten
Kraftfahrzeugpapiere wurden anschließend für die
"Ausfuhr" der gestohlenen Kraftfahrzeuge verwendet. Die Fahrzeuge, die
den Kundenwünschen entsprachen, wurden in Deutschland
ausfindig gemacht und von darauf spezialisierten Bandenmitgliedern
entwendet. Die Arbeit dieser "Erlangungstäter", die von
anderen Bandenmitgliedern in Deutschland logistisch
unterstützt wurden und die immer mindestens zu zweit
handelten, endete regelmäßig damit, daß
die gestohlenen Pkws von ihnen in eigens dafür angemieteten -
nicht einsehbaren - Hallen oder Scheunen abgestellt wurden. Dort wurden
die Fahrzeuge von hierauf spezialisierten Bandenmitgliedern dahingehend
"behandelt", daß Aufbruchspuren beseitigt, Tür- und
Zündschlösser sowie Bauteile der Wegfahrsperren
ausgetauscht und die Fahrzeuge mit Kraftfahrzeugkennzeichen,
Fahrzeugidentitäts- und Motornummern versehen wurden, die zu
den für die "Ausfuhr" beschafften Kraftfahrzeugpapieren
paßten. Die so "aufbereiteten" Fahrzeuge wurden
anschließend von Kurieren zur "Verwertung" nach
Rußland verbracht.
Im Rahmen dieser Bandenstruktur war der Angeklagte S. , der seit dem
Herbst 2000 Mitglied der Bande war, für die Bande als
"Verbindungsmann" tätig. Seine Aufgabe war es, "die
Spezialisten, die die entwendeten Fahrzeuge
´aufbereiteten´, zu den Hallen oder Scheunen zu
bringen, in denen diese Fahrzeuge quasi zwischengelagert waren, diese
Spezialisten logistisch zu unterstützen und zu
überprüfen, ob die von ihnen montierten
Kraftfahrzeugkennzeichen und die von ihnen verfälschten
Fahrzeugidentitäts- und Motornummern mit den Angaben in den
für die ´Ausfuhr´ beschafften
Kraftfahrzeugpapieren übereinstimmten". Außerdem
hatte er dafür Sorge zu tragen, daß die
"aufbereiteten" Fahrzeuge an die Kuriere übergeben wurden.
Für jedes von ihm "betreute" Fahrzeug sollte er 1.000 DM und
Spesen erhalten (UA 13 f.).
Die Aufgabe des Angeklagten K. , der seit Anfang 2001 Mitglied der
Bande war, war es, gestohlene Pkws "aufzubereiten". Für jedes
dieser Fahrzeuge sollten ihm 300 US-Dollar zukommen.
Zu den einzelnen Taten hat die Strafkammer festgestellt:
Fall 2.1 der Urteilsgründe:
Am 4. Juni 2001 entwendeten die gesondert verfolgten Bandenmitglieder
M. und Mo. "im Beisein" des Angeklagten S. nach dem Aufhebeln eines am
Fahrzeug befindlichen "Schlüsseltresors" einen Pkw Opel Astra
und verbrachten diesen in eine zuvor angemietete Scheune. Einige Tage
später setzte der Angeklagte S. den Mitangeklagten K. an der
Scheune ab, der das Fahrzeug durch Verfälschen der
Fahrzeugidentitätsnummer "aufbereitete". Der Pkw wurde, wie
die Angeklagten wußten, anschließend für
Zwecke der Bande in Deutschland benutzt.
Fälle 2.2 bis 2.5 der Urteilsgründe:
In der Zeit zwischen dem 25. Juli und dem 2. August 2001 entwendeten M.
und Mo. nach dem Überwinden von Diebstahlsicherungen vier
Pkws, die sie in derselben Scheune abstellten. Am 3. August 2001 reiste
der Angeklagte K. mit einem gefälschten Paß von
Polen nach Deutschland ein, wo er im Auftrag des "Igor" vom Angeklagten
S. nach dem Kauf von Werkzeugen zum Verfälschen der
Fahrzeugidentitätsnummern zu der Scheune geführt
wurde, um die vier gestohlenen Fahrzeuge "aufzubereiten". Bei ihrer
Ankunft an der Scheune wurden die beiden Angeklagten festgenommen.
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Im Fall II 2.1 (= Fall 11 der Anklage) kann die Verurteilung schon
deswegen nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die Angeklagten
hier sowohl verurteilt als auch aus tatsächlichen
Gründen - weil die Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen
Sicherheit ergeben habe, daß die Angeklagten an dieser Tat
mitwirkten - freigesprochen hat (UA 19, 20). Da die Strafkammer die
Angeklagten ausdrücklich wegen neun der angeklagten
Kraftfahrzeugdiebstähle (Fälle 8 bis 12, 18 und 27
bis 29 der Anklage) freigesprochen und sie den Inhalt der
Geständnisse der Angeklagten im einzelnen nicht mitgeteilt
hat, kann der Senat nicht überprüfen, ob es sich -
wie der Generalbundesanwalt meint - bei dem Freispruch um ein
"offensichtliches Versehen" handelt. Die Verurteilung im Fall II 2.1
muß daher aufgehoben werden; die Aufhebung erstreckt sich
auch auf den insoweit freisprechenden Teil (Fall 11 der Anklage) des
Urteils (vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdn. 16 m.w.N.).
b) Im übrigen sind weder im Fall II 2.1 noch in den
Fällen II 2.2 bis 2.5 der Urteilsgründe die
Voraussetzungen (mit-)täterschaftlichen schweren
Bandendiebstahls festgestellt:
Nach der Bandenabrede sollten die beiden Angeklagten mit den
Diebstählen - ihrer Planung und ihrer Ausführung -
selbst nichts zu tun haben. Der "Organisationsplan" der Bande sah
vielmehr vor, daß die Angeklagten nur mit dem Absatz der
durch die "Erlangungstäter" beschafften Fahrzeuge
befaßt sein sollten; im Fall II 2.1 mit der Verwertung
für die Bande. Bei der Ausführung der
Diebstähle haben sich die Angeklagten dem entsprechend auch
nicht betätigt. Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen,
daß dem Angeklagten K. die einzelnen "Erlangungstaten" vor
seinem Einsatz überhaupt bekannt waren. Soweit der Angeklagte
S. von den durch M. und Mo. begangenen Diebstählen
wußte und er an den Tatorten war (Fälle II 2.1 und
II 2.4), ist nicht festgestellt, daß er sich - über
seine ihm in der Bandenabrede zugewiesenen Aufgaben hinaus - an den
Diebstahlstaten beteiligen wollte. Mit dem Verbringen der Fahrzeuge in
die nicht einsehbare Scheune durch M. und Mo. waren die Pkws dem
Zugriff der Berechtigten entzogen; damit war die jeweilige
Diebstahls(banden)tat beendet (vgl. BGHR StGB § 259 Abs. 1
Absatzhilfe 7 = NStZ-RR 1999, 208). Nach der Tatbeendigung
können tatunterstützende "Beteiligungshandlungen"
Dritter aber nur noch den Tatbestand der Hehlerei (§ 259 StGB)
oder der Begünstigung (§ 257 StGB) erfüllen
(BGHR a.a.O.). Dem entspricht es, daß nach der Rechtsprechung
derjenige, der durch eine vor der Tat abgegebene Erklärung
seine Mitwirkung bei der Beuteverwertung zusagt und dann diese Zusage
auch einhält, nicht Mittäter, sondern nur Anstifter
oder Gehilfe bei der Vortat und außerdem Hehler sein kann
(BGH NStZ 2002, 200, 201 m.w.N.). Dies gilt auch für
Bandentaten; denn ein Tätigwerden im Interesse der Bande ohne
konkreten Bezug zu einer Straftat genügt nicht, eine
Strafbarkeit als Bandentat zu begründen (vgl. BGH StV 2001,
459). Es gelten vielmehr - auch bei der Bandentat - die allgemeinen
Teilnahme- und Zurechnungsregeln (vgl. BGHSt - GSSt - 46, 321, 338; BGH
StV 2002, 191, 192 f.; BGH, Beschluß vom 17. Januar 2002 - 3
StR 450/01 - und Urteil vom 14. Februar 2002 - 4 StR 281/01).
c) In den Fällen II 2.2 bis 2.5 muß daher die
Verurteilung ebenfalls aufgehoben werden. Da möglicherweise in
der neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden
können, die eine täterschaftliche Beteiligung der
Angeklagten an den Diebstahlstaten belegen, hebt der Senat die
bisherigen Feststellungen zu den genannten Fällen auf, um dem
nunmehr entscheidenden Tatrichter neue Feststellungen ohne die Bindung
an bereits rechtskräftige Feststellungen zu
ermöglichen. Mit der teilweisen Aufhebung der Verurteilung des
Angeklagten S. ist auch die ihn betreffende Gesamtstrafe aufzuheben;
die Einzelstrafen für die im übrigen abgeurteilten 16
Diebstähle können bestehen bleiben, weil sie
rechtsfehlerfrei festgesetzt wurden und von dem zur Teilaufhebung
führenden Rechtsfehler nicht berührt werden. Eines
gesonderten Ausspruchs über den Wegfall der Gesamtstrafe bei
dem Angeklagten K. bedarf es nicht, weil seine Verurteilung insgesamt
aufgehoben ist.
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Falls eine (mit-)täterschaftliche Beteiligung der Angeklagten
an den (Banden-)Diebstahlstaten (vgl. hierzu BGHSt 46, 321, 334 ff.)
nicht nachgewiesen werden kann, kommt im Hinblick auf die Zusage der
Angeklagten, bei der Beuteverwertung mitzuwirken, eine Bestrafung wegen
Beihilfe zum (schweren) Bandendiebstahl in Betracht, soweit die
Angeklagten jeweils konkrete Diebstahlstaten der anderen
Bandenmitglieder mit Gehilfenvorsatz unterstützt haben (vgl.
BGH NStZ 1996, 493; 2002, 200, 201). Die Zusage der Mitwirkung bei der
Verwertung der gestohlenen Fahrzeuge kann (zudem) versuchte Hehlerei in
Form der (versuchten) Absatzhilfe sein (§§ 259 Abs.
1, 3, 260 Abs. 1, 2, 260 a Abs. 1, 22, 23 StGB; vgl. BGHR StGB
§ 259 Abs. 1 Absatzhilfe 5;. BGH NStZ-RR 1999, 208; NStZ 2002,
200, 201); bei dem für die Zwecke der Bande verwendeten Pkw im
Fall II 2.1 kommt - falls eine Mitwirkung der Angeklagten an dieser Tat
bewiesen, eine Beteiligung am Diebstahl aber nicht nachgewiesen werden
kann (vgl. § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB) - neben dem
Urkundendelikt (vgl. BGHSt 9, 235; 16, 94; BGH bei Holtz MDR 1981, 452;
Gribbohm in LK 11. Aufl. § 267 Rdn. 148, 199; Hentschel,
Straßenverkehrsrecht 36. Aufl. § 59 StVZO Rdn. 5
m.w.N.) eine Bestrafung wegen Begünstigung in Betracht (vgl.
Ruß in LK 11. Aufl. § 257 Rdn. 20). Im Hinblick auf
die Fälle II 2.2 bis 2.5 der Urteilsgründe liegt
möglicherweise nur eine (versuchte) Hehlereitat vor (vgl.
Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. §
52 Rdn. 29).
Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanovic Sost-Scheible
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