BGH,
Beschl. v. 13.2.2001 - 4 StR 562/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 562/00
vom
13. Februar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. Februar
2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Halle vom 21. Juni 2000 im Ausspruch über die besondere
Schwere der Schuld aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub
mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und
ausgesprochen, daß seine Schuld besonders schwer wiegt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er
die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das
Rechtsmittel hat zum Ausspruch über die besondere
Schuldschwere Erfolg; im übrigen ist es unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub
mit Todesfolge weist keinen Rechtsfehler auf. Auf der Grundlage der
getroffenen Feststellungen hat das Landgericht zu Recht angenommen,
daß der Angeklagte und sein Mittäter das Opfer
grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet haben.
Auch die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als absolute
Strafe hält rechtlicher Prüfung stand; insbesondere
hat die sachverständig beratene Strafkammer trotz der bei dem
alkoholgewöhnten Angeklagten festgestellten
Tatzeitblutalkoholkonzentration von 2,15 o/oo unter
Berücksichtigung psychodiagnostischer Kriterien eine
erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des
§ 21 StGB rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
Hinsichtlich des Ausspruchs über die besondere Schwere der
Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) hat die Revision
dagegen Erfolg.
Zwar hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Entscheidung zur
besonderen Schuldschwere grundsätzlich hinzunehmen, ihm ist
eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat aber zu
prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen
Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl.
BGHSt - GS - 40, 360, 370). Dies ist hier nicht geschehen.
Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung nur auf eine
tragfähige Erwägung ausdrücklich abgestellt,
und zwar darauf, daß der Angeklagte "schon zum zweiten Mal an
einer Tat beteiligt [war], bei der aufgrund brutaler Einwirkung ein
Mensch zu Tode kam" (UA 25; vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1999 - 3
StR 460/98; insoweit in NStZ-RR 2000, 35, 37 nicht abgedruckt). Daneben
hat es ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten
berücksichtigt, daß er keinerlei Einsicht zeige,
"daß er nach der damaligen Verurteilung um seine
Gefährlichkeit bei Alkoholgenuß wußte und
mit dem Alkohol nun hätte zurückhaltend umgehen
müssen" (UA 25). Dabei hat es weder bedacht, daß die
vorliegende Tat nicht unmittelbar auf den Alkoholmißbrauch
zurückzuführen ist, noch, daß diese
Erwägung im Widerspruch zu der Urteilsfeststellung steht,
wonach bei dem Angeklagten ein Alkoholabhängigkeitssyndrom
vorliegt, das unter anderem ein starkes Verlangen nach Alkohol und eine
verminderte Kontrolle über den Alkoholkonsum bewirkt [UA 20].
Auch die weitere Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte
habe "kein echtes Bedauern, weder zu seinem damaligen noch zu seinem
jetzigen Fehlverhalten" geäußert, sondern lediglich
angegeben, "daß damals und auch jetzt wieder der Alkohol
schuld sei und daß er eben immer viel Alkohol trinke" (UA
25), ist rechtsfehlerhaft. Die Gewichtung der Schuldschwere ist
entsprechend den Regeln zu ermitteln, die für die
Strafzumessungsschuld im Sinne des § 46 Abs. 1 StGB gelten
(BGHSt 42, 226, 228 f.; vgl. auch Lackner/Kühl StGB 23. Aufl.
§ 57a Rdn. 3 b m.w.N.). Daher darf auch in diesem Zusammenhang
fehlende Reue weder einem die Tat leugnenden Angeklagten nachteilig
angelastet werden (BGH StV 1993, 639) noch einem solchen, der versucht,
sie in einem wesentlich milderen Licht darzustellen (BGH,
Beschluß vom 23. Mai 2000 - 1 StR 193/00).
Der Senat vermag, selbst wenn - wie der Generalbundesanwalt in seiner
Antragsschrift meint - die Jugendkammer weiterhin ersichtlich im Blick
gehabt haben sollte, daß der Angeklagte mehrere Mordmerkmale
verwirklicht hat (vgl. BGHSt 39, 122, 125), nicht
auszuschließen, daß die Feststellung der besonderen
Schuldschwere auf den beanstandeten Erwägungen beruht
(§ 337 StPO). Zudem hat er darüber, ob die weiteren
Überlegungen, auf die das Landgericht die besondere
Schuldschwere noch stützt, auch für sich genommen das
gefundene Ergebnis tragen könnten, nicht zu befinden, da er
die vom Tatrichter vorzunehmende Gesamtwürdigung nicht durch
eine eigene ersetzen kann (vgl. BGH NStZ 1999, 243 m.w.N.).
Da das Verfahren sich nur noch gegen einen Erwachsenen richtet,
verweist der Senat die Sache an eine als Schwurgericht
zuständige Strafkammer zurück (vgl. BGHSt 35, 267).
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |