BGH,
Beschl. v. 13.2.2002 - 2 StR 10/02
2 StR 10/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 10/02
vom
13. Februar 2002
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts, zu Ziffer
3 auf dessen Antrag, am 13. Februar 2002 gemäß
§ 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Marburg (Lahn) vom 11. Oktober 2001 im Rechtsfolgenausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigung hat hinsichtlich des Schuldspruchs Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Jedoch hält der
Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Überprüfung nicht
stand.
1. Im Rahmen der Strafzumessungserwägungen hat das Landgericht
sowohl bei der Frage, ob die vom Angeklagten begangenen drei
Fälle der Vergewaltigung seiner Ehefrau als minder schwere
Fälle anzusehen seien (UA S. 28), als auch erneut bei der
Zumessung der Einzelstrafen von drei Jahren, zwei Jahren und sechs
Monaten und zwei Jahren (UA S. 30) und erneut bei der Bemessung der
Gesamtstrafe (UA S. 31) zu Lasten des Angeklagten
berücksichtigt, daß es diesem "nicht
ausschließlich um eine Demütigung und die
Demonstration seines Alleinanspruches auf die sexuelle Hingabe seiner
Frau, sondern auch um seine sexuelle Befriedigung (ging), die er ohne
Rücksicht auf die Wünsche seiner Partnerin
durchsetzen wollte". Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft.
Die Formulierung des Urteils legt die Annahme nahe, das Landgericht
habe die (gewaltsame) Durchsetzung der sexuellen Wünsche des
Angeklagten gegen den Willen des Tatopfers als besonders erschwerenden
Umstand angesehen. Es handelt sich hierbei aber um Tatbestandsmerkmale
des § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB, deren
strafschärfende Berücksichtigung nach § 46
Abs. 3 StGB unzulässig ist (vgl. Tröndle/Fischer StGB
50. Aufl. § 46 Rdn. 78 m.w.N.).
Soweit das Landgericht eine über die
Tatbestandserfüllung hinausgehende Demütigung des
Opfers sowie die Motivation des Angeklagten strafschärfend
gewertet hat, seinen "Alleinanspruch" zu demonstrieren, hat es nicht
berücksichtigt, daß diese Umstände ihre
Ursache hier gerade in der schweren
Persönlichkeitsstörung des Angeklagten in der Form
eines "Eifersuchtswahns" haben können, welche zur Annahme
einer erheblichen Einschränkung seiner
Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) geführt hat.
Das Landgericht hat insoweit festgestellt (UA S. 25), beim Angeklagten
liege eine schizotype Persönlichkeitsstörung mit
schizoidegozentrischen und bizarrsonderlingshaften
Persönlichkeitszügen vor; er sei von seiner
Eifersucht in einer psychopathologischen Dimension bestimmt gewesen;
dieser Eifersuchtswahn gehe häufig mit sexualsadistisch
getönten "Bestrafungsritualen" einher. Es liegt daher nahe,
daß gerade der psychopathologische Zustand des Angeklagten,
der zur erheblichen Minderung seiner Schuldfähigkeit
führte, Ursache der vom Landgericht als
schulderhöhend gewerteten Modalitäten der jeweiligen
Tatausführung gewesen ist; in diesem Fall können
diese Umstände nicht uneingeschränkt
straferhöhend wirken (vgl. BGHSt 16, 361, 364; BGH NStZ 1984,
548; 1986, 115; 1991, 581; 1997, 401; BGHR StGB § 46 Abs. 1
Schuldausgleich 1, 4; st. Rspr.).
3. Der Senat kann - abweichend von der Auffassung des
Generalbundesanwalts - nicht ausschließen, daß sich
der Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat. Dies gilt
auch für die wegen Körperverletzung in Tateinheit mit
Bedrohung festgesetzte Einzelstrafe von neun Monaten. Der Senat hebt
den Rechtsfolgenausspruch insgesamt - einschließlich der an
sich rechtsfehlerfrei zugemessenen Einzelgeldstrafe für das
Waffendelikt - auf, um dem neuen Tatrichter eine umfassende neue
Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.
4. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, sich mit der Frage
einer Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB nochmals
auseinanderzusetzen; daß allein der Angeklagte das Urteil
angefochten hat, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH NStZ 1998, 191).
Die Erwägung, mit welcher das Landgericht von der Anordnung
der Maßregel abgesehen hat, es bestehe wegen der "letztlich
gezeigten Bereitschaft" des Angeklagten zur Trennung von der
Nebenklägerin keine hinreichende Wahrscheinlichkeit
für künftige erhebliche Taten (UA S. 32), erscheint
nach den Feststellungen nicht bedenkenfrei.
Jähnke Bode Otten
Rothfuß Fischer
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