BGH,
Beschl. v. 13.2.2004 - 2 StR 408/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 408/03
vom
13.02.2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Meineides
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 13.02.2004
gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mühlhausen vom 6. Juni 2003 im jeweiligen Strafausspruch
mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an
eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
A. Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Meineides in drei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und die
Angeklagte Ko.
wegen Meineides in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von neun Monaten
verurteilt. Die Vollstreckung dieser Strafen hat das Landgericht zur
Bewährung
ausgesetzt.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit
denen sie beide die Sachrüge erheben und die Angeklagte Ko.
auch Verfahrensrügen
geltend macht.
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Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge im Hinblick auf den
jeweiligen
Strafausspruch Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im übrigen
sind sie unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
B. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte K.
zweimal als zuständiger Notar wider besseren Wissens
beurkundet, daß die
Niederschrift über eine Buchgrundschuldbestellung zugunsten der
Kreissparkasse S. in seiner Gegenwart vorgelesen, durch beide
erschienenen
Eheleute (Sch. ) genehmigt und eigenhändig unterschrieben
worden
sei. Die Angeklagte Ko. , die im Notariat des Angeklagten K. als
Büroangestellte
arbeitete, hatte zuvor der Zeugin Sch. mitgeteilt, daß sie
die Urkunde
zuhause durch ihren Ehemann unterschreiben lassen und mit beiden
Personalausweisen zurückkommen solle.
In dem Zivilrechtsstreit zwischen Herrn Sch. (dessen Unterschrift von
Frau Sch. gefälscht wurde) und der Kreissparkasse S.
über
die Löschung beider Grundschulden wurde der Angeklagte K. vor
seiner
Zeugenaussage vor der 5. Zivilkammer des Landgerichts
Mühlhausen über
seine Wahrheitspflicht und eine Strafbarkeit im Falle einer
Falschaussage als
Zeuge belehrt. Wider besseren Wissens sagte er unter anderem aus,
daß es
ausgeschlossen gewesen sei, daß Frau Sch. mit bereits
unterschriebenen
Urkunden zu ihm in die Praxis hätte kommen können.
Auf seine bewußt falsche
Aussage wurde er vereidigt.
In einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Frau Sch.
sagte er nach Belehrung über seine Wahrheitspflicht als Zeuge
über den Beurkundungsvorgang
erneut bewußt falsch aus. Er wurde auf seine Aussage
vereidigt.
Im anschließenden Strafverfahren gegen Frau Sch. wurde er
wiederum
über seine Wahrheitspflicht als Zeuge belehrt und
zusätzlich darüber, daß
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er auf solche Fragen, durch deren richtige Beantwortung er sich selbst
belaste,
nicht zu antworten brauche. Er sagte gleichwohl bewußt
wahrheitswidrig aus
und wurde vereidigt.
Die Angeklagte Ko. wurde ebenfalls im strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren
und später im Strafverfahren jeweils gegen Frau Sch. als Zeugin
vernommen und sagte bei beiden Vernehmungen bewußt
wahrheitswidrig unter
anderem aus, daß die Urkunden den Parteien nicht zur
Unterschrift nach Hause
mitgegeben wurden. Sie war zuvor jeweils als Zeugin über ihre
Wahrheitspflicht
belehrt worden und im Strafverfahren zusätzlich auch
darüber, daß sie
auf Fragen, mit deren richtiger Beantwortung sie sich oder einen nahen
Angehörigen
selbst belaste, nicht zu antworten brauche. In beiden Fällen
wurde sie
auf ihre wissentlich falsche Aussage vereidigt.
Das Verfahren gegen den Angeklagten K. bezüglich der
Falschbeurkundungen
im Amt und weiterer Delikte wurde in der Hauptverhandlung
gemäß
§ 154 Abs. 1, Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt (UA
S. 22).
Das Landgericht hat beim Angeklagten K. in allen drei Fällen
die
Voraussetzungen des § 157 StGB für gegeben erachtet
und jeweils den Strafrahmen
nach § 49 Abs. 2 StGB gemildert. Minder schwere Fälle
(§ 154 Abs. 2
StGB) hat es abgelehnt. Bei der Angeklagten Ko. hat das Landgericht
jeweils
einen minder schweren Fall (§ 154 Abs. 2 StGB) angenommen, die
Voraussetzungen
des § 157 StGB aber für beide Taten verneint.
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C. Beide Strafaussprüche haben rechtlich keinen Bestand.
I. Angeklagter K.
1. Meineid im Zivilrechtsstreit (Herr Sch. gegen Kreissparkasse
S. )
Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft nicht zugunsten des Angeklagten
berücksichtigt, daß ihm bei seiner Vernehmung
gemäß § 384 Nr. 2 ZPO ein
Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen zustand,
über das er nicht
belehrt wurde. Zwar ist eine solche Belehrung - anders als bei einem
Teil der
Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen
(§ 383 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1
Nrn. 1 bis 3 ZPO) - nicht ausdrücklich vom Gesetz
vorgeschrieben. Gleichwohl
besteht weitgebend die Übung, eine Belehrung zu erteilen. Ist
sie unterblieben
und läßt sich - wie hier - weder
ausschließen, daß der Angeklagte in Unkenntnis
vom Weigerungsrecht war, noch daß er möglicherweise
sonst nicht ausgesagt
hätte, liegt ein bedeutsamer Strafmilderungsgrund vor (vgl.
auch Senatsbeschluß
vom 20. Juli 1977 - 2 StR 282/77). Darauf, ob dem vernehmenden
Gericht bekannt war, daß beim Angeklagten die Voraussetzungen
des § 384
ZPO vorlagen, kommt es nicht an (vgl. BGH NStZ 1984, 134).
2. Meineid im Ermittlungsverfahren gegen Frau Sch.
a) Der Tatrichter hat rechtsfehlerhaft nicht zugunsten des Angeklagten
gewertet, daß dieser über sein
Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 2
StPO) nicht belehrt wurde (vgl. hierzu u.a. BGH StV 1986, 341).
Maßgebend ist
auch hier, daß objektiv ein Auskunftsverweigerungsrecht
gegeben war; auf die
Kenntnis des vernehmenden Richters kommt es nicht an (vgl. u.a. BGHR
StGB
§ 157 Abs. 1 Falschaussage, uneidliche 3; BGH StV 1987, 195;
1995, 249).
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Der Senat kann zum einen nicht sicher ausschließen,
daß dem Angeklagten
sein Auskunftsverweigerungsrecht nicht bekannt war, zum anderen
auch nicht, daß dieser ansonsten keine Aussage gemacht
hätte, mag auch der
Umstand, daß er bei seiner dritten Vernehmung nach Belehrung
über sein
Auskunftsverweigerungsrecht von diesem keinen Gebrauch gemacht hat, ein
gegenteiliges Indiz sein.
b) Der Tatrichter hat es rechtsfehlerhaft auch unterlassen, zugunsten
des Angeklagten zu erörtern, ob ein Eidesverbot
gemäß § 60 Nr. 2 StPO bestand.
Den Urteilsgründen läßt sich nicht
(eindeutig) entnehmen, welche Straftat(
en) Frau Sch. in dem Ermittlungsverfahren vorgeworfen wurde(n). Es
liegt nahe, daß der Angeklagte der Tat, die den Gegenstand
der Untersuchung
gegen Frau Sch. bildete, oder der Beteiligung an ihr
verdächtig war. Dies
kommt insbesondere in Betracht, wenn Frau Sch. eine mittelbare
Falschbeurkundung
(§ 271 StGB) oder Teilnahme (§§ 26, 27 StGB)
an der Falschbeurkundung
im Amt (§ 348 StGB) vorgeworfen wurde.
Ein Verstoß gegen das Vereidigungsverbot stellt einen
Strafmilderungsgrund
dar, unabhängig davon, ob der vernehmende Richter zu diesem
Zeitpunkt
einen entsprechenden Verdacht haben konnte (vgl. u.a. BGHSt 23, 30 f.;
BGHR StGB § 154 Abs. 2 Milderungsgründe 1 und
Vereidigungsverbot 1 und
2).
3. Meineid im Strafverfahren gegen Frau Sch.
Hier wurde zwar nach § 55 Abs. 2 StPO belehrt, aber trotz der
objektiv
gegebenen Voraussetzungen des § 60 Nr. 2 StPO der Eid
abgenommen. Diesen
Strafmilderungsgrund hat der Tatrichter rechtsfehlerhaft nicht zugunsten
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des Angeklagten gewürdigt. Der Strafmilderung steht nicht
entgegen, daß der
Angeklagte sich als Zeuge nicht auf sein Aussageverweigerungsrecht nach
§ 55 StPO berufen hat (vgl. u.a. BGH StV 1982, 521; BGHR StGB
§ 157 Abs. 1
Selbstbegünstigung 1 und 6; Senatsbeschluß vom 16.
August 2000 - 2 StR
279/00).
4. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die
verhängten Einzelstrafen
ohne die Rechtsfehler für den Angeklagten günstiger
ausgefallen wären. Daß
der Tatrichter in allen drei Fällen den Strafrahmen des
§ 154 StGB gemäß
§§ 157, 49 Abs. 2 StGB gemildert hat, steht dem nicht
entgegen. Sowohl die
fehlende Belehrung über ein Zeugnisverweigerungsrecht
(§ 384 ZPO) oder ein
Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 2 StPO) als auch der
Verstoß gegen
ein Vereidigungsverbot (§ 60 Nr. 2 StPO) sind jeweils
selbständige Strafmilderungsgründe,
die kumulativ zugunsten eines Angeklagten zu werten sind (vgl.
hierzu u.a. BGH StV 1986, 341; 1995, 249 = wistra 1993, 258; BGHR StGB
§ 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 4; BGHR StGB
§ 154 Abs. 2 Milderungsgründe
1).
Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der
Gesamtfreiheitsstrafe
nach sich.
II. Angeklagte Ko.
1. Meineid im Ermittlungsverfahren gegen Frau Sch.
a) Der Tatrichter hat rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen des
§ 157
StGB unter Hinweis darauf, daß sich die Angeklagte im Vorfeld
des Meineides
nicht strafbar gemacht habe, verneint. Es liegt nahe, daß der
Angeklagten als
Büroangestellten im Notariat jedenfalls bekannt war,
daß ein Notar nicht beurkunden
darf, daß zwei Personen in seiner Gegenwart ihre Unterschrift
geleistet
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haben, wenn nur eine Person - noch dazu im Wartezimmer - anwesend ist.
Insoweit
kommt durch die Mitgabe der Urkunden nach Hause mit der Aufforderung,
sie dort von Herrn Sch. unterschreiben zu lassen, eine Strafbarkeit
nach §§ 348, 27 StGB in Betracht. Es drängte
sich daher auf, daß bei der Angeklagten
die Voraussetzungen des § 157 StGB gegeben waren, der einen
vertypten Strafmilderungsgrund darstellt. Zur Anwendung des §
157 StGB würde
im übrigen genügen, wenn der Beweggrund nicht
auszuschließen ist (vgl.
BGHR StGB § 157 Abs. 1 Falschaussage uneidliche, 2).
b) Der Tatrichter hat es weiter rechtsfehlerhaft unterlassen, zugunsten
der Angeklagten zu werten, daß sie nicht über ihr
Auskunftsverweigerungsrecht
(§ 55 Abs. 2 StPO) belehrt wurde (vgl. dazu oben C. I. 2. a).
Der Senat kann
nicht ausschließen, daß die Angeklagte nach
entsprechender Belehrung die
Aussage verweigert hätte. Bei ihrer zweiten Vernehmung hat sie
zwar nach
Belehrung auch gemäß § 55 Abs. 2 StPO
zunächst ausgesagt, dann aber -
ohne ihre Aussage konkludent zu widerrufen - doch weitere
Auskünfte verweigert.
c) Ein weiterer Rechtsfehler ist darin zu sehen, daß die
Angeklagte unter
Verstoß gegen § 60 Nr. 2 StPO vereidigt wurde,
obwohl sie - objektiv - der Tat,
welche den Gegenstand der Untersuchung gegen Frau Sch. bildete oder
der Beteiligung an ihr verdächtig war (vgl. dazu oben C. I. 2.
b).
2. Meineid im Strafverfahren gegen Frau Sch.
a) Auch hier sind die Voraussetzungen des § 157 StGB
rechtsfehlerhaft
verneint worden. Soweit der Tatrichter insoweit die Anwendung des
§ 157
StGB wegen "verschuldeten Eidesnotstandes" (UA S. 23) abgelehnt hat,
kann
dem nicht gefolgt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung
(vgl. dazu u.a.
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BGHR StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 5 = StV
1995, 249, 250; BGH,
Beschluß vom 21. März 1995 - 4 StR 87/95) wird die
durch § 157 StGB eröffnete
Strafmilderungsmöglichkeit nicht dadurch ausgeschlossen,
daß der Angeklagte
den Aussagenotstand durch seine früheren falschen Angaben
schuldhaft
herbeigeführt hat.
Unabhängig davon waren hier die Voraussetzungen des §
157 StGB
schon unter dem Aspekt zu prüfen, daß bereits im
Vorfeld (vgl. oben C. II. 1. a)
der Meineide eine Straftat der Angeklagten im Raume stand, die bei ihr
zu einem
Aussagenotstand führte.
Der Anwendung des § 157 StGB steht nicht entgegen,
daß die Angeklagte
trotz Belehrung über ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach
§ 55 StPO
ausgesagt hat (vgl. u.a. BGHR StGB § 157 Abs. 1
Selbstbegünstigung 1; Senatsbeschluß
vom 16. August 2000 - 2 StR 279/00 m.w.Nachw.).
b) Der Tatrichter hat es auch hier rechtsfehlerhaft unterlassen,
zugunsten
der Angeklagten zu werten, daß - objektiv - ein
Vereidigungsverbot bestand
(vgl. oben C. II. 1. c).
3. Auch bei der Angeklagten Ko. beruht der jeweilige
Einzelstrafausspruch
auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Zwar hat der Tatrichter im Hinblick
auf eine "Zwangslage" der Angeklagten für beide Taten einen
minder schweren
Fall (§ 154 Abs. 2 StGB) bejaht und mit Freiheitsstrafen von
sechs Monaten
und sieben Monaten Strafen an der untersten Grenze verhängt.
Gleichwohl
kann der Senat nicht ausschließen, daß der
Tatrichter "ohne Verbrauch" des
vertypten Milderungsgrundes des § 157 StGB minder schwere
Fälle bejaht und
dann - ohne Verstoß gegen § 50 StGB -
zusätzlich eine Verschiebung des
Strafrahmens des § 154 Abs. 2 StGB gemäß
§§ 157 Abs. 1, 49 Abs. 2 StGB
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vorgenommen hätte (vgl. dazu BGH NStZ 1984, 134). Dann kann
weiter nicht
sicher ausgeschlossen werden, daß der Tatrichter noch mildere
Einzelstrafen
verhängt hätte.
Die Aufhebung der beiden Einzelstrafen zieht die Aufhebung der
Gesamtfreiheitsstrafe
nach sich.
D. Durch die Teilaufhebung des angefochtenen Urteils ist die Beschwerde
des Angeklagten K. gegen den Strafaussetzungsbeschluß
(§ 268 a
Abs. 1 StPO) des Landgerichts gegenstandslos. Ohnehin war im
vorliegenden
Fall die Sache insoweit noch nicht entscheidungsreif, da der
angefochtene
Beschluß nicht begründet wurde, eine
(begründete) Nichtabhilfeentscheidung
nicht ergangen ist und das Beschwerdevorbringen erhebliche
Tatsachenbehauptungen
enthält (vgl. BGHSt 34, 392).
Rissing-van Saan Detter Bode
Rothfuß Fischer |