BGH,
Beschl. v. 13.2.2009 - 2 StR 509/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 509/08
vom
13. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren räuberischen Diebstahls u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 13. Februar 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 11. August 2008 im Maßregelausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren
räuberischen Diebstahls, wegen räuberischen
Diebstahls, wegen Diebstahls mit Waffen, wegen Diebstahls in
fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit
Hausfriedensbruch, wegen versuchten Betrugs, wegen
gefährlicher Körperverletzung, wegen Bedrohung in
drei Fällen, wegen Beleidigung in drei Fällen, wegen
versuchter Nötigung und wegen Sachbeschädigung zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet.
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Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen
Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel
hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg
(§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht
ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs.
2 Satz 2 StPO).
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2. Die Überprüfung des Urteils auf die
Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben.
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3. Im Maßregelausspruch hält das Urteil indes der
rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Das Landgericht hat - sachverständig beraten - die
Überzeugung gewonnen, dass der Angeklagte an einer
"krankheitswertigen bipolaren affektiven Störung mit
gegenwärtig manischer Episode, die den Schweregrad eines
psychotischen Zustandes aufweist", leide. Die zu den Tatzeitpunkten bei
dem Angeklagten vorherrschende Störung führe "zu
einer erheblichen Verminderung seiner Einsichtsfähigkeit.
Insbesondere die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seiner
Taten einzusehen, (sei) durch die krankheitswertige Euphorie bei
gleichzeitig psychotischer Wahrnehmung und
Größenphantasien erheblich vermindert."
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b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht
die Auffassung vertritt, mit der Feststellung einer erheblich
verminderten Einsichtsfähigkeit sei bereits § 21 StGB
erfüllt und damit auch die Grundlage für die
Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben. Eine
verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich indes erst
dann von Bedeutung, wenn sie das
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Fehlen der Einsicht zur Folge hat (st. Rspr.; vgl. u. a. BGH NStZ-RR
2004, 38; 2007, 73, jeweils m.w.N.). Der Täter, der trotz
erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall
die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht
seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war
- voll schuldfähig.
Solange die Verminderung der Einsichtsfähigkeit nicht das
Fehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu Straftaten
geführt hat, ist auch die Sicherung der Allgemeinheit durch
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlasst
(vgl. u. a. BGH, Beschl. vom 12. Juli 2006 - 5 StR 215/06 m.w.N.;
Senatsbeschl. vom 30. Juli 2003 - 2 StR 215/03). Allein auf die
Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit
kann eine Unterbringung nach § 63 StGB deshalb nicht
gestützt werden (vgl. u. a. Senat, Beschl. vom 17. Oktober
2007 - 2 StR 462/07 m.w.N.).
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c) Der aufgezeigte Mangel zwingt nicht zur Aufhebung des Urteils im
Schuld- und Strafausspruch. Mit der sachverständig beratenen
Strafkammer kann der Senat ausschließen, dass die
Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Begehung der
abgeurteilten Taten im Sinne des § 20 StGB
vollständig aufgehoben war. Die Zubilligung erheblich
verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB beschwert
den Angeklagten nicht. Nicht bestehen bleiben kann jedoch - wie
ausgeführt - die Unterbringung des Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus.
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4. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass
die Erklärung des Beschwerdeführers, er nehme die
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß
§ 64 StGB von der Revision aus, unwirksam ist. Die
Untrennbarkeit des Maßregelausspruchs folgt schon aus
§ 72 StGB; hier kommt hinzu, dass zu beurteilen ist, ob die
abgeurteilten Taten auf die Persönlichkeits-
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störung oder den Hang des Angeklagten zum Drogenkonsum
zurückzuführen sind.
Rissing-van Saan Rothfuß Fischer
Appl Cierniak |