BGH,
Beschl. v.13.1.2000 - 4 StR 609/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 609/99
vom
13. Januar 2000
in der Strafsache gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. Januar
2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Zweibrücken vom 27. Mai 1999 mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Jugendschutzkammer zuständige Jugendkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum
sexuellen Mißbrauch eines Kindes und der
Körperverletzung in drei Fällen wegen
Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der
Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die nur
den Maßregelausspruch betreffende, auf die Verletzung
sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat
Erfolg.
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung
verschafft, daß der Angeklagte die ihm angelasteten Taten im
Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat. Zur
Gefährlichkeitsprognose ist es sachverständig beraten
zur Auffassung gelangt, daß der Angeklagte in
Überforderungssituationen zu
"Aggressionsdurchbrüchen" neige. Er sei "aufgrund seiner
Kritikschwäche verleitbar und könne deshalb durch den
Einfluß krimineller Personen wieder straffällig
werden" (UA 17). Es seien daher "bei Versagen der derzeit bestehenden
Kontrollmechanismen und dem Einfluß eines kriminellen Umfelds
weitere erhebliche Straftaten zu erwarten". Das ist - wie die Revision
zu Recht rügt - durch die Feststellungen nicht hinreichend
belegt.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus stellt einen
gewichtigen Eingriff dar. Sie ist nur statthaft, wenn die
Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt,
daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige
Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit
gefährlich ist (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 63
Gefährlichkeit 12, 16, 20, 22). Die Anlaßtaten des
vorliegenden Verfahrens wiegen sicherlich schwer. Das Landgericht
hätte aber auch Umstände in die Gesamtbetrachtung
einbeziehen müssen, die gegen eine Wiederholungsgefahr
sprechen könnten: So liegen die Taten (Tatzeitraum: 1992 bis
1994) bereits längere Zeit zurück. Der
53-jährige Angeklagte hat sich zuvor und auch danach straffrei
geführt. Zu tätlichen Übergriffen des
Angeklagten ist es bisher - soweit ersichtlich -
ausschließlich im engeren Familienkreis gekommen. Nachdem die
Ehefrau des Angeklagten bereits 1995 verstorben ist, und er nach den
getroffenen Feststellungen zu den Kindern keinen Kontakt mehr
unterhält (UA 3), ist auch insoweit eine Wiederholungsgefahr
nicht erkennbar. All dies hätte näherer
Erörterung bedurft, zumal der Angeklagte unter Betreuung
(§§ 1896 ff BGB) steht und nach den Angaben seiner
Betreuerin ihren Anweisungen, insbesondere sich von bestimmten Personen
fernzuhalten, widerspruchslos folgt (UA 18).
Über die Unterbringungsanordnung ist daher neu zu befinden;
bei den nicht angegriffenen Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten
hat es sein Bewenden.
Meyer-Goßner Maatz Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |