BGH,
Beschl. v. 13.1.2010 - 3 StR 508/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 508/09
vom
13. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Nötigung u. a.
hier: Revisionen der Angeklagten V. und I. Ö.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der
Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts am 13. Januar
2010 gemäß § 349 Abs. 4, § 354
Abs. 1, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten V. Ö. und I. Ö.
wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 10. Juni 2009, soweit es
sie und den Angeklagten T. betrifft, aufgehoben.
Die Angeklagten T. , V. Ö. und I. Ö. werden
freigesprochen.
Die auf sie entfallenden Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen
Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten T. , V. Ö. und I.
Ö. wegen gemeinschaftlicher Nötigung, den Angeklagten
T. auch wegen eines tateinheitlich hinzutretenden "Verstoßes
gegen § 52 Abs. 1 Nr. 1 Waffengesetz", zu Freiheitsstrafen
verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt
hat. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der
Angeklagten V. Ö. und I. Ö. führen zu deren
Freispruch; ihre Rechtsmittel sind, ebenfalls mit der Folge des
Freispruchs, auf den nicht revidierenden Angeklagten T. zu erstrecken.
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1. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen keine Verurteilung der
Angeklagten V. Ö. , I. Ö. und T. wegen
(gemeinschaftlicher) Nötigung.
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a) Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte T. , der ein Lokal
in D. betreibt, sah sich seit einiger Zeit Schutzgeldforderungen einer
Bande ausgesetzt, der auch der Mitangeklagte C. angehörte.
Obwohl die Bande schon im Jahre 2006 das Lokal verwüstet und
so dessen längere Schließung verursacht hatte,
lehnte der Angeklagte T. Schutzgeldzahlungen ab. C. war deshalb
entschlossen, den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Zusammen mit
sechs weiteren Personen begab er sich am 9. Februar 2008 gegen 04.30
Uhr in das Lokal, um "den Angeklagten T. durch das demonstrative
Auftreten mit mehreren Begleitern einzuschüchtern und dadurch
zu veranlassen, zukünftige Schutzgeldforderungen der Bande zu
erfüllen." C. begrüßte den Angeklagten T.
mit Handschlag, ließ dessen Hand aber nicht mehr los, sondern
zog ihn zu sich heran und forderte ihn auf, an den Tisch der Gruppe zu
kommen, weil er etwas mit ihm zu bereden habe. Der Angeklagte T.
erkannte, dass er wiederum wegen der Zahlung von Schutzgeld unter Druck
gesetzt werden sollte, und entgegnete, er habe mit ihm, C. , nichts zu
bereden. Gleichwohl hielt C. den Angeklagten T. weiter an der Hand
fest. Dieser riss sich schließlich los und schrie auf
türkisch "raus!", worauf ihm C. mit beiden Händen
gegen die Brust stieß. Da der Angeklagte T. nun eine weitere
Eskalation befürchtete, entschloss er sich, C. und seine
Gruppe aus dem Lokal zu vertreiben. Hierzu zog er eine Pistole und gab
mehrere Warnschüsse gegen die Decke ab. Die in seiner
Nähe stehenden Angeklagten V. Ö. und I. Ö.
wollten ihn unterstützen und begannen ihrerseits zu
schießen, teils mit scharfen, teils mit Schreckschusswaffen.
Verfolgt von den drei Angeklagten flüchteten C. und seine
Begleiter daraufhin aus dem Lokal. Im Verlauf dieses Geschehens
erlitten C. und zwei seiner Begleiter Schussverletzungen, ein weiterer
eine Stichverletzung, die aber nicht lebensgefährlich waren.
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Feststellungen dazu, wer dem Mitangeklagten C. und seinen Begleitern
die Verletzungen zufügte, hat das Landgericht nicht treffen
können. Es hat auch nicht feststellen können, dass
die Angeklagten T. , V. Ö. und I. Ö. damit rechneten,
einer von ihnen werde zur Durchsetzung des gemeinsamen Ziels, die
Gruppe um C. zu vertreiben, eine Waffe auch gegen eine Person einsetzen.
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b) Danach haben die Angeklagten den Mitangeklagten C. und seine
Begleiter zwar durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum
Verlassen des Lokals genötigt. Jedoch war, was das Landgericht
zu prüfen versäumt hat, das Handeln der Angeklagten
als Notwehr bzw. Nothilfe nach § 32 StGB gerechtfertigt. Die
in der Abgabe von Warnschüssen liegende Androhung des
Schusswaffengebrauchs war erforderlich und geboten, um jedenfalls die
andauernde Verletzung des Hausrechts des Angeklagten T. durch den
Mitangeklagten C. und seine Begleiter zu beenden. Diese hatten das
Lokal betreten, um den Angeklagten T. einzuschüchtern und zu
Schutzgeldzahlungen gefügig zu machen; ihre Gewaltbereitschaft
lag angesichts des Vorfalls im Jahre 2006 nahe. Der
nachdrücklichen Aufforderung, sich aus dem Lokal zu entfernen,
leistete der Mitangeklagte C. keine Folge, sondern griff den
Angeklagten T. tätlich an. Ob anders zu entscheiden
wäre, wenn sich die Angeklagten nicht auf Warnschüsse
beschränkt, sondern gezielte Schüsse gegen die Person
zumindest billigend in Kauf genommen hätten, braucht der Senat
nicht zu erörtern, denn dies konnte das Landgericht nicht
feststellen.
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2. Die Rechtsmittel der Angeklagten V. Ö. und I. Ö.
sind nach § 357 StPO auf den nicht revidierenden Angeklagten
T. zu erstrecken, da das Urteil, soweit es ihn betrifft, auf demselben
sachlich-rechtlichen Fehler beruht. Dies gilt auch für seine
Verurteilung wegen eines in Tateinheit zur Nöti-
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gung stehenden "Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Nr. 1
Waffengesetz". Insoweit liegt dem Schuldspruch die Feststellung zu
Grunde, dass der Angeklagte "mit einer von ihm geführten
Schusswaffe" mehrere Schüsse in Richtung der Decke des Lokals
abgab. Bleibt aber der Gebrauch der Schusswaffe straflos, weil das
Handeln des Täters entschuldigt oder - etwa wie hier durch
Notwehr - gerechtfertigt ist, entfällt auch die Strafbarkeit
wegen des Führens der Waffe, soweit es mit diesem Geschehen
unmittelbar zusammenfällt (BGH NStZ 1981, 299; 1999, 347).
Dass der Angeklagte die Schusswaffe über die Verwendung zur
Verteidigung seines Hausrechts hinaus geführt oder besessen
hat, ist weder festgestellt noch Gegenstand der Anklage.
Becker RiBGH Pfister befindet sich Sost-Scheible
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben
Becker
Hubert Mayer |