BGH,
Beschl. v. 13.1.2010 - 5 StR 506/09
5 StR 506/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 13. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verabredung zum besonders schweren Raub
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 2010
beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten I. gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 14. Mai 2009 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die
Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten Q. wird das vorgenannte Urteil,
soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird insoweit
zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten Q. und I. sowie den Nichtrevidenten
S. wegen Verabredung zum (besonders) schweren Raub verurteilt. Gegen
den Angeklagten Q. hat es hierwegen eine Freiheitsstrafe von zwei
Jahren und zehn Monaten, gegen den Angeklagten I. eine Freiheitsstrafe
von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Ihre
Verurteilungen greifen die Angeklagten Q. und I. jeweils mit
Verfahrensrügen und der allgemeinen Sachrüge an.
Während das Rechtsmittel des Angeklagten I. keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten aufdeckt,
dringt die Revision des Angeklagten Q. durch.
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1. Das Rechtsmittel des Angeklagten Q. führt mit der
Sachrüge zur Aufhebung und Zurückverweisung. Eines
Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf es daher nicht mehr.
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a) Dem Angeklagten liegt zur Last, sich mit I. und S. zu einem
Überfall auf ein Autohaus verabredet zu haben. Nach dem
gemeinsam gefassten Tatplan sollten zur Ausführung der Raubtat
eine Soft-Air-Vorderschaftrepetierflinte sowie zwei
Reizstoffsprühgeräte eingesetzt werden, die S. bei
sich trug. Während I. und S. die Raubtat ausführen
sollten, kam Q. die Aufgabe zu, das Fluchtfahrzeug nahe dem Tatort
bereit zu halten und dieses nach Abschluss der Tat vorzufahren. Ob Q.
ein Anteil an der Beute zufallen sollte, hat die Strafkammer nicht
festgestellt.
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b) Das Landgericht ist zur Annahme einer täterschaftlichen
Beteiligung des Angeklagten Q. mit der Begründung gelangt,
dass das Fahren des Fluchtfahrzeugs zu den wesentlichen Voraussetzungen
für die erfolgreiche Durchführung eines
Überfalls gehöre, was für eine
mittäterschaftliche Beteiligung spreche (UA S. 14). Weitere
Erwägungen hat es nicht angestellt.
c) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht
bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen
Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt
dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob
ein Beteiligter dieses enge Verhältnis zur Tat hat, ist nach
den gesamten von seiner Vorstellung umfassten Umständen in
wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte
hierfür können gefunden werden im Grad des eigenen
Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der
Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so dass
Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von
seinem Willen abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH StraFo 1998,
166; NStZ 2006, 94).
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Eine Bewertung nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht
nicht vorgenommen. Zwar ist es richtig, dass Mittäterschaft
nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen erfordert (vgl.
BGH NStZ 2009, 25) und dass dem Fahren des Fluchtfahrzeugs als einem
unverzichtbaren Beitrag für das Gelingen der Tat hinsichtlich
der Frage der Täterschaft wesentliche Bedeutung zukommt (vgl.
BGH NStZ-RR 2002, 74). Entgegen der durch die Strafkammer wohl
vertretenen Auffassung ist jedoch nicht grundsätzlich
anerkannt, dass das Fahren eines Fluchtfahrzeugs stets zur Annahme von
Mittäterschaft führt; vielmehr kann sich ein solches
Verhalten - je nach den weiteren Tatumständen - auch als
Beihilfe darstellen (vgl. etwa BGH aaO sowie BGH NStZ 2006, 94).
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Der Senat schließt nicht aus, dass in einer neuen
Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die
eine Verurteilung des Angeklagten Q. wegen Verbrechensverabredung
tragen. Das neue Tatgericht wird auf dieser Grundlage die notwendige
vollständige wertende Betrachtung nachzuholen haben.
2. Hingegen ist die Revision des Angeklagten I. unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zur
Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
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a) Die Verfahrensrüge wegen Verlesung und Verwertung der nicht
durch die Ermittlungsrichterin unterzeichneten Niederschrift
über die Vernehmung dieses Angeklagten vom 21. September 2008
greift nicht durch. Denn ausweislich der
ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung
eingeführten Niederschrift über die Aussage des
Angeklagten im Haftprüfungstermin vom 8. Oktober 2008 hat
dieser das Eingeständnis seiner Tatverabredung dort in vollem
Umfang, lediglich mit letztlich unerheblichen Ergänzungen
wiederholt. Die inhaltliche Bewertung dieses Geständnisses hat
die Strafkammer rechtsfehlerfrei vorgenommen, ohne dabei auf seine
wiederholte Abgabe abzustellen. Im Hinblick darauf kann ein Beruhen des
Urteils auf dem die Urkunde
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vom 21. September 2008 betreffenden Verfahrensfehler ausgeschlossen
werden.
b) Keinen Bedenken begegnet es, dass die Strafkammer die
Voraussetzungen eines Rücktritts nach dem hier allein in
Betracht kommenden § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB verneint hat. Nach
den Feststellungen haben die Angestellten des Autohauses die
Eingangstüren verschlossen, nachdem sie I. und S. gesehen und
wegen eines sechs Wochen zuvor erfolgten Überfalls den
Verdacht eines bevorstehenden neuerlichen Überfalls
geschöpft hatten. l. und S. , die zu dieser Zeit etwa
fünf bis sechs Meter von der vorderen Ladentür
entfernt waren, bemerkten dies und brachen die weitere
Tatausführung ab, weil sie erkannten, dass ein
Überfall auf das Autohaus jetzt nicht mehr möglich
war (UA S. 7).
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Diese Feststellungen, auf deren Grundlage eine freiwillige Aufgabe des
Vorhabens im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB ausgeschlossen
ist (vgl. BGH NStZ 1998, 510; Fischer, StGB 57. Aufl. § 24
Rdn. 19a), hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise anhand
der äußeren Umstände in Verbindung mit den
Aussagen der Zeugen K. und T. getroffen. Der Einlassung des in der
Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten I. gemäß
Vernehmungsniederschrift vom 8. Oktober 2008, er habe das Vorhaben
aufgegeben, weil ihm seine frühere
Strafverbüßung in den Sinn gekommen sei, musste die
Strafkammer nicht folgen. Auf die überflüssige
Anmerkung, dass I. bei dieser zweiten Aussage anwaltlich vertreten war,
hat das
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Landgericht seine Beweiswürdigung dabei nicht
gestützt. Die in diesem Zusammenhang von der Verteidigung
erhobene Inbegriffsrüge geht daher schon aus diesem Grunde ins
Leere.
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