BGH,
Beschl. v. 13.7.2000 - 4 StR 230/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 230/00
vom
13. Juli 2000
in der Strafsache gegen
wegen schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. Juli
2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Halle vom 7. Februar 2000 im Strafausspruch mit den Feststellungen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer
Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen
den Schuldspruch richtet. Der Strafausspruch kann jedoch nicht
bestehenbleiben.
Das Landgericht hat trotz der nur geringen Beute (ca. 200 DM Bargeld),
der finanziell angespannten Situation des Angeklagten, des (geringen)
Umfangs der angewendeten Gewalt und des spontanen Tatentschlusses einen
minder schweren Fall gemäß § 250 Abs. 3
StGB verneint. Hierbei hat es
- ebenso wie bei der Bemessung des Strafe - "die erhebliche kriminelle
Energie und die rechtsfeindliche Einstellung" des aus Liberia
stammenden Angeklagten strafschärfend gewertet und dazu
ausgeführt (UA 14):
"Er ging bei Durchführung der Tat an ein(em) Ort, an dem er
als Stammkunde bekannt war, offensichtlich davon aus, seine
Identifizierung sei für Europäer nicht
möglich, weshalb er für seine Tat nicht zur
Rechenschaft gezogen werden könne. Deshalb fühlte er
sich in der unmittelbaren Nähe des Asylbewerberheimes, in dem
er sich unter andere Schwarzafrikaner begeben konnte, so sicher,
daß er nach Beendigung der Tat noch kurz am Tatort verblieb,
um noch die bestellte Speise entgegenzunehmen."
Diese Erwägungen begegnen in mehrfacher Hinsicht
durchgreifenden rechtlichen Bedenken:
Zwar ist es rechtlich zulässig, die
planmäßige Verminderung seines
Überführungsrisikos als Ausdruck erheblicher
krimineller Energie des Täters anzusehen und
strafschärfend zu werten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Tatumstände 17 m.N.; BGH, Beschl. v. 11. Januar 2000 - 4 StR
611/99). Dies setzt aber voraus, daß der Täter
besondere Vorkehrungen trifft, um das
Überführungsrisiko zu mindern, etwa daß er
sich maskiert (vgl. BGH aaO) oder auf andere Weise sein Aussehen
verändert, Handschuhe trägt, die Kleidung oder das
Fluchtfahrzeug wechselt. Als eine solche, über die
bloße Tatbestandserfüllung hinausgehende, die Tat
nach der "Art der Ausführung" ( § 46 Abs. 2 StGB)
prägende, Verschleierungshandlung kann jedoch das
bloße Ausnutzen des ihm von der Natur vorgegebenen und ihm
deshalb nicht vorwerfbaren äußeren
Erscheinungsbildes nicht gewertet werden. Die strafschärfenden
Berücksichtigung eines solchen in der Person des
Täters liegenden Umstandes ist rechtlich unzulässig,
wenn dem Täter damit - wie hier - lediglich (nochmals)
angelastet wird, daß er die Tat überhaupt begangen
hat, anstatt davon Abstand zu nehmen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs.
2 Wertungsfehler 14).
Soweit das Landgericht angenommen hat, der Angeklagte sei
"offensichtlich" davon ausgegangen, "seine Identifizierung sei
für Europäer nicht möglich," beruht die
Beweiswürdigung nicht auf einer tragfähigen,
verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage,
sondern erweist sich die vom Landgericht insoweit gezogene
Schlußfolgerung - wie die Revision zu Recht rügt -
als bloße Vermutung, die letztlich nicht mehr als einen
Verdacht zu begründen vermag (vgl. BGHR StPO § 261
Vermutung 11 m.N.). Die dieser Annahme zugrundeliegenden
Erwägungen sind zudem in sich widersprüchlich. Der
Angeklagte war Stammkunde bei der Tankstelle (dem Tatort) und
mußte jedenfalls - wie es auch geschah - mit der
Identifizierung durch die zur Tatzeit in dem Nachtschalter der
Tankstelle arbeitende Frau H. rechnen, bei der er unmittelbar vor
Begehung der Tat eine Pizza bestellt hatte. Bei dieser Sachlage ist es
keineswegs "offensichtlich", daß der Angeklagte darauf
vertraute, seine Identifizierung sei nicht möglich.
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |