BGH,
Beschl. v. 13.6.2001 - 5 StR 78/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 78/01
vom 13. Juni 2001
in der Strafsache gegen
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juni 2001
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 30. Mai 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 47 Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren
beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat
lediglich zum Strafausspruch Erfolg.
A
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte von
1992 bis 1998 die "stille Liquidation" mehrerer ehemaliger
DDR-Betriebe, die am 1. Juli 1990 in Kapitalgesellschaften umgewandelt
worden waren und deren alleinige Gesellschafterin die Treuhandanstalt
bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die Bundesanstalt für
vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) war. Das
Anstellungsverhältnis zwischen dem Angeklagten und den
jeweiligen Abwicklungsgesellschaften war in Formularverträgen
geregelt, die von der Treuhand einheitlich für alle
Liquidatoren von "Treuhandgesellschaften i.L." entwickelt worden waren.
Als Vergütung war jeweils ein Pauschalhonorar vorgesehen, das
dem zweifachen Regelsatz gemäß § 2 und
§ 3 der Verordnung über die Vergütung des
Konkursverwalters ... vom 25. Mai 1960 (VergütVO) entsprechen
und auf der Basis der Teilungsmasse, die sich nach Abschluß
des Liquidationsverfahrens ergab, errechnet werden sollte. Bei
vorzeitiger Vertragsbeendigung, gleichviel aus welchen
Gründen, sollte dem Liquidator ein Honorar nur für
die bis zu seiner Kündigung erbrachten Leistungen zustehen.
Zudem enthielten die Verträge die folgende
"Öffnungsklausel":
"Die Vergütung kann durch Ansatz eines Multiplikators
erhöht werden. Die Höhe des Multiplikators wird im
Einzelfall abhängig von der Höhe der Teilungsmasse
sowie vom Umfang und Schwierigkeitsgrad des Abwicklungsverfahrens
einvernehmlich mit der Treuhand bestimmt. Ergeben sich während
oder nach der Beendigung des Liquidations-/Abwicklungsverfahrens
Umstände, die den Ansatz eines anderen Mulitplikators
rechtfertigen, so wird der Auftragnehmer einer angemessenen Anpassung
der Vergütung zustimmen. Eine sich ergebende
Überzahlung ist innerhalb von 14 Tagen nach Feststellung und
Zahlungsaufforderung auszugleichen."
Die Fälligkeit der Vergütung war wie folgt geregelt:
"Die Vergütung wird mit Abschluß des
Liquidationsverfahrens ... zur Zahlung fällig. Der
Auftragnehmer kann Abschlagszahlungen aufgrund eines vom Auftraggeber
nach Vertragsschluß aufzustellenden Zahlungsplans verlangen.
Der Zahlungsplan und die Abschlagszahlungen werden an die vom
Auftragnehmer aktualisierten Werte der Teilungsmasse
angepaßt."
Ausgehend von einer von beiden Vertragspartnern zunächst
veranschlagten durchschnittlichen Abwicklungsdauer von zwei Jahren
sahen die in Bezug genommenen Zahlungspläne Abschlagszahlungen
von 40 % nach drei Monaten und jeweils weiteren 20 % nach 12 bzw. 18
Monaten vor.
In der Folgezeit stellte sich jedoch heraus, daß die
Abwicklungen zum einen sehr viel länger dauerten, zum anderen
die Liquidatoren in qualitativer Hinsicht deutlich mehr beanspruchten
als ursprünglich erwartet. Nachdem zahlreiche Liquidatoren auf
ein zunehmendes Mißverhältnis zwischen Leistung und
Vergütung hingewiesen hatten, schlug der Abwicklungsbeirat der
Treuhand, der den Vorstand in allen Grundsatzfragen beriet, 1993 eine
Erhöhung der Liquidatorengrundvergütung auf den
vierfachen Regelsatz vor. Eine entsprechende Beschlußfassung
des Vorstandes der Treuhand erreichte er jedoch angesichts der massiven
Kritik der Öffentlichkeit an der generell als
überzogen empfundenen Honorarpraxis der Treuhand nicht.
Auch der Angeklagte vertrat die Auffassung, daß die von ihm
erbrachten Leistungen nicht angemessen honoriert würden,
insbesondere daß ein gegenüber dem zweifachen
Regelsatz deutlich höherer Multiplikator anzuwenden sei. Eine
Einigung über eine Anhebung der ihm zustehenden Honorare und
damit auch der Abschlagszahlungen mit den zuständigen Organen
der von ihm abzuwickelnden Gesellschaften kam jedoch trotz
grundsätzlich vorhandener Gesprächsbereitschaft
sowohl bei der Treuhand/BvS als Alleingesellschafterin der jeweiligen
Gesellschaften als auch beim Angeklagten nicht zustande. Aus
Verärgerung hierüber entnahm der Angeklagte im
Zeitraum von Oktober 1994 bis zu seiner Abberufung als Liquidator auch
der letzten von ihm vertretenen Gesellschaft im März 1998 dem
jeweiligen Gesellschaftsvermögen in 47 Fällen
über die in den Zahlungsplänen festgelegten
Abschlagszahlungen hinaus Beträge zwischen 5.000 DM und ca. 6
Mio. DM, insgesamt ca. 33 Mio. DM. Obwohl der Angeklagte die
entnommenen Beträge jeweils als in der Buchführung
der Gesellschaften als Liquidatorenhonorar verbuchte, bemerkte die
Treuhand/BvS die Entnahmen erst später, weil der Angeklagte
ein in den Richtlinien der Treuhand vorgesehenes Freigabeverfahren
nicht einhielt, das allerdings nicht ausdrücklich zum
Gegenstand der zwischen dem Angeklagten und den abzuwickelnden
Gesellschaften geschlossenen Liquidatorenverträge gemacht
worden war.
Gerichtlich machte der Angeklagte, der die Entnahmen einräumt,
einen Teil der nach ihm seiner Auffassung zustehenden erhöhten
Honorare erstmals im August 1997 geltend. Das zivilgerichtliche
Verfahren endete jedoch mit einem Prozeßurteil; eine
Entscheidung in der Sache ist bis zum Abschluß des
erstinstanzlichen Strafverfahrens nicht ergangen.
Rückzahlungsverlangen der BvS ist der Angeklagte bislang nicht
nachgekommen.
Auf der Grundlage eines von ihm eingeholten
Sachverständigengutachtens hat das Landgericht zugunsten des
Angeklagten angenommen, daß dieser Honoraransprüche
in Höhe der Entnahmen geltend machen könne.
Gleichwohl hat es das jeweilige Verhalten des Angeklagten als Untreue
gemäß § 266 StGB in der Form des
Mißbrauchstatbestandes gewertet, weil der Angeklagte die ihm
durch Rechtsgeschäfte eingeräumte Befugnis, als
Liquidator über das Vermögen der abzuwickelnden
Gesellschaften zu verfügen, dazu mißbraucht habe,
Honorarverpflichtungen der Gesellschaften zu erfüllen, obwohl
diese noch gar nicht entstanden, jedenfalls aber im Zeitpunkt ihrer
Erfüllung noch nicht fällig gewesen seien. Ein
Schaden sei den Abwicklungsgesellschaften daher in Höhe eines
Nutzungsausfalls der ihnen vorzeitig entzogenen Gelder entstanden.
Bezogen auf die Zeit von der pflichtwidrigen Entnahme der Honorare bis
zur Beendigung des mit der jeweiligen Gesellschaft geschlossenen
Liquidatorvertrages betrage dieser Schaden unter Zugrundelegung eines
jährlichen Zinssatzes von 4 % insgesamt ca. 1,7 Mio. DM.
B
I. Die vom Beschwerdeführer auf einen Verstoß gegen
§ 261 StPO gestützte Verfahrensrüge ist aus
den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten
Gründen unbegründet. Soweit das Landgericht aus den
vom Beschwerdeführer angeführten Urkunden nicht die
von ihm gewünschten Schlüsse zieht, berührt
dies nicht das Verfahren.
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
erhobenen Sachrüge hat zum Schuldspruch ebenfalls keinen den
Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt. Das Landgericht hat
einen Nachteil im Sinne von § 266 StGB im Ergebnis mit Recht
bejaht.
1. Bei den zwischen dem Angeklagten und den abzuwickelnden
Gesellschaften geschlossenen Anstellungsverträgen als
Liquidator handelt es sich um Dienstverträge, die die
Besonderheit aufweisen, daß die vom Angeklagten zu
erbringende Leistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder nach
ihrem qualitativen Umfang noch nach ihrer zeitlichen Dauer
zuverlässig einzuschätzen war. Diesem Umstand
trägt die sogenannte Öffnungsklausel Rechnung, die
eine einvernehmliche spätere Anpassung der Vergütung
zuläßt. Da es sich bei den Bestimmungen der
Öffnungsklausel um allgemeine Geschäftsbedingungen
(AGB) handelt, die die Treuhand als Alleingesellschafterin der
abzuwickelnden Gesellschaften - neben weiteren vorformulierten
Vertragsmustern - für den Abschluß von
Liquidatorenvereinbarungen in den neuen Bundesländern
verwendete (vgl. BGHZ 139, 309, 315), findet auf sie das Gesetz zur
Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(AGBG) Anwendung. Aus den Vorschriften dieses Gesetzes ergeben sich
gegen die Wirksamkeit der Klausel jedoch keine Bedenken.
Zwar kann - unbeschadet der rechtlichen Möglichkeiten der
§§ 315 ff. BGB - schon die Begründung eines
Leistungsbestimmungsrechts des Verwenders oder eines Dritten den
Vertragspartner unangemessen i. S. von § 9 Abs. 1 AGBG
benachteiligen, da die Transparenz des Vertragsinhalts
beeinträchtigt ist, der Vertragspartner bis zur Bestimmung der
Leistung über deren Umfang im Ungewissen bleibt und im Falle
unbilliger oder verzögerter Bestimmung eine gerichtliche
Entscheidung herbeiführen muß. Vorbehaltene
Leistungsbestimmungsrechte sind jedoch dann hinzunehmen, wenn nur auf
diese Weise einer unsicheren Entwicklung der Verhältnisse
Rechnung getragen werden kann und die Änderung der
Verhältnisse nicht zu den Risiken gehört, die der
Verwender der AGB nach Sinn und Zweck des Vertrages zu tragen hat
(Brandner in Ulmer-Brandner-Hensen, AGBG, 9. Aufl., Anhang
§§ 9 - 11 Rdn. 470).
So liegt es hier. Angesichts der Einzigartigkeit der historischen
Situation nach der wirtschaftlichen Vereinigung von DDR und
Bundesrepublik Deutschland mit ihren unterschiedlichen
Wirtschaftsordnungen und der daraus herrührenden Vielzahl im
voraus kaum kalkulierbarer Faktoren, die die vom Angeklagten bis zur
Liquidation der jeweiligen Gesellschaft zu erbringende Leistung
beeinflussen konnten, war die Öffnungsklausel sachgerecht und
geboten. Dies gilt umso mehr als eine Taxe oder übliche
Vergütung i. S. von § 612 Abs. 2 BGB, die
für die Vergütung zusätzlicher oder
höherwertiger Dienstleistungen gesondert herangezogen werden
könnte, für Fälle der vorliegenden Art nicht
in Betracht kam. Den Angeklagten nicht unbillig benachteiligend ist die
Öffnungsklausel insbesondere auch deshalb, weil darin weder
der jeweiligen Gesellschaft, vertreten durch die für den
Abschluß und die Änderung der
Liquidatorenverträge zuständigen Organe, noch der
Treuhand/BvS als einer den Abwicklungsgesellschaften als
Alleingesellschafterin wirtschaftlich aufs engste verbundenen Dritten
(vgl. dazu Brandner aaO Rdn. 620) ein alleiniges
Leistungsbestimmungsrecht zugestanden wird. Vielmehr sollte die
Leistungsbestimmung nach dem vom Landgericht festgestellten Willen der
Vertragsparteien durch beide Vertragspartner "im Einvernehmen" mit der
Treuhand erfolgen.
2. Ist die Bestimmung des Leistungsinhalts - wie hier -
nachträglicher Einigung durch die Vertragspartner,
gegebenenfalls unter Mitwirkung eines Dritten, vorbehalten, ist bei
fehlender Einigung § 315 Abs. 3 BGB analog anzuwenden (Battes
in Erman, BGB, 10. Aufl., § 315 Rdn. 2). Da im vorliegenden
Fall die jeweiligen Gesellschaften, insbesondere aber die Treuhand/BvS
als mitwirkungspflichtige Dritte eine vom Angeklagten beanspruchte
Anhebung seiner Honorare ablehnten, mußte der Angeklagte
daher zur Durchsetzung seiner Rechte auf eine nach billigem Ermessen zu
bemessende Leistung klagen und so eine gerichtliche Leistungsbestimmung
herbeiführen (vgl. Gottwald in Münchener Kommentar
zum BGB, 3. Aufl. § 315 Rdn. 30 ff.).
Obwohl es an entsprechenden Gestaltungsurteilen (vgl. dazu Gottwald
aaO) bislang fehlt und ein vom Langericht eingeholtes
Sachverständigengutachten lediglich auf den
ungeprüften Angaben des Angeklagten beruht, hat das
Landgericht aus prozeßökonomischen Gründen
insoweit auf eine weitere Aufklärung verzichtet und zugunsten
des Angeklagten unterstellt, daß ihm
Honoraransprüche (mindestens) in Höhe seiner
Entnahmen zustehen. Ob diese Verfahrensweise rechtlich
zulässig war, kann offenbleiben, weil sie den Angeklagten
nicht beschwert. Die zugunsten des Angeklagten erfolgte Unterstellung
ist so zu verstehen, daß dem Angeklagten nach Erhebung
entsprechender Leistungsklagen gegen die jeweiligen Gesellschaften
Ansprüche in Höhe der entnommenen
Geldbeträge rechtskräftig zugesprochen werden. Weiter
ist davon auszugehen, daß den jeweiligen Gestaltungsurteilen
nach dem Inhalt der Öffnungsklausel und deren Auslegung unter
Berücksichtigung von Treu und Glauben rückwirkende
Kraft zukommt (vgl. dazu BGH NJW 1996, 1748; 1978, 154;
Staudinger/Rieble (2001) § 315 Rdn. 220).
3. Ein durch die Entnahmen den Abwicklungsgesellschaften
zugefügter Vermögensschaden wird dadurch jedoch nicht
vollständig ausgeschlossen. Ob ein solcher Schaden eintritt,
hängt davon ab, ob die durch die
Vermögensverfügung herbeigeführte Rechtslage
im Einklang mit der materiellen Rechtsordnung steht (BGHR StGB
§ 266 Abs. 1 - Nachteil 46). Dies trifft hier insoweit zu, als
die Abwicklungsgesellschaften - auf der Grundlage der vom Landgericht
vorgenommenen Unterstellung - zur Erfüllung der dem
Angeklagten rückwirkend zustehenden Honoraransprüche
grundsätzlich verpflichtet und durch die vom Angeklagten
vorgenommenen Entnahmen von dieser Verpflichtung befreit worden sind.
Dem Vermögensnachteil steht ein Vermögenszuwachs in
gleicher Höhe gegenüber. Dementsprechend hat das
Landgericht mit Recht einen Vermögensschaden nicht in
Höhe der vom Angeklagten an sich selbst ausgezahlten Honorare
angenommen.
4. Das Verhalten des Angeklagten entsprach jedoch insofern nicht der
materiellen Rechtsordnung, als die von ihm beanspruchten
Honorarforderungen im Zeitpunkt der Entnahmen noch nicht
fällig waren.
a) Soweit der Angeklagte vor Abschluß seiner
Tätigkeit im Rahmen der Anstellungsverträge
Abschlagszahlungen auf die Regelvergütung entnommen hat, die
über 80 % des Pauschalhonorars hinausgingen, liegt dies
angesichts der eindeutigen vertraglichen Regelungen auf der Hand.
b) Zum Zeitpunkt der Entnahmen standen ihm jedoch auch keine
Abschlagszahlungen zu, die sich aus der sogenannten
Öffnungsklausel durch den Ansatz eines höheren
Multiplikators und eines sich daraus ergebenden höheren
Pauschalhonorars rechtfertigen könnten.
Unabhängig von der Frage, ob die gerichtliche
Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 BGB
im Einzelfall Rückwirkung entfaltet, wird die vom Schuldner zu
erbringende Leistung erst mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils
fällig (BGHZ 122, 32, 45 f.; BGH NJW 1996, 1054, 1056; Battes
in Erman, BGB, 10. Aufl., § 315 Rdn. 13; Heinrichs in Palandt,
BGB, 60. Aufl. § 284 Rdn. 13; § 315 Rdn. 13). Vorher
gerät der Schuldner grundsätzlich nicht in Verzug
(Staudinger/Rieble (2001) § 315 Rdn. 219, 221; Gottwald in
Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 315 Rdn. 27;
Heinrichs aaO). Da solche Gestaltungsurteile bislang nicht ergangen,
geschweige denn rechtskräftig geworden sind, konnte
für die erhöhten Honorarforderungen des Angeklagten
keine Fälligkeit eintreten.
Gleiches gilt für Abschlagszahlungen im Vorgriff auf
künftig fällig werdende Honorarforderungen. Zwar
waren derartige Abschlagszahlungen durch die jeweiligen
Anstellungsverträge nicht grundsätzlich
ausgeschlossen (insoweit mißverständlich UA 68
oben). Vielmehr ergibt sich - wie das Landgericht im Ergebnis auch
nicht verkannt hat - aus der Öffnungsklausel in Verbindung mit
der vertraglichen Regelung über Abschlagszahlungen,
daß auch der Zahlungsplan und die Höhe der
jeweiligen Abschlagszahlungen einer nachträglichen Anpassung
zugänglich sein sollten. Nach Sinn und Zweck der
Öffnungsklausel sollte eine Anpassung von Abschlagszahlungen
(soweit es sich nicht lediglich um eine Anpassung entsprechend der vom
Angeklagten aktualisierten Werte der Teilungsmasse handelte) aber
ersichtlich in gleicher Weise erfolgen wie eine Anpassung des
Pauschalhonorars insgesamt, d. h. entweder durch eine Einigung der
Vertragsparteien im Einvernehmen mit der Treuhand/BvS oder durch
gerichtliche Bestimmung. Solange über die Berechtigung eines
erhöhten Pauschalhonorars nicht einmal ein Mindestkonsens der
nach der Öffnungsklausel zu Nachverhandlungen verpflichteten
Beteiligten erreicht war, fehlte es für zusätzliche
Abschlagszahlungen über den ursprünglichen
Zahlungsplan hinaus an jeglichen Anknüpfungskriterien
für deren zeitliche und betragsmäßige
Festsetzung. Auch insoweit hätte es daher hier mangels
Einigung der Vertragsparteien und der Treuhand/BvS aus Gründen
der Rechtsklarheit der gerichtlichen Bestimmung bedurft, wie sie im
übrigen § 7 VergütVO für den
Konkursverwalter in vergleichbarer Situation vorsieht. Bis zum Sommer
1997 hatte sich der Angeklagte jedoch bereits in 44 der insgesamt 47
abgeurteilten Fälle eigenmächtig Abschlagszahlungen
zugebilligt, ohne eine gerichtliche Leistungsbestimmung auch nur in
Angriff zu nehmen. Bis zum Abschluß des landgerichtlichen
Strafverfahrens standen ihm daher auch keine fälligen
Ansprüche auf Abschlagszahlungen zu.
Durch den Abzug liquider Geldmittel zur Begleichung nicht
fälliger Forderungen ist den Abwicklungsgesellschaften daher
ein Nachteil i. S. von § 266 StGB entstanden, weil ihnen die
wirtschaftliche Nutzung dieser Geldmittel zu Unrecht entzogen wurde. Ob
etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn dem Angeklagten
zusätzliche Vergütungen in beträchtlicher
Höhe offensichtlich zugestanden hätten, die
Weigerungshaltung der Treuhand/BvS bzw. der in ihrem Eigentum stehenden
Abwicklungsgesellschaften daher auf eine mutwillige Benachteiligung des
Angeklagten gerichtet gewesen wäre, kann offenbleiben, weil
diese Voraussetzungen nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei
getroffenen, für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen
nicht vorliegen.
5. Da das Landgericht nicht im einzelnen aufzuklären
vermochte, welche Entnahmen der Angeklagte im Blick auf die
Regelvergütung, welche im Blick auf eine erhöhte
Vergütung auf der Grundlage der Öffnungsklausel
vorgenommen hat, hat es bei der Berechnung des Zinsschadens den
maßgeblichen Zeitraum durch die Abberufung des Angeklagten
von seinen Liquidatorenämtern begrenzt. Dadurch wird der
Angeklagte nicht beschwert.
6. Entgegen der Auffassung der Revision vermag es den Angeklagten auch
nicht zu entlasten, daß die Abwicklungsgesellschaften im
Verhältnis zur Treuhand verpflichtet gewesen sein
mögen, liquide Mittel zur Rückzahlung ihnen von der
Treuhand zur Verfügung gestellter zinsloser Darlehen zu
verwenden. Allein die Nutzungsmöglichkeit liquider Geldmittel
als solche stellt einen Vermögenswert dar, den das Landgericht
in Anlehnung an die § 849, § 246 BGB mit einem
Mindestwert von 4 % p.a. zutreffend bewertet hat.
7. Schließlich entfällt ein Schaden nicht, wie der
Beschwerdeführer meint, weil zwischen den Ansprüchen
der Abwicklungsgesellschaften wegen entgangener
Nutzungsmöglichkeit liquider Geldmittel und den vom
Landgericht zugunsten des Angeklagten unterstellten
Honoraransprüchen eine Aufrechnungsgrundlage bestanden habe.
Im maßgeblichen Zeitraum war der Angeklagte mangels
Fälligkeit seiner Forderungen zu einer Aufrechnung nicht
berechtigt. Eine spätere Aufrechnung, der zudem § 393
BGB entgegenstünde, wäre lediglich
Schadenswiedergutmachung, die den Schuldspruch unberührt
ließe.
8. Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite weisen keinen
Rechtsfehler auf. Daß sich das Landgericht insbesondere
aufgrund von Schreiben des Angeklagten an die Treuhand die
Überzeugung gebildet hat, der Angeklagte habe
gewußt, daß er zum Zeitpunkt der Entnahmen
Honorarverbindlichkeiten der Abwicklungsgesellschaften nicht
eigenmächtig vorzeitig "fällig stellen" durfte,
stellt eine zulässige tatrichterliche Würdigung dar.
III. Der Strafausspruch hat dagegen keinen Bestand.
Zutreffend hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten eine Vielzahl
strafmildernder Umstände, wie die lange
zurückliegende Tatzeit, fehlende Vorstrafen,
Teilgeständigkeit und gewisse Einsicht des Angeklagten, die
Dauer des Verfahrens und der erlittenen Untersuchungshaft sowie die
zusätzliche Belastung des Angeklagten durch die Vollstreckung
zivilrechtlicher persönlicher Arreste berücksichtigt.
Wenn es gleichwohl Einzelstrafen, die Geldstrafen von zehn bis 120
Tagessätzen sowie Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und
ein Jahr und neun Monaten umfassen, verhängt und auf eine
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erkannt hat,
ist dies ersichtlich auf die beträchtliche Gesamtsumme des
Nutzungsausfallschadens in Höhe von insgesamt 1,7 Mio. DM
zurückzuführen.
Diese Betrachtung trägt den Besonderheiten des Falles jedoch
nicht hinreichend Rechnung. So hat das Landgericht, obwohl es
wertmäßig einen Anspruch des Angeklagten in
Höhe der Entnahmen angenommen hat, insbesondere nicht
erkennbar bedacht, daß die Schadenshöhe ganz
überwiegend auf die Nachlässigkeit des Angeklagten in
der Wahrnehmung seiner eigenen, nach den Feststellungen des
Landgerichts berechtigten Interessen zurückzuführen
ist. Hätte er, wie es der Regelung des § 315 Abs. 3
BGB entsprach, unverzüglich Klage auf Zahlung weiterer, dem
gestiegenen Umfang der von ihm erbrachten Leistungen angemessene
Abschlagszahlungen erhoben, wären die
Abwicklungsgesellschaften alsbald durch Urteile zu entsprechenden
Leistungen verpflichtet worden. Damit hätte sich der
Zinsschaden deutlich verringert. Rechtmäßiges
Verhalten des Angeklagten hätte daher ebenfalls dazu
geführt, daß den Abwicklungsgesellschaften durch -
gerichtlich bestimmte - Honoraransprüche liquide Mittel
entzogen worden wären. Zwar ändert dies nichts an der
Feststellung, daß der Angeklagte die Erfüllung
seiner Honoraransprüche noch nicht beanspruchen konnte. Es
relativiert jedoch die Bedeutung, die sein Fehlverhalten für
die wirtschaftliche Situation der Abwicklungsgesellschaften hatte,
beträchtlich. Auch kann nicht unberücksichtigt
bleiben, daß die Treuhand/BvS als Alleingesellschafterin der
Abwicklungsgesellschaften durch ihr zögerliches, schwankendes,
über längere Zeiträume schwer
überschaubares Verhalten bezüglich der Entlohnung von
Liquidatoren am Fehlverhalten des Angeklagten eine gewisse
Mitverantwortung trifft. Die Strafe muß daher unter
Berücksichtigung dieser Besonderheiten neu und naheliegend
deutlich niedriger zugemessen werden.
Harms Tepperwien Gerhardt
Raum Brause
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