BGH,
Beschl. v. 13.3.2001 - 4 StR 567/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 567/00
vom
13. März 2001
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13.
März 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dortmund vom 17. Juli 2000
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in drei
tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit ("3-facher", UA 43) gefährlicher
Körperverletzung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe
verurteilt. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der
Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat
insoweit Erfolg, als die Verurteilung wegen versuchten Totschlags
entfällt; im übrigen ist es unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen stach der Angeklagte bei einer
tätlichen Auseinandersetzung vor einem Tanzlokal aufgrund
einheitlichen Tatentschlusses "in unmittelbarer Abfolge" mit einem
Messer jeweils einmal auf drei chinesische Lokalbesucher ein, bis er
durch den herbeigeeilten Lokalbesitzer "gewaltsam noch mit dem Messer
in der Hand von einem der Chinesen weggezogen wurde". Hinsichtlich des
einen Geschädigten (T. ) handelte er mit bedingtem
Tötungsvorsatz. Die Reihenfolge, in der der Angeklagte die
Stiche geführt hat, konnte nicht sicher festgestellt werden.
Zur Frage des strafbefreienden Rücktritts von dem versuchten
Tötungsdelikt hat das Landgericht folgende Feststellungen
getroffen (UA 11 f.):
"Der Angeklagte erkannte in dem Moment, als der [Lokalbesitzer] ihn
gewaltsam wegzog, daß er den T. vermutlich nicht unmittelbar
tödlich getroffen hatte. Ob er nun noch weitere Stiche gegen
die Chinesen und insbesondere den T. ausführen wollte oder
nicht, konnte letztlich nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt
werden.
Fest steht jedoch, daß der Angeklagte durch das sofortige
gewaltsame Einschreiten des [Lokalbesitzers] an der
Durchführung weiterer gegen die Chinesen und insbesondere
gegen den T. gerichteter Stiche objektiv gehindert war und
daß der Angeklagte dies in dem Moment auch erkannt hatte. Ihm
war deshalb klar, daß er nicht weiter stechen konnte, selbst
wenn er das in dem Moment gewollt hätte."
2. Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt vom
(unbeendeten) Totschlagsversuch verneint, weil der Angeklagte die
weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben habe,
sondern er durch den Lokalbesitzer gewaltsam daran gehindert worden sei
(UA 39). Das hält - wie die Revision zu Recht beanstandet -
rechtlicher Überprüfung nicht stand:
Für den Angeklagten reichte es zum strafbefreienden
Rücktritt vom Totschlagsversuch aus, daß er
freiwillig die weitere Ausführung der Tat (Tötung des
T. ) aufgab (§ 24 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. StGB). Da nicht
festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte weitere Stiche gegen den
T. ausführen wollte, ist zu seinen Gunsten davon auszugehen,
daß er - ohne durch eine Zwangslage an der Tatvollendung
gehindert worden zu sein (vgl. BGHSt 35, 184, 186; BGHR StGB §
24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 21, 22, 26) - nicht wei-terstechen
wollte. Damit hat er - schon vor dem Eingreifen des Lokalbesitzers -
freiwillig die weitere Tatausführung aufgegeben und ist
strafbefreiend vom Totschlagsversuch zurückgetreten. Das
nachfolgende Einschreiten des Lokalbesitzers ist für die Frage
des Rücktritts rechtlich ohne Bedeutung.
3. Da ausgeschlossen werden kann, daß in einer neuen
Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden
können, die einen Schuldspruch wegen versuchten Totschlags
tragen könnten, ändert der Senat den Schuldspruch
dahin ab, daß der Angeklagte der gefährlichen
Körperverletzung in drei tateinheitlich zusammentreffenden
Fällen schuldig ist.
4. Auch wenn das Landgericht die Strafe nicht dem Strafrahmen des
Totschlagsdelikts, sondern dem des § 224 Abs. 1 1. Alt. StGB
entnommen hat, kann der Senat nicht ausschließen,
daß der Strafausspruch auf der rechtsfehlerhaften
Verurteilung wegen versuchten Totschlags beruht. Die Strafe
muß daher neu zugemessen werden.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein
Athing Ernemann |