BGH,
Beschl. v. 13.11.2001 - 4 StR 408/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 408/01
vom
13. November 2001
in der Strafsache gegen
wegen Förderung der Prostitution u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13.
November 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bochum - Auswärtige Strafkammer Recklinghausen - vom 4. Mai
2001 mit den Feststellungen aufgehoben
1. in den Fällen II B 1 bis 3 der Urteilsgründe,
2. im Ausspruch über die Gesamtstrafe, den Verfall von
Wertersatz und den Verfall von 4.783,50 DM.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand- lung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (dirigierender)
Zuhälterei in Tateinheit mit Förderung der
Prostitution in jeweils drei Fällen (Fälle II B 1 bis
3 der Urteilsgründe) sowie wegen Betruges in zwei
Fällen (Fälle II A 1 und 2) zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Verfall von
Wertersatz in Höhe von 256.000 DM angeordnet und einen
sichergestellten Bargeldbetrag (4.783,50 DM) für verfallen
erklärt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten,
mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat teilweise
Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen zu den Fällen II B 1 bis 3 der
Urteilsgründe unterhielt der Angeklagte einen "barartigen
Betrieb", in dem Prostituierte osteuropäischer Herkunft
beschäftigt waren, die "potentielle Freier ansprachen und
diese zu weiterem Verzehr oder der Inanspruchnahme sexueller
Dienstleistungen animierten"; zu "letzterem Zweck" verfügte
die Bar über zwei Räume, die der Angeklagte mit
Betten versehen hatte. Mit den Prostituierten bzw. deren
Zuhältern führte der Angeklagte
"Einstellungsgespräche", in denen er sich
regelmäßig versicherte, daß die Frauen
freiwillig der Prostitution nachgingen. Er gab ihnen vor,
während der "Öffnungszeiten" (von 20.00 Uhr bis 5.00
Uhr) zur Prostitution in der Bar bereit zu sein, kaufte für
sie Kondome und setzte den Dirnenlohn, den sie verlangen und
vereinnahmen sollten, fest; hiervon und von dem Erlös
für die verkauften Getränke verlangte er 50 %
für sich. Die Abrechnung erfolgte täglich nach
Schließung der Bar. Der Angeklagte brachte die Frauen zu den
vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchungen zum Gesundheitsamt
und stellte ihnen, sofern sie dies wünschten, für
einen Mietpreis von 15, DM pro Tag eine Wohnung zur Verfügung.
2. Diese Feststellungen tragen zwar die Verurteilung wegen
Förderung der Prostitution nach § 180 a Absatz 1 Nr.
2 StGB (vgl. BGH NJW 1987, 3209, 3210; Lackner/Kühl StGB 24.
Aufl. § 180 a Rdn. 4 m.w.N.), nicht aber die - wie das
Landgericht (ohne dies zu begründen) meint (UA 12) -
gemäß § 180 [a] Absatz 1 Nr. 1 StGB und
auch nicht die wegen (tateinheitlich begangener) Zuhälterei.
a) Daß Prostituierte in persönlicher oder
wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten wurden (§ 180
a Abs. 1 Nr. 1 StGB), ist den Feststellungen nicht zu entnehmen (zu den
Tatbestandsvoraussetzungen des § 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB vgl.
Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 180 a Rdn. 3).
b) Ausbeuterische Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 1
StGB) ist ebenfalls nicht belegt, weil ein
planmäßiges und eigensüchtiges Ausnutzen
der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer
spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der
Prostituierten geführt hat (vgl. BGH NStZ 1989, 67; 1999, 349,
350), nicht festgestellt ist.
c) Auch der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei
(§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) ist durch die bisherigen
Feststellungen nicht gedeckt: Dieser setzt nämlich in allen
Begehungsweisen eine bestimmende Einflußnahme auf die
Prostitutionsausübung voraus; eine bloße
Unterstützung reicht nicht aus (BGHR StGB § 181 a
Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2). Das Verhalten muß vielmehr
geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom
Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu
beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer
Prostitutionsausübung anzuhalten oder in ihrer
Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen
(BGH StV 2000, 357, 361 m.w.N.).
3. Der Senat kann nicht ausschließen, daß in einer
neuen Hauptverhandlung - über die geständige
Einlassung des Angeklagten hinaus - weitergehende Feststellungen
getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen
Förderung der Prostitution (auch) gemäß
§ 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB und Zuhälterei
rechtfertigen können (zum Konkurrenzverhältnis vgl.
Tröndle/Fischer a.a.O. § 180 a Rdn. 15, §
181 a Rdn. 16 f.). Er hebt daher das Urteil in den Fällen II B
1 bis 3 der Urteilsgründe auf. Dies zieht den Wegfall der
insoweit verhängten Einzelstrafen, der Gesamtstrafe und der
Verfallsanordnungen nach sich. Die wegen Betruges verhängten
Einzelstrafen können dagegen bestehen bleiben; denn sie werden
von dem Rechtsfehler nicht berührt.
Der neu entscheidende Tatrichter wird zu beachten haben, daß
durch das am 19. Oktober 2001 vom Deutschen Bundestag bereits
verabschiedete Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von
Prostituierten (Prostitutionsgesetz - ProstG) beabsichtigt ist,
§ 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB aufzuheben und § 181 a Abs.
2 StGB neu zu fassen (vgl. BTDrucks. 14/5958 S. 3, 5, 6; BRDrucks.
817/01). Falls der Verfall von Wertersatz in Betracht kommen sollte,
wird eingehender als bisher § 73 c StGB zu erörtern
sein.
Tepperwien Maatz Kuckein Athing Solin-Stojanovic |