BGH,
Beschl. v. 13.9.2000 - 2 StR 358/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 358/00
vom
13. September 2000
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 13. September 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Erfurt vom 28. Februar 2000 im Rechtsfolgenausspruch mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Anordnung einer
Maßregel der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt. Der Angeklagte
rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und
materiellen Rechtes. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in
dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg
(§ 349 Abs. 4 StPO); im übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Rechtsfolgenausspruch war mit den Feststellungen aufzuheben. Der
Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
"1. Der Tatrichter hat ausdrücklich zum Nachteil des
Beschwerdeführers berücksichtigt, dass er
´die Tat mit direktem Vorsatz begangen hat´, und
zwar bei der Prüfung und Ablehnung der Voraussetzungen eines
minder schweren Falles (UA S. 30) und - im Wege der Bezugnahme auf
diesen Umstand - auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne (UA S.
31). Das ist rechtsfehlerhaft. Der Tatbestand des Totschlags setzt
vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren Regelfall die
Tötung mit direktem Vorsatz ist. Der Umstand, dass ein
Angeklagter mit direktem Vorsatz gehandelt hat, darf daher als solcher
nicht straferschwerend berücksichtigt werden
(ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGHR StGB § 46
Abs. 3 Tötungsvorsatz 3, 4, 6). Es kann nicht
gänzlich ausgeschlossen werden, dass die gegen den
Beschwerdeführer verhängte Strafe ohne diese
rechtsfehlerhafte Erwägung milder ausgefallen wäre.
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch, dass der
Tatrichter es abgelehnt hat, gegen den Beschwerdeführer eine
Maßregel nach § 64 StGB zu verhängen.
Der Angeklagte hat - wovon der sachverständig beratene
Tatrichter auch ausgegangen ist - seit Jahren den Hang, alkoholische
Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen. Die
beiden Vorstrafen des Beschwerdeführers sind im Zusammenhang
mit - zum Teil erheblichem - Alkoholkonsum begangen worden (UA S. 4).
Nach den Feststellungen geht der Angeklagte, wenn er unter
Alkoholeinfluss steht, Streit nicht aus dem Weg und mischt sich in
Angelegenheiten anderer ein, was schon zu tätlichen
Auseinandersetzungen führte (UA S. 4). Die
verfahrensgegenständliche Tat beging der
Beschwerdeführer erheblich alkoholisiert (maximale Tatzeit -
Blutalkoholkonzentration von 3,33 o/oo), was zu einer erheblichen
Verringerung seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne von
§ 21 StGB führte (UA S. 24). Danach ist die Annahme
des Tatrichters, zwischen dem Hang des Beschwerdeführers,
alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu
nehmen und der Tat bestehe kein ursächlicher Zusammenhang,
ebenso wenig nachvollziehbar, wie die vom Tatrichter verneinte Gefahr
künftiger erheblicher Straftaten des Angeklagten infolge
seines Hanges. Die Schwurgerichtskammer hat offenbar verkannt, dass die
von § 64 Abs. 1 StGB geforderte Gefahr allein durch die
Anlasstat begründet werden kann (vgl. BGHR StGB § 64
Abs. 1 - Gefährlichkeit 2; BGH, Beschluss vom 11.
März 1997 - 5 StR 29/97; Tröndle/Fischer §
64 Rdnr. 6) und dass sie durch eine hangbedingte schwere Gewalttat
- wie die vorliegende - auch regelmäßig hinreichend
belegt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2000 - 5 StR 289/00).
Die Frage, ob der Angeklagte gemäß § 64
StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist, bedarf daher der
nochmaligen Prüfung unter Berücksichtigung dieser
Rechtsgrundsätze.
Da nicht auszuschließen ist, dass zwischen der Höhe
der Freiheitsstrafe und einer angeordneten Maßregel eine
Wechselwirkung besteht, die zu einer milderen Strafe führen
könnte, kann der Strafausspruch auch aus diesem Grunde keinen
Bestand haben."
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
Jähnke Maatz Rothfuß
Fischer Elf |