BGH,
Beschl. v. 14.2.2007 - 5 StR 13/07
5 StR 13/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
14.02.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14.02.2007
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 7. September 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO in den
Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht Berlin hat die Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung in drei Fällen, jeweils in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
verurteilt, gegen den Angeklagten B. hat es auf eine
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, gegen den Angeklagten T. auf
eine solche von fünf Jahren erkannt. Hiergegen wenden sich die
Angeklagten mit ihren auf die Sachrüge gestützten
Revisionen, die sie jeweils nur hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs
- der Angeklagte B. strebt die Anordnung der Maßregel des
§ 64 Abs. 1 StGB an - näher ausführen.
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Die Rechtsmittel haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im
Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Begründung für die Nichtanordnung der
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält für
beide Angeklagte rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Das Landgericht hat - sachverständig beraten - bei dem
Angeklagten B. ein Abhängigkeitssyndrom mit daraus
resultierender schwerer Persönlichkeitsveränderung
festgestellt, welches einen Hang im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB
begründe. Weiter ist es davon ausgegangen, dass er und der
Angeklagte T. die Taten begangen haben, um sich mit der Beute
„die täglich benötigte
Drogendosis” zu beschaffen, da sie Angst vor
Entzugserscheinungen gehabt haben. Jedoch hat es einen symptomatischen
Zusammenhang zwischen dem Hang und den Taten verneint. Denn der
Angeklagte habe zur Milderung der Auswirkungen seiner
Borderline-Persönlichkeitsstörung mit dem
Drogenkonsum begonnen und sei dann abhängig geworden. Die
Taten seien daher nur „vordergründig auf den Hang
zurückzuführen” (UA S. 16). Jedenfalls aber
sei eine Entziehungskur aussichtslos. Dies begegnet durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
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Zwar muss zwischen dem im § 64 Abs. 1 StGB vorausgesetzten
Hang zum Konsum berauschender Mittel im Übermaß und
den Taten sowie der zukünftigen Gefährlichkeit ein
symptomatischer Zusammenhang bestehen (BGHR StGB § 64
Zusammenhang, symptomatischer 1 und 2), jedoch kann dieser mit den
Erwägungen des Landgerichts nicht in Frage gestellt werden.
Bei der abgeurteilten massiven Beschaffungskriminalität
besteht ein evidenter Zusammenhang zwischen Hang und Straftaten, der
auch in früheren Verurteilungen des Angeklagten wegen aufgrund
Betäubungsmittelabhängigkeit begangener Straftaten
deutlich wurde. Dies lässt sich durch den Verweis auf die
Borderline-Störung, die Anlass für die Entwicklung
der Abhängigkeit sein mag, nicht entkräften. So fehlt
es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der Angeklagte -
etwa aufgrund der Persönlichkeitsstörung - trotz
erfolgreicher Behandlung seiner Sucht im gleichen Maße
gefährlich im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB
wäre (vgl. hierzu BGHR aaO).
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- 4 -
Den Urteilsgründen kann auch nicht entnommen werden, dass bei
dem therapiewilligen Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht
eines Behandlungserfolges (i. S. v. BVerfGE 91, 1) nicht besteht.
Soweit das Landgericht - im Anschluss an den Sachverständigen
- darauf abstellt, dass die Persönlichkeitsstörung
einem therapeutischen Ansatz mit Gruppengesprächen
entgegenstehe, fehlen Darlegungen dazu, wieso keine eine
adäquate Behandlung des Angeklagten gewährleistende
Therapieform in Betracht kommt, die hinreichend konkrete
Erfolgsaussichten bietet. Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung und
praktischen Durchführung der Maßregel
dürfen grundsätzlich nicht die Entscheidung
über deren Anordnung beeinflussen, solange die
übrigen Voraussetzungen vorliegen (vgl. BGHR StGB §
64 Abs. 2 Aussichtslosigkeit 6). Allein das Scheitern einer
länger als elf Jahre zurückliegenden
Entwöhnungstherapie - zu deren Behandlungskonzept nichts
bekannt ist - lässt nicht den Schluss auf die Erfolglosigkeit
jedweden Therapieansatzes zu.
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b) Bei dem Angeklagten T. hat das Landgericht - ohne insoweit
sachverständig beraten worden zu sein - einen auf seiner
Heroinsucht beruhenden Hang im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB
festgestellt, jedoch von der Anordnung der Maßregel
abgesehen, da von dem Angeklagten keine suchtbedingten Straftaten mehr
zu erwarten seien. Denn er habe sich während der
Untersuchungshaft von Drogen ferngehalten und sei abstinenzwillig. Dies
kann angesichts der Feststellungen, dass der Angeklagte die
ausgeurteilten schwerwiegenden Taten aufgrund seines Hangs begangen
hat, einer Gefährlichkeitsprognose nicht entgegenstehen.
Allein der bekundete Abstinenzwille reicht angesichts der nach den
Feststellungen bereits seit 1995 bestehenden
Heroinabhängigkeit des Angeklagten, die zu seinem sozialen
„Abstieg“ bis hin zur Obdachlosigkeit
führte, ersichtlich nicht aus, die Gefährlichkeit zu
beseitigen. Dies verkennt letztlich das Landgericht auch nicht, wenn es
ausführt, der Angeklagte bedürfe weiterhin ambulanter
Therapie. Danach liegt es aber nahe, dass die hangbedingte
Gefährlichkeit fortbesteht.
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2. Nunmehr wird - unter Hinzuziehung von Sachverständigen auch
für den Angeklagten T. - über die
Maßregelfrage erneut zu entscheiden sein. Der Senat hat den
jeweiligen Rechtsfolgenausspruch in vollem Umfang aufgehoben, um dem
neuen Tatrichter die Möglichkeit zu geben, auch die Einzel-
und Gesamtfreiheitsstrafen unter Berücksichtigung von etwaigen
Maßregelanordnungen neu festzusetzen, zumal deren Auswirkung
auf die Strafaussprüche sich hier nicht ausschließen
lässt.
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Basdorf Häger Raum
Brause Jäger |