BGH,
Beschl. v. 14.1.2003 - 5 StR 580/02
5 StR 580/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 14. Januar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Januar 2003
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 17. September 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu 13 Jahren
Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat
hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs mit der Sachrüge
Erfolg; den Schuldspruch betreffend ist das Rechtsmittel
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Begründung des Tötungsvorsatzes (UA S. 24 f.)
ist vor dem Hintergrund des rechtsfehlerfrei festgestellten Tatbildes
auch ohne Rücksicht auf den Grad der Enthemmung des
Angeklagten ersichtlich nicht zu beanstanden.
2. Die Feststellungen zur alkoholbedingten Beeinträchtigung
der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat
leiden unter einer unrichtigen Bestimmung der
Tatzeit-Blutalkoholkonzentration. Prinzipiell hat das Schwurgericht die
Bestimmung nach Blutentnahmewert, Tatzeit und festgestelltem Nachtrunk
unter gebotener Berücksichtigung des dabei unterschiedlich
anzuwendenden Zweifelssatzes zutreffend berechnet (vgl. BGH,
Beschluß vom 24. August 1993 - 4 StR 452/93). Indes hat das
Schwurgericht der Berechnung des abzuziehenden Nachtrunks versehentlich
- trotz sachverständiger Beratung - als Wert für die
Alkoholmenge den des ermittelten Alkohol-Volumens (224 ml)
ungekürzt zugrunde gelegt (UA S. 26) und nicht zuvor die zur
Ermittlung der maßgeblichen Gramm-Zahl gebotene Umrechnung
durch Multiplikation des Volumenwertes mit einem Faktor von rund 0,8
vorgenommen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. §
20 Rdn. 14; Grüner/Rentschler, Manual zur
Blutalkoholberechnung 1976 Seite 4 f.). Bei zutreffender Berechnung
wäre eine Tatzeit-Blutalkoholkonzentration nicht lediglich von
1,25 %, sondern von annähernd 2 % in Betracht gekommen, die
zudem schon wegen der ähnlichen Alkoholisierung des Opfers (UA
S. 12) eher plausibel erscheint. Abgesehen von diesem Fehler
hätte es sich auch anbieten können, den vom
Angeklagten selbst - nicht sehr präzise (vgl. UA S. 14, 18) -
angegebenen Nachtrunk von einer Flasche Goldbrand als
möglicherweise überhöht kritisch zu
hinterfragen und eine Kontrollrechnung mit eventuellen Angaben des
Angeklagten zur Trinkmenge vor Tatbegehung (vgl. UA S. 17) zu versuchen.
Bei dem rechtsfehlerfrei festgestellten Tat- und Nachtatverhalten
scheidet ein Vollrausch aus. Auch im Blick auf die festgestellten
Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten (UA S. 27)
läßt sich indes eine erhebliche Verminderung seines
Hemmungsvermögens bei Tatbegehung im Sinne des § 21
StGB nach rechtsfehlerfreier Bestimmung seiner Alkoholisierung nicht
ausschließen, ebensowenig eine deshalb mögliche
Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB.
3. Der neue Tatrichter sollte zwar bei einer erneuten
strafschärfenden Berücksichtigung des naheliegend
durch die dissoziale Persönlichkeit des Angeklagten
geprägten Nachtatverhaltens zurückhaltend sein, er
wird aber die zutreffend hervorgehobenen strafschärfenden
Gesichtspunkte aus dem - auch bei Bejahung des § 21 StGB,
wenngleich nicht uneingeschränkt, strafschärfend zu
berücksichtigenden - massiven Tatbild und aus der
Nähe der Tat zu einem aus niedrigen Beweggründen
begangenen Mord (UA S. 31) wiederum erheblich erschwerend zu
berücksichtigen haben.
Auch über die Verhängung eventueller
Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB wird - ohne
daß das Urteil insoweit für sich Anlaß zu
durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken gegeben hätte -
erneut mit sachverständiger Hilfe zu befinden sein (§
358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dabei werden für § 63 StGB
auch die Grundsätze von BGHSt 44, 338 zu beachten sein. Ferner
wird zur Frage einer Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt (vgl. BVerfGE 91, 1) auf die in BGHR StGB §
64 Abs. 2 Aussichtslosigkeit 4 und bei Tröndle/Fischer (aaO
§ 64 Rdn. 14 m. w. N.) genannten Argumente hingewiesen.
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