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BGH, Beschluss vom 14. Januar 2009 - 2 StR 565/08


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 14.1.2009 - 2 StR 565/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 565/08
vom
14. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 14. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt; von der Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB hat es abgesehen. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur überwiegenden Aufhebung des Urteils.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der 1952 im Iran geborene Angeklagte, der als Selbständiger eine kleine Werkstatt für Teppichreparaturen betreibt, seit 1993 an einer Epilepsie. In Folge der auf dieser Erkrankung beruhenden zahlreichen schweren Krampfanfälle ist es bei ihm zu einer
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hirnorganisch bedingten Wesensveränderung gekommen, die medikamentös nicht behandelbar ist. Sie führt dazu, dass der ansonsten ruhige und friedliche Angeklagte plötzlich und ohne sinnvollen Grund in heftige, unkontrollierte Wutausbrüche mit starken körperlichen Erregungszeichen und gewalttätigen Ausbrüchen verfallen kann.
Am Tattag hielt sich der Angeklagte zur Reparatur eines größeren Teppichs im Haus der Geschädigten auf, in dem außer ihm nur diese anwesend war. Im Zusammenhang mit einem möglichen Defekt des von dem Angeklagten bei der Reparatur verwendeten, von ihm mitgebrachten Bügeleisens wies die Geschädigte den Angeklagten darauf hin, dass an der Stromzuleitung teilweise die Isolierung fehle; sie warnte ihn vor einem möglichen Stromschlag. Der Angeklagte, der in ganz besonderer Weise auf die Qualität seiner Arbeit und die Zufriedenheit seiner Kunden bedacht ist, missverstand diesen besorgten Hinweis als Kritik an seiner Arbeit. Infolge seiner hirnorganischen Erkrankung geriet er in einen Zustand großer Erregung und unkontrollierter Wut und entschloss sich, die Geschädigte zu töten. Zur Umsetzung dieses Vorhabens schlug er ihr überraschend und ohne vorherige Ankündigung einen 200 Gramm schweren Hammer wuchtig auf den Kopf und versetzte ihr weitere 32 wuchtige Hammerschläge auf den Kopf. Die Geschädigte stürzte zu Boden, schrie und versuchte sich zu wehren, flehte den Angeklagten an aufzuhören und versuchte, kriechend die Haustür zu erreichen, während der Angeklagte weiter auf sie einschlug. Dies beobachtete ein Briefträger, der auf die Schreie der Nebenklägerin aufmerksam geworden war, durch den an der Haustür befindlichen Briefeinwurfschlitz; seine Aufforderungen aufzuhören beachtete der Angeklagte nicht. Als es der Nebenklägerin gelang, die Tür zu öffnen, ließ der Angeklagte von ihr ab, war schlagartig ruhig und apathisch und forderte den Briefträger mehrfach auf, die Polizei zu rufen.
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Während des Tatgeschehens wirkte der Angeklagte völlig außer sich. Nach den Beschreibungen der Zeugen war sein Gesicht verzerrt; sein Blick war starr; er wirkte "wie ferngesteuert" (UA S. 16). Nach den auf die Bekundungen eines Sachverständigen gestützten Feststellungen des Landgerichts lag ein krankheitsbedingter "massiver Erregungszustand" vor; der Angeklagte war "außer sich" (UA S. 5) und in "unkalkuliertem Zorn" und "überbordender", "blinder Wut" (UA S. 15 f.); unmittelbar nach der Tat war er "völlig regungslos und apathisch" (UA S. 6).
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2. Das Landgericht hat angenommen, die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten sei zu keinem Zeitpunkt des Tatgeschehens beeinträchtigt gewesen; dies zeige sich schon daran, dass er unmittelbar nach der Tat den Zeugen H. mehrfach aufforderte, die Polizei zu rufen. Seine Steuerungsfähigkeit sei dagegen erheblich vermindert, aber nicht aufgehoben gewesen.
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Diese Feststellung ist in dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend begründet. Zu der Frage, warum auf der von ihm festgestellten, von dem Sachverständigen erläuterten Tatsachengrundlage eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht vorlag, enthalten die Urteilsgründe keine Ausführungen.
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Dies verstand sich vorliegend aber ersichtlich nicht von selbst; vielmehr legt die Schilderung sowohl der Grunderkrankung mit einer Disposition zu "unkontrollierten", abrupten Zornausbrüchen als auch des Tatablaufs und des Erscheinungsbilds des Angeklagten bei und nach der Tat durchaus die Möglichkeit der Steuerungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat nahe. Der Tatrichter musste sich mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen; die Annahme nur einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit hätte sorgfältiger Begründung
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bedurft. Da eine solche fehlt und dem Revisionsgericht eine Prüfung daher nicht möglich ist, war der Schuldspruch aufzuheben.
3. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können aufrecht erhalten werden. Ergänzende Feststellungen des neuen Tatgerichts sind möglich.
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4. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht die Voraussetzungen der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht zutreffend bestimmt und die Anordnung der Maßregel daher mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, setzt § 63 StGB nicht voraus, dass der Zustand eingeschränkter Einsichts oder Steuerungsfähigkeit durchgängig und dauerhaft besteht. Unzutreffend hat das Landgericht die Ablehnung daher darauf gestützt, dass die plötzliche heftige Wut des Angeklagten "nicht dauernd besteht" (UA S. 19). Es reicht vielmehr aus, dass der Zustand der Grunderkrankung dauerhaft besteht und dazu führt, dass schon alltägliche Ereignisse zu einer Aktualisierung und Aufwallung der die Schuldfähigkeit aufhebenden oder erheblich vermindernden Störung führen
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können. Soweit der Sachverständige eine solche Gefahr als "nicht wahrscheinlich" bezeichnet hat, wird eine entsprechende Beurteilung durch den neuen Tatrichter noch genauerer Prüfung bedürfen.
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