BGH,
Beschl. v. 14.7.2010 - 2 StR 278/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 278/10
vom
14. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 14. Juli 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad
Kreuznach vom 9. März 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren
Tatgeschehen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu
einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Hiergegen richtet sich seine auf die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützte Revision. Die
Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher
unzulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Das
Rechtsmittel hat aber mit der Sachrüge in dem aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
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1. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem
17. Lebensjahr unter einer hebephrenen Schizophrenie leidet. In Phasen
eines akuten Schubes verspürte er oftmals den Drang, sich
selbst zu töten. Motiviert wurde dies unter anderem durch die
Furcht des Angeklagten davor, dass er
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seinen Phantasien von Gewalthandlungen gegenüber Frauen folgen
könne. Schon vor der Tat war es zu einer Reihe von
Selbsttötungsversuchen gekommen. Am Tattag, dem 18. April
2009, hatte der Angeklagte davon gelesen, dass eine Frau durch Brand zu
Tode gekommen sei, nachdem sie im Bett geraucht hatte. Dies nahm er zum
Anlass, einen Selbsttötungsversuch durch Brandstiftung in
seiner Wohnung, die sich in einem von acht Mietparteien bewohnten Haus
befand, zu unternehmen. Er band sich selbst ein Bein am Bett fest,
legte Zeitungen vor dem Bett aus und zündete diese an. Er
erkannte dabei die Gefährdung anderer Hausbewohner durch
Ausbreitung des Feuers, vertraute aber darauf, dass diese Personen
rechtzeitig gewarnt werden würden. Als die Bettdecke in seiner
unmittelbaren Nähe brannte, geriet er in Panik, löste
seine Fessel und rannte aus dem Haus. Danach versuchte er, die
Mitbewohner zu warnen. Durch Einsatz der Feuerwehr konnte der Brand
gelöscht werden. Die vom Angeklagten gemietete Wohnung wurde
aber weit gehend zerstört.
Das Landgericht ist dem psychiatrischen Sachverständigen Su.
darin gefolgt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
erheblich vermindert, aber nicht aufgehoben gewesen sei. Zur Tatzeit
habe ein akuter Schub der Schizophrenie vorgelegen. Dadurch sei die
Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen,
erheblich eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben gewesen. Er
habe die Gefährdung anderer Personen noch erfassen
können, diese Erkenntnis jedoch infolge des psychotischen
Handlungsantriebes in den Hintergrund gedrängt. "Gerade dies
habe dazu geführt, dass der Angeklagte nicht in der Lage
gewesen sei, den Gedanken an eine Gefährdung anderer auch
entsprechende Taten folgen zu lassen. Die Realität habe den
Angeklagten erst wieder erreicht, als sich das Feuer ausgebreitet habe
und er in Panik verfallen sei."
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2. Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme, die
Schuldfähigkeit des Angeklagten sei zur Tatzeit nicht im Sinne
von § 20 StGB aufgehoben gewesen, durchgreifenden rechtlichen
Bedenken begegnet. Ferner ist die Maßregelanordnung rechtlich
zu beanstanden.
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a) Die hebephrene Schizophrenie des Angeklagten ist eine krankhafte
seelische Störung im Sinne von § 20 StGB (vgl.
Müller-Isberner/Venzlaff in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische
Begutachtung, 5. Aufl. 2009, S. 177). Das Landgericht hat auch
festgestellt, dass die Brandstiftung der Ausdruck eines akuten
Krankheitsschubes war. Jedoch hat es daraus keine fehlerfreien
Schlüsse gezogen.
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Auf die erhebliche Verminderung der Fähigkeit des Angeklagten,
das Unrecht der Tat einzusehen, kommt es hier nicht an. Sie
wäre nur von Bedeutung, wenn sie das tatsächliche
Fehlen der Einsicht zur Folge gehabt hätte (BGHSt 34, 22, 25).
Davon ist aber nach den Feststellungen nicht auszugehen.
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Bei der Annahme, dass der Angeklagte zur Tatzeit in der Lage war, sich
entsprechend seiner Unrechtseinsicht rechtmäßig zu
verhalten, waren die im angefochtenen Urteil wiedergegebenen
Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen
widersprüchlich. Einerseits hat er bemerkt, es habe
für eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit keine
Hinweise gegeben. Andererseits war der Angeklagte nach Ansicht des
Sachverständigen bei der Begehung der Tat "nicht in der Lage
gewesen, den Gedanken an eine Gefährdung anderer auch
entsprechende Taten folgen zu lassen". Damit war ersichtlich ein
Vermeidungsverhalten gemeint. War der Angeklagte jedoch wegen seines
krankheitsbedingten Dranges zur Selbsttötung nicht in der
Lage, die Brandstiftungshandlung zu unterlassen, dann hat ihm zur
Tatzeit die nach § 20 StGB erforderliche
Steuerungsfähigkeit gefehlt.
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Ob bei der Begehung der Tat Schuldunfähigkeit vorlag, ist eine
Rechtsfrage, die das Gericht zu beantworten hat. Dabei handelt es sich
nicht um eine psychiatrische Frage (vgl. schon BGHSt 8, 113, 122). Das
Landgericht hat aber den genannten Widerspruch in den
Ausführungen des Sachverständigen nicht
aufgelöst. Das wäre geboten gewesen, zumal bei einer
Straftat, die gerade aus dysphorischer Verstimmung oder impulsiver
Spannung aufgrund einer hebephrenen Schizophrenie begangen wurde, die
Steuerungsunfähigkeit des Täters
regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann (vgl.
Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl. 2007, S. 152). Die
Überlegung des Landgerichts, dass der Angeklagte sein Vorhaben
"planvoll und zielgerichtet umzusetzen versucht" habe,
schließt es dagegen nicht aus, dass er zur Vermeidung der
Tathandlungen nicht in der Lage war. Die Feststellung, dass die
Voraussetzungen des § 21 StGB zwar sicher vorliegen,
Schuldunfähigkeit aber auszuschließen sei,
genügt daher nicht den Anforderungen (vgl. Senat, NStZ 1997,
383). Der Schuldspruch und der Strafausspruch können deshalb
keinen Bestand haben.
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b) Der Senat hebt auch den Maßregelausspruch auf. Der
Rechtsfehler hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten zu einer
Freiheitsstrafe erfasst zunächst auch die Anwendung von
§ 67b Abs. 1 Satz 2 StGB. Darüber hinaus ist das
Landgericht bei der Frage der Gefährlichkeit des Angeklagten
für die Allgemeinheit im Sinne von § 63 StGB dem
Sachverständigen gefolgt, der für den Fall des
Ausbleibens einer konsequenten medikamentösen Behandlung und
betreuenden Versorgung weitere Krankheitsschübe und darauf
beruhende Selbsttötungsversuche als wahrscheinlich bezeichnet
hat. Auf die bloße Selbstgefährdung kommt es aber
für die strafrechtliche Maßregel nicht an. Das
Landgericht hat angemerkt, dass Selbsttötungshandlungen auch
unter Gefährdung anderer Personen zu erwarten seien, wie es
sich aus der im Urteil nicht näher erläuterten
Herbeiführung einer Gasexplosion im Jahre 1987 ergebe. Es
fehlt im Urteil aber eine Auseinandersetzung damit, dass der Angeklagte
ungeachtet
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zahlreicher Selbsttötungsversuche seither nicht mehr wegen
zumindest rechtswidriger Taten in Erscheinung getreten ist, er seit
Juni 2009 erneut unter Betreuung steht und nach freiwilliger
stationärer Behandlung in der Abteilung für
Psychiatrie der H. klinik in einem Wohnheim für psychisch
Kranke aufgenommen wurde. Die Anordnung der schwer wiegenden
Maßregel nach § 63 StGB setzt aber eine
erschöpfende Abwägung der Umstände voraus
(vgl. Senat, NStZ-RR 2007, 73, 74). Der neue Tatrichter wird daher das
Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades für
erneute schwere Störungen des Rechtsfriedens (vgl. Senat,
NStZ-RR 2005, 303, 304) näher zu erörtern haben.
c) Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind
von dem unter 2.a) genannten Rechtsfehler nicht betroffen und
können aufrechterhalten werden. Ergänzende, nicht im
Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
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Rissing-van Saan Schmitt Krehl
Eschelbach Ott |