BGH,
Beschl. v. 14.3.2001 - 3 StR 48/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 48/01
vom
14. März 2001
in der Strafsache gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwaltes, zu Ziffer 2.
auf dessen Antrag, am 14. März 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kleve vom 22. September 2000 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe
wegen versuchten Diebstahls verurteilt wurde;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Einziehung.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei
Fällen und versuchten Diebstahls zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie einen
Pkw Porsche 993 und 113.000 DM Bargeld eingezogen. Mit seiner Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
1. Soweit sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der
Sachrüge gegen seine Verurteilung wegen zweifachen vollendeten
Diebstahls (Fälle II. 1. und 2. der Urteilsgründe)
wendet, ist die Revision unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
2. Jedoch hält seine Verurteilung wegen versuchten Diebstahls
im
Fall II. 3. der Urteilsgründe materiell-rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte den Juwelier S. in
dessen Geschäftsräumen auf, um diesem wertvollen
Schmuck und Uhren zu entwenden. Sein Plan ging in erster Linie dahin,
den Juwelier dazu zu bewegen, die Geschäftsräume
unter der Mitnahme von Schmuck zu verlassen, um den Diebstahl dann
außerhalb des Juweliergeschäfts ausführen
zu können (UA S. 31). Als er merkte, daß der
Juwelier seinem Vorschlag wenig Sympathie entgegenbrachte, war der
Angeklagte fest entschlossen, jede sich bietende Gelegenheit und
insbesondere jede Unachtsamkeit des Juweliers dazu auszunutzen, Uhren
und Schmuck bereits in den Verkaufsräumen zu entwenden (UA S.
17). Hierzu kam es aufgrund der Aufmerksamkeit des Juweliers jedoch
nicht. Der Angeklagte verließ daher die
Geschäftsräume und wurde dabei von der zuvor
verständigten Polizei festgenommen.
b) Es bestehen bereits Bedenken, ob sich das Landgericht
rechtsfehlerfrei von dem Entschluß des Angeklagten
überzeugt hat, bei sich bietender Gelegenheit den Diebstahl
bereits in den Geschäftsräumen des Juweliers zu
begehen, oder ob es sich insoweit nicht lediglich um eine Vermutung
ohne hinreichende tatsächliche Grundlage im Beweisergebnis
handelt. Denn das vom Landgericht insoweit für die
Überzeugungsbildung maßgeblich herangezogene
Argument, der in Trickdiebstählen erfahrene Angeklagte habe
bei den vorangehenden Taten bewiesen, daß er problemlos aus
dem Stand heraus handeln kann und jederzeit in der Lage ist sich
umzuorientieren, findet in den Feststellungen zu den weiteren
abgeurteilten Taten keine hinreichende Stütze.
Dies bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Auch
auf Grundlage der vom Landgericht zum Tatentschluß des
Angeklagten gewonnenen Überzeugung belegen die bisherigen
Feststellungen nicht, daß sich der Angeklagte des versuchten
Diebstahls schuldig gemacht hätte. Eine Straftat versucht, wer
nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes
unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dazu ist es nicht
erforderlich, daß der Täter bereits ein
Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er
Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung
eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die
tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium
erstreckt sich deshalb auf Handlungen, die in ungestörtem
Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen
sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen
Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter
subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet
und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung
ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die
Erfüllung des Tatbestandes übergeht (st. Rspr.; vgl.
nur BGHSt 26, 201, 202 ff.; 28, 162, 163; BGH NStZ 1993, 398; 1996, 38;
1999, 395, 396).
Nach diesen Maßstäben ist nicht erkennbar,
daß der Angeklagte, der den Diebstahl in erster Linie
außerhalb der Geschäftsräume des Juweliers
ausführen wollte, nach seiner Vorstellung von der Tat bereits
unmittelbar zur Verwirklichung des Diebstahls innerhalb der
Geschäftsräume angesetzt hätte. Denn das
Landgericht hat keine Handlungen des Angeklagten festgestellt, die nach
seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur
Tatbestandsverwirklichung führen sollten, ohne daß
es einer weiteren Entschlußfassung bedurft hätte.
Der Angeklagte hatte noch nicht den unbedingten Entschluß
gefaßt, Schmuck und Uhren aus den
Geschäftsräumen des Juweliers zu entwenden. Vielmehr
machte er die Tatausführung davon abhängig,
daß sich eine entsprechende Gelegenheit bot. Was er sich
hierunter im einzelnen vorstellte, teilt das Urteil zwar nicht mit. Ihm
läßt sich aber entnehmen, daß der
Angeklagte auf den Eintritt einer Situation hoffte, in welcher ihm
durch das Verhalten des Juweliers der Zugriff auf geeignete
Beutestücke ermöglicht wurde. Der Beginn der
Tatausführung setzte damit nach dem Tatplan voraus,
daß sich während des Aufenthalts des Angeklagten in
den Geschäftsräumen Umstände ergaben, die
der Angeklagte als günstig für die geplante
Wegnahmehandlung beurteilte. Daß eine derartige Situation
entstand und der Angeklagte subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es
los" überschritten hätte, kann dem Urteil nicht
entnommen werden. Es ist nicht einmal festgestellt, daß der
Juwelier dem Angeklagten Schmuckstücke zur Ansicht vorgelegt
und diesem damit überhaupt einen Zugriff ermöglicht
hätte. Danach können allein der Aufenthalt des
Angeklagten in den Geschäftsräumen und das
Führen von Verkaufsverhandlungen mit dem Juwelier noch nicht
als unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl gewertet werden, denn sie
sollten nicht unmittelbar in die Wegnahmehandlung münden.
Vielmehr bedurfte es hierfür noch eines weiteren
Willensentschlusses des Angeklagten nach Eintritt einer ihm
für die Tatausführung geeignet erscheinenden
Situation (vgl. BGH NStZ 1993, 398; 1996, 38). Insoweit unterscheidet
sich vorliegender Sachverhalt von der Fallgestaltung, die dem Urteil
des 4. Strafsenats vom 6. Oktober 1977 - 4 StR 404/77 - zugrunde lag.
Dort war der Täter bereits bei Betreten des
Schmuckgeschäfts ohne innere Vorbehalte entschlossen, sich
unter Vorspiegelung von Kaufinteresse Schmuck vorlegen zu lassen und
diesen sodann zu entweden.
c) Die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls kann daher keinen
Bestand haben. Dies führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Auch
die Einziehungsanordnung muß aufgehoben werden, da nach den
Feststellungen sowohl der Pkw Porsche, als auch die 113.000 DM Bargeld
nur im Fall II. 3. der Urteilsgründe als Tatmittel Verwendung
finden sollten.
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