BGH,
Beschl. v. 14.3.2002 - 3 StR 469/01
3 StR 469/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
14. März 2002
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung der
Beschwerdeführer am 14. März 2002
gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig
beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 5. Februar 2001 werden verworfen; jedoch wird der
Schuldspruch gegen den Angeklagten Erdogan K. dahin geändert,
daß dieser Angeklagte im Fall B II. der
Urteilsgründe (= Fall 1 der Anklage) des unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
schuldig ist.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben.
1. Zwar hat sich der Angeklagte Erdogan K. entgegen der Auffassung des
Landgerichts im Fall B II. der Urteilsgründe nicht der Abgabe
von Betäubungsmitteln an Minderjährige
gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG schuldig
gemacht. Denn im Sinne dieser Vorschrift werden
Betäubungsmittel nur dann an einen Minderjährigen
abgegeben, wenn sie ihm unentgeltlich zur freien Verfügung
überlassen werden, so daß er sie nach Belieben
verbrauchen oder weitergeben kann (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1
Nr. 1 Abgabe 1 und Handeltreiben 15). Dies ist nicht der Fall, wenn -
wie hier - ein Betäubungsmittelhändler einem
Minderjährigen, der für ihn ein
Betäubungsmittelgeschäft vermittelt hat, das
Rauschgift mit der Weisung übergibt, er solle es dem Abnehmer
gegen Zahlung des Kaufpreises aushändigen. Jedoch belegen die
Feststellungen, daß der Angeklagte auch in diesem Fall
unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel
getrieben hat (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Der Schuldspruch ist
entsprechend abzuändern.
§ 265 Abs. 1 StGB steht dem nicht entgegen, da Fall B II. der
Urteilsgründe auch als bandenmäßiges
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
angeklagt war (§ 30 a Abs. 1 BtMG). Allein der Wegfall des
Qualifizierungsmerkmals der bandenmäßigen
Tatbegehung begründet keine Hinweispflicht (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 265 Rdn.
9m. w. N.).
Von der Schuldspruchänderung bleibt der Strafausspruch
unberührt. Der Senat kann ausschließen,
daß das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung
dieser Tat aus dem auch insoweit anwendbaren Strafrahmen des §
29 a Abs. 1 BtMG auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt oder eine
geringere Gesamtstrafe zugemessen hätte.
2. Im übrigen bemerkt der Senat ergänzend zu den
Antragsschriften des Generalbundesanwalts:
a) Soweit sich die Revision des Angeklagten Ka. mit der Ablehnung des
Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugen S. , Sch. und F.
auseinandersetzt, kann dahinstehen, ob insoweit überhaupt eine
den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
genügende Verfahrensrüge erhoben wurde. Es kann
ebenfalls offen bleiben, ob die Strafkammer - was zweifelhaft erscheint
- die in das Wissen der Zeugen gestellte Beweisbehauptung, der
(frühere Mitangeklagte und spätere) Zeuge C. habe bei
seiner Vernehmung vom 22. März 2000 ausdrücklich
darauf hingewiesen, daß er die vom Angeklagten Ka.
ausschließlich gesprochene "Heimatsprache" nicht verstehe und
spreche, als aus der Luft gegriffen ansehen durfte und den Beweisantrag
daher mit dieser Begründung rechtsfehlerfrei
zurückweisen konnte. Denn auf einer fehlerhaften Ablehnung des
Beweisantrags würde das Urteil nicht beruhen. Der Angeklagte
Ka. hat zu den Fällen, in denen Kokain in der Wohnung des
Zeugen C. gebunkert worden war (Fälle 27, 28, 31, 33, 37 und
39 der Anklage), mit Ausnahme des Falls 28, in dem er sich auf
mangelnde Erinnerung berief, ein Geständnis abgelegt. Seine
mittäterschaftliche Beteiligung an den genannten Taten wird im
übrigen durch die sich gegenseitig stützenden
Ergebnisse der polizeilichen Telefon- und
Innenraumsprachüberwachungen, die Aussage der Zeugen C. und
St. sowie - in den Fällen 27, 28 und 31 - durch die Einlassung
des Mitangeklagten Erdogan K. bestätigt. Der Senat kann daher
ausschließen, daß das Landgericht zu einer
abweichenden Überzeugung von der Täterschaft des
Angeklagten Ka. in den genannten Fällen gelangt wäre,
wenn es den beantragten Beweis erhoben hätte und dabei die
Beweisbehauptung bestätigt worden wäre.
b) Auch die Verfahrensrüge des Angeklagten Mustafa K. , das
Landgericht habe seinen Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen B. zu
den Vorgängen in der Wohnung des Zeugen C. am Abend des 7.
April 1999 fehlerhaft zurückgewiesen, bleibt ohne Erfolg, weil
das Urteil auf einer fehlerhaften Behandlung dieses Beweisbegehrens
jedenfalls nicht beruht. Die täterschaftliche Beteiligung des
Angeklagten Mustafa K. in den Fällen 33, 37 und 39 wird nicht
nur von dem Zeugen C. , sondern auch durch den Mitangeklagten Ka. und
die Ergebnisse der polizeilichen Telefon- und
Innenraumsprachüberwachungen bestätigt. Der Senat
kann daher ausschließen, daß das Landgericht zu
einer abweichenden Überzeugungsbildung gelangt wäre,
wenn es den Zeugen B. vernommen und dieser bestätigt
hätte, daß der Zeuge C. im Fall 39 der Anklage 70 g
des bei ihm verbliebenen Kokains nicht an den Angeklagten Mustafa K. ,
sondern an einen Dritten übergeben hat.
Frau RiBGH Dr. Rissing-van Saan Winkler Pfister ist durch
Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert.
Winkler von Lienen Becker |