BGH,
Beschl. v. 14.11.2006 - 4 StR 374/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 374/06
vom
14.11.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14.11.2006
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Paderborn vom 3. April 2006, soweit es ihn betrifft, mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur versuchten
schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von
neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt wurde. Die auf die Verletzung formellen und materiellen
Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt mit
der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils; einer
Erörterung der Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
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Nach den Feststellungen begaben sich der Angeklagte, der
frühere Mitangeklagte Karuan A. und zwei weitere
Männer zum Kiosk der Familie D. . A. betrat den Kiosk und
verlangte von der dort tätigen Zeugin Ayse D. die Herausgabe
von 100 Euro, wobei er ihr ein langes Küchenmesser vor die
Brust hielt. Der Angeklagte und die beiden Anderen standen
währenddessen vor der Tür des Kiosks, wobei sie
"durch ihre Erscheinung ebenfalls einen einschüchternden
Eindruck auf die Zeugin machten". Diese kam
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der Aufforderung des A. nicht nach, sondern sprühte ihm
Pfefferspray in die Augen. Ungefähr zur selben Zeit rief einer
der draußen Stehenden: "Karuan, es kommt ein Bus! Schnell
weg!". Daraufhin flohen alle Vier im Pkw des A. , den dieser auf der
Busspur vor dem Kiosk abgestellt hatte. Dass sich tatsächlich
ein Bus genähert hatte, ist nicht erwiesen.
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Beihilfe zur
versuchten schweren räuberischen Erpressung nicht, denn es ist
weder dargetan, dass der Angeklagte einen die Tatbegehung objektiv
fördernden Beitrag erbracht, noch dass er mit Gehilfenvorsatz
gehandelt hat.
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Zwar kann auch das bloße Dabeisein die Tat eines anderen im
Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (BGH StV 1982,
517; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 13, 14, 18 m.w.N.). Es
bedarf aber bei solchen Fallgestaltungen sorgfältiger und
genauer Feststellungen dazu, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer
konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde
(BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 12, 15). Solche
Feststellungen lässt das angefochtene Urteil vermissen. Sie
lassen sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe herleiten. Darüber hinaus ist weder
festgestellt noch belegt, dass der Angeklagte durch seine Anwesenheit
vor dem Kiosk zur Einschüchterung des Opfers beitragen wollte.
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Falls die neu entscheidende Strafkammer wiederum zur Annahme einer
Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung
kommen sollte, wird sie zu prüfen haben, ob der Angeklagte von
dieser Tat strafbefreiend zurückgetreten ist (§ 24
Abs. 2 StGB). Sofern abweichende Feststellungen nicht getroffen werden
können, wird zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen sein,
dass er derjenige war, der A. vor einem erhöhten
Entdeckungsrisiko ge-
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warnt hat. In dieser Warnung könnte, wenn sich
tatsächlich kein Bus genähert hätte, ein
freiwilliges und ernsthaftes Bemühen gesehen werden, durch
eine List die Vollendung der Tat zu verhindern. Ein solches
Bemühen würde auch dann zur Strafbefreiung
führen, wenn die Tat nicht dadurch, sondern wegen der
energischen Abwehr des Opfers nicht vollendet wurde (vgl.
Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 24 Rdn. 42).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann |