BGH,
Beschl. v. 15.4.2008 - 4 ARs 22/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 ARs 22/07
vom
15.4.2008
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichungen: ja
GG Art. 16 Abs. 2;
EuAlÜbk Art. 6 Abs. (1) a, Art. 10;
EuAlÜbkErgV POL Art. 4;
RbEuHb Art. 4 Nr. 4, Art. 31;
IRG §§ 1, 9 Nr. 2, 78 ff.
Die nach deutschem Recht eingetretene Verfolgungsverjährung
einer Tat, für die auch die deutsche Gerichtsbarkeit
begründet ist, steht der Auslieferung eines deutschen
Staatsangehörigen auf Grund eines Europäischen
Haftbefehls an die Republik Polen entgegen, selbst wenn nach polnischem
Recht die Strafverfolgung noch nicht verjährt ist.
BGH, Beschluss vom 15.4.2008 - 4 ARs 22/07 - OLG Bamberg
- 2 -
in dem Auslieferungsverfahren
gegen
- 3 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15.4.2008 durch die
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, die Richter
am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kuckein und Athing, die Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanović und den Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann beschlossen:
Die nach deutschem Recht eingetretene Verfolgungsverjährung
einer Tat, für die auch die deutsche Gerichtsbarkeit
begründet ist, steht der Auslieferung eines deutschen
Staatsangehörigen auf Grund eines Europäischen
Haftbefehls an die Republik Polen entgegen, selbst wenn nach polnischem
Recht die Strafverfolgung noch nicht verjährt ist.
Gründe:
I.
1. Die polnischen Strafverfolgungsbehörden haben auf der
Grundlage eines Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts
Legnica vom 9. März 2007 um Auslieferung des deutschen
Staatsangehörigen Georg B. zur Strafverfolgung ersucht. In dem
dem Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegenden nationalen
Haftbefehl des Amtsgerichts Jawor vom 6. Dezember 2004 wird dem
Verfolgten eine Straftat gegen die Verkehrssicherheit
gemäß Art. 177 § 2 des polnischen
Strafgesetzbuchs (bzw. Art. 145 § 2 des polnischen
Strafgesetzbuchs aF) vorgeworfen. Er soll am 14. August 1992 in Polen
auf der Autobahn A-4 bei Kilometer 105,1 mit seinem in Deutschland
zugelassenen Pkw Opel Ascona infolge Nichtbeachtung der erforderlichen
Vorsicht auf die linke Fahrspur gekommen und mit dem ihm
entgegenkommenden, von Elzbieta J. -
1
- 4 -
K. gesteuerten Fahrzeug Peugeot, amtl. Kennzeichen SCL ,
zusammengestoßen sein. Dabei seien seine Mitfahrer Jadwiga
und Eugeniusz B. getötet und die drei Insassen im Pkw Peugeot
schwer verletzt worden. An dem polnischen Fahrzeug sei ein erheblicher
Sachschaden entstanden. Nach den Auslieferungsunterlagen
verjährt die Strafverfolgung nach polnischem Recht erst am 14.
August 2017; nach deutschem Recht trat - soweit ersichtlich -
Verfolgungsverjährung bereits im August 1997 ein.
Der Verfolgte wurde am 22. Mai 2007 in Coburg vorläufig
festgenommen und zu dem Europäischen Haftbefehl vom 9.
März 2007 richterlich vernommen. Einer vereinfachten
Auslieferung hat er nicht zugestimmt. Der Generalstaatsanwalt beim
Oberlandesgericht Bamberg hat deshalb beantragt, die Auslieferung
für zulässig zu erklären.
2
2. Das Oberlandesgericht Bamberg beabsichtigt, dem Antrag nicht zu
entsprechen. Die Auslieferung sei gemäß § 9
Nr. 2 IRG unzulässig. Der Verfolgte, der deutscher
Staatsangehöriger sei, unterliege nach § 7 Abs. 2 Nr.
1 StGB hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Tat (auch) der deutschen
Strafgewalt. Nach deutschem Recht sei aber
Verfolgungsverjährung eingetreten. Der Rahmenbeschluss des
Rates der Europäischen Union über den
Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren
zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (RbEuHb)
vom 13. Juni 2002 habe dem nationalen Gesetzgeber in Art. 4 Nr. 4 die
Möglichkeit eingeräumt, die Vollstreckung des
Europäischen Haftbefehls zu verweigern, wenn die
Strafverfolgung nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates
verjährt ist und hinsichtlich der Tathandlungen nach seinem
eigenen Strafrecht Gerichtsbarkeit bestand. Aus der
Gesetzesbegründung zum deutschen Europäischen
Haftbefehlsgesetz ergebe sich der Wille des Gesetzgebers, dass
§ 9 Nr. 2 IRG auch dann anzuwenden sei,
3
- 5 -
wenn dem Auslieferungsverfahren ein Europäischer Haftbefehl zu
Grunde liege. § 1 Abs. 4 Satz 3 IRG stehe dem nicht entgegen;
denn in § 82 IRG, der die Nichtanwendung von Vorschriften des
IRG im Falle des Vorliegens eines Europäischen Haftbefehls
regele, sei § 9 IRG nicht aufgeführt. Daraus folge,
dass § 9 IRG anzuwenden sei.
An der beabsichtigten Entscheidung, die Auslieferung für
unzulässig zu erklären, sieht sich das
Oberlandesgericht Bamberg durch Beschlüsse des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. November 2006 (= NStZ-RR
2007, 113 f.) und des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 1. Juni
2007 (Az.: 1 OLG Ausl. 169/06) gehindert. Diese Gerichte vertreten die
Auffassung, § 9 Nr. 2 IRG trete nach § 1 Abs. 3 und 4
IRG gegenüber
“auslieferungsfreundlicheren“ anders lautenden
völkerrechtlichen Vereinbarungen zurück.
4
Das Oberlandesgericht Bamberg hat deshalb die Sache dem
Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage
vorgelegt:
5
"Steht im Rechtshilfeverkehr mit der Republik Polen die
Verfolgungsverjährung nach deutschem Recht der Auslieferung
zur Strafverfolgung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls
entgegen, wenn nach polnischem Recht keine
Verfolgungsverjährung eingetreten ist?"
3. Für die Entscheidung der Vorlegungsfrage sind folgende
nationale und völkerrechtliche Regelungen von Bedeutung:
6
a) Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.
Mai 1949 (BGBl S. 1) [GG], in Kraft getreten am 24. Mai 1949.
- 6 -
Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt - als Grundrecht -, dass kein
Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden darf.
Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 16)
vom 29. November 2000 (BGBl I 1633), in Kraft getreten am 2. Dezember
2000, wurde der Bestimmung folgender Satz angefügt:
Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen
an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen
internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche
Grundsätze gewahrt sind.
Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG fordert, dass, soweit nach dem Grundgesetz ein
Grundrecht durch Gesetz eingeschränkt werden kann, das Gesetz
das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muss.
Die Nichtbeachtung des Zitiergebots (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG)
führt regelmäßig zur Nichtigkeit des
grundrechtseinschränkenden Gesetzes (vgl. BVerfGE 5, 13, 15
f.; 113, 348, 366; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz
für die Bundesrepublik Deutschland 7. Aufl. Art. 19 Rdn. 45).
b) Das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13.
Dezember 1957 (BGBl 1964 II 1369) [EuAlÜbk], das für
Deutschland am 1. Januar 1977 (BGBl 1976 II 1778) und für
Polen am 13. September 1993 (BGBl 1994 II 299) in Kraft getreten ist.
Art. 6 Abs. (1) a dieses Abkommens bestimmt, dass jede Vertragspartei
berechtigt ist, die Auslieferung ihrer Staatsangehörigen
abzulehnen. Nach Art. 10 wird die Auslieferung nicht bewilligt, wenn
nach den Rechtsvorschriften des ersuchenden oder des ersuchten Staates
die Strafverfolgung verjährt ist. Art. 28 Abs. 3
EuAlÜbk regelt, dass die Parteien berechtigt sind, die
Auslieferung auf der Grundlage - neuer - einheitlicher
Rechtsvorschriften stattfinden zu las-
- 7 -
sen. Wird die Anwendung des Übereinkommens dann
ausgeschlossen, haben die Vertragsparteien dies dem
Generalsekretär des Europarats zu notifizieren.
Deutschland hat eine Erklärung nach Art. 28 Abs. 3
EuAlÜbk mit Wirkung vom 18. August 2004 abgegeben (BGBl 2005
II 369) und dem Generalsekretär des Europarats mitgeteilt,
dass die Bestimmungen zum Europäischen Haftbefehl die
entsprechenden Bestimmungen im Europäischen
Auslieferungsabkommen vom 13. Dezember 1957 in den wechselseitigen
Beziehungen zwischen Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union ersetzen, dass das Abkommen aber hilfsweise
anwendbar bleibt, soweit es die Möglichkeit bietet,
über die Ziele des Europäischen Haftbefehls
hinauszugehen, es zu einer Vereinfachung oder Erleichterung der
Verfahren beiträgt und der betreffende Mitgliedstaat es
insoweit ebenfalls weiter anwendet. Entsprechendes gelte für
die von Deutschland mit einzelnen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union geschlossenen bilateralen Vereinbarungen.
c) Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Polen über die Ergänzung des Europäischen
Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die
Erleichterung seiner Anwendung vom 17. Juli 2003 [PL-ErgV
EuAlÜbk = EuAlÜbkErgV POL] (BGBl 2004 II 523), in
Kraft seit dem 4. September 2004 (BGBl II 1339).
Der Vertrag modifiziert zur Erleichterung der Auslieferung zwischen
beiden Staaten nach dem Europäischen
Auslieferungsübereinkommen u.a. einige Artikel des
EuAlÜbk. Er enthält jedoch keine abweichende Regelung
zu Art. 6 Abs. 1 (a) EuAlÜbk (Nichtauslieferung eigener
Staatsangehöriger).
Art. 4 des Vertrages bestimmt zu Art. 10 EuAlÜbk, dass zur
Beurteilung der Verjährung ausschließlich das Recht
der ersuchenden Vertragspartei maßgebend ist.
- 8 -
Art. 21 Abs. 2 Satz 3 des Vertrages legt fest, dass dieser auch ohne
besondere Kündigung in dem Zeitpunkt außer Kraft
tritt, in dem das Übereinkommen [EuAlÜbk] zwischen
den Vertragsparteien unwirksam wird.
d) Der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom
13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und
die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten
(2002/584/JI) - RbEuHb - (ABl. EG Nr. L 190 S.1 vom 18. Juli 2002).
Art. 4 Nr. 4 des Rahmenbeschlusses bestimmt (entsprechend Art. 8 Abs. 2
des EUAuslÜbk vom 27. September 1996), dass die Vollstreckung
des Europäischen Haftbefehls verweigert werden kann, wenn die
Strafverfolgung nach den Rechtsvorschriften des
Vollstreckungsmitgliedstaats verjährt ist und hinsichtlich der
Handlungen nach seinem eigenen Strafrecht Gerichtsbarkeit bestand. In
Artikel 31 Abs. 1 ist festgelegt, dass der Rahmenbeschluss am 1. Januar
2004 - soweit es die Mitgliedstaaten betrifft - u.a. die entsprechenden
Bestimmungen über die Auslieferung in dem EuAlÜbk
ersetzt. Nach Absatz 2 dieses Artikels steht es den Mitgliedstaaten
frei, auch weiterhin die zum Zeitpunkt der Annahme des
Rahmenbeschlusses geltenden bilateralen oder multilateralen Abkommen
oder Übereinkünfte anzuwenden, sofern diese die
Möglichkeit bieten, über die Ziele des
Rahmenbeschlusses hinauszugehen, und zu einer weiteren Vereinfachung
oder Erleichterung der Verfahren zur Übergabe von Personen
beitragen, gegen die ein Europäischer Haftbefehl vorliegt.
Auch steht es den Mitgliedstaaten frei, nach Inkrafttreten des
Rahmenbeschlusses entsprechende bilaterale oder multilaterale Abkommen
oder Übereinkünfte zu schließen (Art. 31
Abs. 2 Unterabsatz 2). Unterabsatz 4 des Art. 31 Abs. 2 bestimmt, dass
die Mitgliedstaaten den Rat und die Kommission binnen drei Monaten nach
Inkrafttreten des Rahmenbeschlusses von den bestehenden Abkommen oder
Übereinkünften, die sie auch weiterhin anwenden
wollen, unterrichten.
- 9 -
Der Rahmenbeschluss ist sowohl für Deutschland als auch - mit
seinem Beitritt zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 -
für Polen verbindlich. Deutschland hat am 18. August 2004 zu
Art. 31 Abs. 2 Unterabsatz 4 des Rahmenbeschlusses erklärt,
dass die in Art. 31 Abs. 1 genannten multilateralen und bilateralen
Übereinkommen hilfsweise anwendbar bleiben, sofern sie die
Möglichkeit bieten, über die Ziele des
Europäischen Haftbefehls hinauszugehen, zu einer Vereinfachung
oder Erleichterung der Verfahren beitragen und der betreffende
Mitgliedstaat sie insoweit ebenfalls weiter anwendet (Ratsdokument Nr.
12180/04 vom 8. September 2004).
e) Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in
Strafsachen (IRG) vom 23. Dezember 1982 (BGBl I 2071) in der Fassung
des am 2. August 2006 in Kraft getretenen Europäischen
Haftbefehlsgesetzes - EuHbG - vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1721).
Der Achte Teil des IRG (§§ 78 ff.) regelt - auch
rückwirkend (vgl. Vogel in
Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler
Rechtshilfeverkehr in Strafsachen 3. Aufl. § 1 IRG Rdn. 39
m.w.N.) - die Unterstützung von Mitgliedstaaten der
Europäischen Union. In § 78 ist festgelegt, dass,
soweit der Achte Teil keine besonderen Regelungen enthält, die
übrigen Bestimmungen des Gesetzes auf die u.a. im Zweiten Teil
(Auslieferung an das Ausland) geregelten Ersuchen eines Mitgliedstaates
Anwendung finden. § 79 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass
zulässige Ersuchen eines Mitgliedstaates um Auslieferung nur
abgelehnt werden können, soweit dies im Achten Teil vorgesehen
ist. § 82 legt fest, dass die §§ 5, 6 Abs.
1, 7 und, soweit ein Europäischer Haftbefehl vorliegt,
§ 11 keine Anwendung finden. Im Zweiten Teil - in § 9
Nr. 2 - ist bestimmt, dass, wenn für die Tat auch die deutsche
Gerichtsbarkeit begründet ist, die Auslieferung nicht
zulässig ist, wenn die Verfolgung nach deutschem Recht
verjährt ist. § 1 Abs. 3 IRG legt fest, dass
Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie
unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den
Vorschriften des IRG vorgehen.
- 10 -
§ 1 Abs. 4 IRG lautet:
Die Unterstützung für ein Verfahren in einer
strafrechtlichen Angelegenheit mit einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union richtet sich nach diesem Gesetz. Absatz 3
wird mit der Maßgabe angewandt, dass der Achte Teil dieses
Gesetzes den dort genannten völkerrechtlichen Vereinbarungen
vorgeht. Die in Absatz 3 genannten völkerrechtlichen
Vereinbarungen und die Regelungen über die vertragslose
Rechtshilfe dieses Gesetzes bleiben hilfsweise anwendbar, soweit nicht
der Achte Teil abschließende Regelungen enthält.
Zu Verjährungsfragen finden sich im Achten Teil des IRG keine
gesonderten Bestimmungen.
4. Das Bundesministerium der Justiz hat zu der Vorlegungsfrage im
Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:
7
Über die §§ 78, 82 IRG sei § 9 Nr.
2 IRG auf das polnische Auslieferungsersuchen anzuwenden. Zwar sehe
Art. 4 PL-ErgV EuAlÜbk abweichend von Art. 10 EuAlÜbk
vor, dass zur Beurteilung der Verjährung
ausschließlich das Recht der ersuchenden Vertragspartei
maßgebend sein solle. Diese Bestimmung sei jedoch nicht
anwendbar, weil nach Art. 21 PL-ErgV EuAlÜbk der Vertrag
zwischen Deutschland und Polen vom 17. Juli 2003 ohne besondere
Kündigung außer Kraft trete, wenn das
EuAlÜbk zwischen den Vertragsparteien unwirksam werde.
Deutschland habe mit Wirkung vom 18. August 2004 zu Art. 28 Abs. 3
EuAlÜbk erklärt, dass die Bestimmungen zum
Europäischen Haftbefehl grundsätzlich die
entsprechenden Bestimmungen des EuAlÜbk ersetzten. Die
Republik Polen habe am 24. Februar 2005 gegenüber dem
Europarat in Übereinstimmung mit Art. 28 Abs. 3
EuAlÜbk erklärt, dass Polen mit Wirkung zum 1. Mai
2004 im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union
8
- 11 -
die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses
vom 13. Juni 2002 anwende, soweit dieser im Verhältnis
zwischen Polen und diesen Staaten anwendbar sei. Der Rahmenbeschluss
sei im März 2004 in polnisches Recht umgesetzt worden.
Nach Auffassung des Bundesministeriums der Justiz ist der
Erklärung Polens zu entnehmen, dass die Republik Polen von
einer abschließenden Anwendbarkeit der innerstaatlichen
Rechtsvorschriften ausgeht, soweit der Rahmenbeschluss zwischen den
EU-Mitgliedstaaten Anwendung findet. Dem entspreche auch, dass Polen
keine Erklärung nach Art. 31 RbEuHb abgegeben habe. Da
Deutschland in seiner Erklärung zu Art. 31 RbEuHb die
hilfsweise Anwendbarkeit multilateraler oder bilateraler
Übereinkommen davon abhängig gemacht habe, dass der
betreffende Mitgliedstaat sie ebenfalls weiter anwendet, die Republik
Polen aber die gegenseitige Anwendbarkeit des deutsch-polnischen
Vertrages vom 17. Juli 2003 nicht zugesichert habe, sei der Vertrag
nicht anzuwenden.
9
Ein Schreiben des Bundesministeriums der Justiz an das polnische
Justizministerium mit der Bitte um Stellungnahme zu der Auffassung des
Bundesministeriums der Justiz, die Erklärung Polens zu Art. 28
EuAlÜbk sei in dem Sinne zu verstehen, dass damit
sämtliche bilaterale Auslieferungsverträge im
Verhältnis der Republik Polen zu anderen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union außer Kraft getreten sind, hat
das polnische Justizministerium dahin beantwortet, dass es nicht davon
ausgehe, dass der Vertrag vom 17. Juli 2003 durch die Umsetzung des
Rahmenbeschlusses außer Kraft getreten sei.
10
- 12 -
5. Der Generalbundesanwalt hat in Präzisierung der
Vorlegungsfrage auf solche Taten, für die (auch) die deutsche
Gerichtsbarkeit begründet ist, beantragt zu entscheiden:
11
"Die nach deutschem Recht eingetretene Verfolgungsverjährung
einer Tat, für die die deutsche Gerichtsbarkeit
begründet ist, steht der Auslieferung auf Grund eines
Europäischen Haftbefehls der Republik Polen entgegen, auch
wenn nach polnischem Recht keine Verfolgungsverjährung
eingetreten ist."
II.
1. Die Vorlegung ist zulässig (§ 42 Abs. 1 IRG).
12
a) Das Oberlandesgericht Bamberg kann nicht wie beabsichtigt
entscheiden, ohne von der in den Beschlüssen der
Oberlandesgerichte Düsseldorf und Nürnberg
vertretenen Rechtsansicht abzuweichen (§ 42 Abs. 1 2. Alt.
IRG). Die aufgeworfene Rechtsfrage ist auch von
grundsätzlicher Bedeutung (§ 42 Abs. 1 1. Alt. IRG);
denn sie kann sich im deutsch-polnischen Auslieferungsverkehr
über den vorgelegten Einzelfall hinaus jederzeit wieder
stellen (vgl. BGHSt 34, 256, 258 f.; 42, 243, 247; 47, 120, 122 f.).
13
b) Die Rechtsfrage ist auch für das anhängige
Auslieferungsverfahren von Bedeutung (vgl. BGHSt 34, 256, 259; 47, 120,
123), da von ihrer Beantwortung die vom Oberlandesgericht zu treffende
Entscheidung abhängt.
14
2. Die Vorlegungsfrage ist jedoch zu weit gefasst, weil es zum einen
allein um die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen
an die Republik
15
- 13 -
Polen geht und zum anderen um eine Tat, für die auch die
deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist. Die Vorlegungsfrage
ist daher wie folgt zu fassen:
Steht der Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen an
die Republik Polen auf Grund eines Europäischen Haftbefehls
die nach deutschem Recht eingetretene Verfolgungsverjährung
einer Tat, für die auch die deutsche Gerichtsbarkeit
begründet ist, entgegen, wenn nach polnischem Recht die
Strafverfolgung noch nicht verjährt ist?
III.
Der Senat bejaht die Vorlegungsfrage. Der Auslieferung steht §
9 Nr. 2 IRG entgegen. Selbst wenn der deutsch-polnische Vertrag vom 17.
Juli 2003 anwendbar wäre, wäre die Auslieferung nicht
zulässig, weil der Vertrag nicht die Auslieferung deutscher
Staatsangehöriger zum Gegenstand hat.
16
1. Das vorlegende Oberlandesgericht geht zutreffend davon aus, dass
sich die Auslieferung nach Polen als Mitgliedstaat der
Europäischen Union nach dem Gesetz über die
internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) richtet (§ 1
Abs. 4 Satz 1 IRG), und zwar in erster Linie nach dessen Achten Teil
(§§ 78 ff.). Nach § 1 Abs. 4 Satz 2 IRG
gehen die Regelungen im Achten Teil des IRG auch
völkerrechtlichen Vereinbarungen vor. Da die
§§ 79 ff. IRG keine besonderen Regelungen zur
Verjährungsfrage enthalten, finden die übrigen
Bestimmungen des IRG auf das Auslieferungsersuchen Anwendung
(§ 78 IRG), somit auch - nach Ausübung des
gemäß Art. 4 Nr. 4 RbEuHb eingeräumten
Ermessens (BTDrucks. 16/1024 S. 11 i.V.m. BTDrucks. 15/1718 S. 11:
aufgrund der “Vorgaben des RbEuHb“) - § 9
Nr. 2 IRG (vgl. § 82 IRG, der bei den Bestimmungen zur
Auslieferung an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union
[§§ 80 ff. IRG] den § 9 IRG im Hinblick auf
nicht anzuwendende Vorschriften nicht
17
- 14 -
nennt). § 9 Nr. 2 IRG bestimmt, dass die Auslieferung nicht
zulässig ist, wenn für die Tat auch die deutsche
Gerichtsbarkeit begründet und die Strafverfolgung nach
deutschem Recht verjährt ist. Beides liegt hier vor: Die
deutsche Gerichtsbarkeit ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB
gegeben, weil der Verfolgte Deutscher ist;
Strafverfolgungsverjährung nach deutschem Recht ist
eingetreten. Somit müsste - nach der Gesetzessystematik des
IRG - das Auslieferungsersuchen abgelehnt werden.
2. Dieses eindeutige und rechtlich leicht nachvollziehbare Ergebnis
wird jedoch dadurch in Frage gestellt, dass bei Auslieferungen an
Mitgliedstaaten der Europäischen Union "hilfsweise"
völkerrechtliche Vereinbarungen anwendbar bleiben (§
1 Abs. 4 Satz 3 IRG). Dabei ist streitig, ob § 9 Nr. 2 IRG
bilaterale Abkommen verdrängt, welche die Auslieferung auch
dann zulassen, wenn für die Tat die deutsche Gerichtsbarkeit
gegeben, die Tat aber nach deutschem Recht verjährt ist (vgl.
Böse in Grützner/Pötz/Kreß,
Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen 3. Aufl. §
82 IRG Rdn. 8 m.w.N.). Zum Teil wird - wie vom vorlegenden Gericht
(zustimmend Ahlbrecht StRR 2007, 284, 288 f.; Rosenthal DAR 2007, 596,
597) - aus § 1 Abs. 4 (bzw. § 78) IRG ein Vorrang des
§ 9 Nr. 2 IRG abgeleitet, zum Teil wird im Hinblick auf Art.
31 Abs. 2 RbEuHb in Verbindung mit § 1 Abs. 3 IRG die Meinung
vertreten, dass es sich bei § 9 Nr. 2 IRG nicht um eine
abschließende Regelung handelt und die Vorschrift durch
bilaterale Verträge verdrängt wird, in denen - wie im
vorliegenden Fall - ohne Einschränkung auf die
Verjährung nach dem Recht des ersuchenden Staates abgestellt
wird (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2007, 113 f.; Böse aaO
§ 82 IRG Rdn. 8 aE m.w.N.).
18
- 15 -
3. Ob - wie das vorlegende Gericht im Ergebnis meint - ein für
den Vertragspartner günstigerer völkerrechtlicher
Vertrag einseitig durch eine nationale Regelung (hier: § 1
Abs. 4 Sätze 2 und 3 IRG) ignoriert werden darf, erscheint dem
Senat zweifelhaft (vgl. BGHSt 33, 310, 315 f.; 35, 67, 71 [unter
Hinweis auf die Wiener Übereinkunft über das Recht
der Verträge]).
19
a) § 1 Abs. 4 Satz 2 IRG idF des - vom
Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18. Juli 2005 für
nichtig erklärten (BVerfGE 113, 273 = NJW 2005, 2289 = StV
2005, 505) - EuHbG vom 21. Juli 2004 (BGBl I 1748) hatte noch
“vertrags- und auslieferungsfreundlich“ bestimmt,
dass § 1 Abs. 3 IRG (Vorrang der Regelungen in
völkerrechtlichen Verträgen [die Bestimmung wurde
durch das EuHbG aF/nF nicht geändert]) “mit der
Maßgabe angewandt wird, dass der Achte Teil [des IRG] den
dort genannten völkerrechtlichen Vereinbarungen, welche jedoch
… hilfsweise anwendbar bleiben, vorgeht“. Nach der
Gesetzesbegründung waren, wenn die Auslieferung nach dem
Achten Teil des IRG nicht möglich war, bestehende
völkerrechtliche Verträge, welche die Auslieferung
zuließen, anzuwenden (BTDrucks. 15/1718 S. 13 f.).
20
Im vorgelegten Fall wäre danach - da die Auslieferung wegen
§ 9 Nr. 2 i.V.m. § 78 IRG nach dem Achten Teil des
IRG nicht möglich wäre - die Anwendbarkeit des
deutsch-polnischen Vertrages vom 17. Juli 2003 zu prüfen.
21
b) Nach den Gesetzesmaterialien zu dem EuHbG (nF) vom 20. Juli 2006
wurde § 1 Abs. 4 Satz 2 IRG aF - der inhaltlich den
Sätzen 2 und 3 des § 1 Abs. 4 IRG im Gesetzentwurf
der Bundesregierung zum EuHbG nF entsprach (vgl. BTDrucks. 16/1024 S.
5) - der “Klarstellung“ wegen geändert. In
der zu dem Gesetzentwurf durchgeführten öffentlichen
Anhörung sei nämlich die Sorge
geäußert worden, dass im Achten Teil enthaltene
Regelungen, obwohl sie lex spe-
22
- 16 -
cialis seien, durch eine hilfsweise Anwendung der sonstigen Teile des
IRG umgangen werden könnten. Der klarstellende Zusatz in
§ 1 Abs. 4 Satz 3 IRG, “soweit nicht der Achte Teil
abschließende Regelungen enthält“, solle
eine solche Fehlinterpretation des Regelungsinhaltes des § 1
Abs. 4 IRG vermeiden (Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses, BTDrucks. 16/2015 S. 11 f.; vgl. hierzu
Böse aaO § 78 IRG Rdn. 1).
Da das EuHbG nF vom EuHbG aF nur abweichen sollte, soweit das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2005 Änderungen und
Ergänzungen gebot - sich das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts aber zu § 1 Abs. 4 IRG nicht
geäußert hat - und zur Vermeidung von Wiederholungen
die Gesetzesbegründung zu dem EuHbG aF zugrunde gelegt wurde
(BTDrucks. 16/1024 S. 10, 11), ist unklar, ob auch für das
EuHbG nF das auslieferungsfreundliche
“Stufensystem“ des EuHbG aF zur Prüfung
eingehender Ersuchen gelten soll (erste Stufe: Erledigung nach dem
Achten Teil des IRG; zweite Stufe [wenn eine Erledigung mangels
Zulässigkeit auf der ersten Stufe nicht in Betracht kommt]:
Zulässigkeit auf Grund einer bestehenden
völkerrechtlichen Vereinbarung; dritte Stufe:
Zulässigkeit auf Grund von Regelungen über die
vertragslose Rechtshilfe - vgl. BTDrucks. 15/1718 S. 14, 15 [zum EuHbG
aF]). Dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 IRG ist dies jedenfalls
nicht zu entnehmen, sondern eher das Gegenteil (vgl. Böhm NJW
2006, 2592, 2594; Hackner/Schomburg/Lagodny/Gleß NStZ 2006,
663, 665: gegenüber dem EuHbG aF werde nunmehr durch
§ 1 Abs. 4 Satz 3 IRG [nF] ausdrücklich klargestellt,
dass es keine allumfassende Meistbegünstigung des ersuchenden
Staates gebe).
23
Es läge allerdings nahe, den völkerrechtlichen
Vereinbarungen entsprechend der Gesetzesbegründung zu
§ 1 Abs. 4 IRG aF Geltung zu verschaffen.
24
- 17 -
4. Der Senat muss dies jedoch nicht entscheiden. Dem vorlegenden
Oberlandesgericht ist nämlich im Ergebnis darin zuzustimmen,
dass § 9 Nr. 2 IRG im vorliegenden Fall nicht durch Art. 4
PL-ErgV EuAlÜbk verdrängt wird. Hierfür ist
letztlich nicht ausschlaggebend, ob der deutsch-polnische Vertrag vom
17. Juli 2003 auch nach der Umsetzung des Rahmenbeschlusses vom 13.
Juni 2002 durch beide Staaten in nationales Recht weiter gilt; denn der
Vertrag ist auf die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger
nicht anwendbar.
25
a) Art. 6 Abs. (1) a EuAlÜbk berechtigt jede der
Vertragsparteien - also auch Deutschland und Polen -, die Auslieferung
eigener Staatsangehöriger abzulehnen. Im Hinblick auf den
uneingeschränkten Auslieferungsschutz, den das Grundgesetz
allen Deutschen bis zur Änderung des Art. 16 Abs. 2 GG durch
das Gesetz vom 29. November 2000 gewährte, hat Deutschland
einen entsprechenden Vorbehalt gemacht (BGBl 1976 II 1778). Auch die
Verfassung der Republik Polen (Art. 55) verbot die Auslieferung eigener
Staatsangehöriger. Polen hat daher von dem Vorbehalt ebenfalls
Gebrauch gemacht (BGBl II 1994, 299). Die polnische Verfassung wurde
erst im Jahre 2006 - also nach dem deutsch-polnischen Vertrag vom 17.
Juli 2003 - dahin geändert, dass die Auslieferung polnischer
Staatsangehöriger möglich ist (vgl. Nalewajko ZIS
2007, 113, 115).
26
b) Der Vertrag zwischen Deutschland und Polen (PL-ErgV
EuAlÜbk) diente lediglich der Ergänzung des
Europäischen Auslieferungsübereinkommens und der
Erleichterung seiner Anwendung. Art. 6 EuAlÜbk wurde nicht
modifiziert. Auch sonst ist dem Vertrag nicht zu entnehmen, dass auf
Grund des Vertrages auch die Auslieferung von
Staatsangehörigen des jeweils ersuchten Staates
möglich sein sollte. Die Denkschrift zu dem Vertrag (BRDrucks.
753/03 S. 14 ff.) enthält ebenfalls keinen Hinweis darauf,
dass die Vertragsparteien - in Abkehr von den erklärten
Vorbehalten - den Anwendungsbereich des EuAlÜbk
27
- 18 -
derart fundamental ausweiten wollten. Folgerichtig sah das deutsche
Gesetz zur Umsetzung dieses Vertrages vom 29. April 2004 (BGBl II 522)
davon ab - wie andernfalls erforderlich (vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG)
-, die Auslieferungsfreiheit des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG als durch den
Vertrag eingeschränkt zu benennen.
c) Der Anwendungsbereich des PL-ErgV EuAlÜbk hat auch nicht
dadurch eine Ausweitung erfahren, dass mit der Umsetzung des
Rahmenbeschlusses vom 13. Juni 2002 durch das Europäische
Haftbefehlsgesetz vom 20. Juli 2006 die Auslieferung deutscher
Staatsangehöriger zum Zwecke der Strafverfolgung
zulässig wurde (§ 80 IRG). Das IRG sieht zwar die
"hilfsweise" Anwendung völkerrechtlicher Vereinbarungen vor,
aber nur, "soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht"
geworden sind (§ 1 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 1 Abs. 3
IRG), also nur so, wie sie getroffen und in innerstaatliches Recht
umgesetzt worden sind. Die Änderung des Art. 16 GG selbst hat
sich - schon wegen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts in Art. 16
Abs. 2 Satz 2 GG (BVerfG StV 2005, 505, 508) - auf die Auslieferung
deutscher Staatsangehöriger nicht ausgewirkt. Das gleiche gilt
für den Rahmenbeschluss (RbEuHb) vom 13. Juni 2002 (vgl.
BVerfG aaO). Es finden sich auch keine Anhaltspunkte dafür,
dass das Europäische Haftbefehlsgesetz vom 20. Juli 2006 - bei
der gebotenen “grundrechtsschonenden Auslegung“
(vgl. BVerfG StV 2005, 505, 508) - die bestehenden
völkerrechtlichen Vereinbarungen - einseitig - inhaltlich
erweitern sollte und konnte.
28
Da der deutsch-polnische Vertrag vom 17. Juli 2003 sich somit nicht auf
die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger bezieht, scheidet
eine Anwendung des Art. 4 PL-ErgV EuAlÜbk im vorliegenden Fall
aus.
29
- 19 -
5. Die Auslieferung des Verfolgten ist daher bereits aus
einfachrechtlichen Gründen nicht zulässig. Es kommt
deshalb nicht mehr darauf an, dass die möglichen gesetzlichen
Voraussetzungen für die Auslieferung, nämlich das
Gesetz zu dem Vertrag vom 17. Juli 2003 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Polen vom 29. April 2004 sowie das
Europäische Haftbefehlsgesetz vom 20. Juli 2006 erst in Kraft
getreten sind, als die Strafverfolgung der Tat nach deutschem
Strafrecht - soweit ersichtlich - bereits absolut verjährt war
(§§ 222, 229 i.V.m. §§ 78 Abs. 1,
Abs. 3 Nr. 4, 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB), und ob die Auslieferung deshalb
gegen ein verfassungsrechtlich garantiertes Rückwirkungsverbot
verstoßen würde (vgl. BVerfGE 25, 269, 286 ff.;
BVerfG NJW 1983, 2757, 2759; BVerfG - Kammer -, Beschluss vom 9. Juli
2007 - 2 BvQ 23/07).
30
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann |