BGH,
Beschl. v. 15.8.2000 - 5 StR 275/00
5 StR 275/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 15. August 2000
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. August 2000
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten B wird das Urteil des Landgerichts
Görlitz vom 28. Januar 2000, soweit es diesen Angeklagten
betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO
a) wegen der Tat vom 5. Januar 1999 im Schuldspruch dahin
abgeändert, daß die Verurteilung wegen
tat-einheitlichen versuchten Mordes entfällt,
b) im Einzelstrafausspruch wegen dieser Tat und im Gesamtstrafausspruch
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die den Nebenklägern im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Revision,
an eine für allgemeine Strafsachen zuständige
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen schwerer
Körperverletzung (zum Nachteil des Nebenklägers F )
in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (zum
Nachteil des Nebenklägers S - Tat vom 5. April 1998,
Einzelstrafe: drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe - und wegen
gemeinschaftlich mit dem Nichtrevidenten G begangenen versuchten Mordes
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum
Nachteil des Zeugen K - Tat vom 5. Januar 1999, Einzelstrafe: sieben
Jahre und sechs Monate - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren
und neun Monaten verurteilt. Die Revision führt mit der
Sachrüge zur Schuldspruchänderung im zweiten Fall
sowie zur Aufhebung der zugehörigen Einsatzstrafe und der
Gesamtstrafe; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Besetzungsrüge ist jedenfalls offensichtlich
unbegründet. Soweit die auf Verletzung des § 265 Abs.
3 StPO gestützte Verfahrensrüge nicht durch den
sachlichrechtlichen Teilerfolg der Revision gänzlich erledigt
ist, erweist sie sich ebenfalls als unbegründet. Die
Aufklärungsrüge ist unzulässsig. Die
sachlichrechtliche Überprüfung des Schuldspruchs im
ersten Fall ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Der zugehörige Einzelstrafausspruch erweist sich als
rechtsfehlerfrei; ebenso läßt sich
ausschließen, daß er von der Höhe der
aufzuhebenden Einsatzstrafe mitbestimmt sein könnte.
Schließlich ist auch die Ablehnung einer Maßregel
nach § 64 StGB sachlichrechtlich nicht zu beanstanden.
Als rechtsfehlerfrei erweist sich auch der Schuldspruch wegen
gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung (in
den Begehungsweisen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 StGB) im
zweiten Fall. Hingegen hält die Annahme bedingten
Tötungsvorsatzes beim Beschwerdeführer
sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die
Tatinitiative war vom Mitangeklagten ausgegangen, bei diesem lag die
eigentliche Tatmotivation; der andere vollzog auch eigenhändig
den - nicht besonders tiefgehenden, ohne tatsächlich
lebensgefährliche Folgen gebliebenen - Messerstich in die
Seite des Opfers. Allein die Billigung eines solchen Messereinsatzes
des Mittäters durch den Beschwerdeführer vermag hier
noch nicht hinreichend sicher zu belegen, daß er die hohe
Hemmschwelle bis hin zur Billigung einer Tötung des Opfers
überwunden hat (vgl. nur BGHR StGB § 212 Abs. 1 -
Vorsatz, bedingter 8, 11, 13, 24, 32). Bei der gegebenen Beweislage ist
auszuschließen, daß ein neuer Tatrichter insoweit
weitergehend begründete tragfähige Feststellungen
treffen könnte; der Senat ändert daher, wie letztlich
auch vom Generalbundesanwalt beantragt, den Schuldspruch - mit der
Folge des Wegfalls der Verurteilung wegen tateinheitlichen Mordes - von
sich aus. Die Beweislage betreffend dem Mitangeklagten, der das -
folglich gegen ihn abgekürzt gefaßte - Urteil nicht
angefochten hat, ist nicht eindeutig gleich gelagert, so daß
die Urteilsaufhebung nicht nach § 357 StPO auf diesen zu
erstrecken ist.
Wegen des geänderten Strafrahmens zieht die
Schuldspruchänderung die Aufhebung der Einsatzstrafe, diese
die Aufhebung der Gesamt-
strafe nach sich. Der Aufhebung zugehöriger Feststellungen,
auch zu den persönlichen Verhältnissen des
Angeklagten und zur Beeinträchtigung seiner
Schuldfähigkeit bei Tatbegehung, bedarf es nicht. Der neue
Tatrichter - nach Wegfall des heranwachsenden Mitangeklagten und des
Schuldspruchs wegen eines Kapitalverbrechens die große
Strafkammer nach § 74 Abs. 1 GVG - wird die Einzelstrafe
für den zweiten Fall - naheliegend aus dem nach
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Normalstrafrahmen
des durch vier Qualifikationsmerkmale verwirklichten § 224
Abs. 1 StGB - und die Gesamtstrafe allein auf der Grundlage der bislang
getroffenen Feststellungen
festzusetzen haben, die allenfalls durch neue widerspruchsfreie
Feststellungen ergänzbar sind.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum |