BGH,
Beschl. v. 15.2.2006 - 2 StR 4/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 4/06
vom 15.2.2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15.02.2006
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf
die Revision des Verurteilten wird das Urteil das Landgerichts Gera vom
22. September 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu
neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen. Gründe: Das Landgericht hat die
nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der
Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 1
StGB angeordnet. Zugleich hat es den Verurteilten in den Vollzug der
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus überwiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Verurteilten, mit der er die
Verletzung sachlichen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1 I. 1. Der Verurteilte wurde am 14. September 1999 durch das
Landgericht Gera wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in
Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen
schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit Verbreitung pornografischer
Schriften und in drei Fällen in Tateinheit mit
Sich-verschaffen kinderpornografischer Schriften sowie wegen sexuellen
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brauchs von Kindern in Tateinheit mit Sichverschaffen
kinderpornografischer Schriften unter Freisprechung im Übrigen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Zu den einzelnen Taten wurden in jenem Urteil
folgende Feststellungen getroffen: a) Im Oktober 1998 fertigte der
Verurteilte auf dem Balkon eines Urlaubshotels in Tunesien zwei Fotos
von seiner damals siebenjährigen Stieftochter L. , die sich
auf seine Anweisung unbekleidet mit gespreizten Beinen so auf einen
Stuhl setzen musste, dass das Geschlechtsteil deutlich zu sehen war. 3
b) An einem Tag im Dezember 1998 fertigte der Verurteilte
zwölf Polaroidfotos und fünfzehn weitere Fotos von L.
und deren achtjähriger Freundin B. L., auf denen jeweils
deutlich deren entblößte Geschlechtsteile zu sehen
waren. Die Polaroidfotos wollte der Verurteilte im Internet verbreiten,
was er mit fünf dieser Fotos im Januar 1999 tat. 4 c) Im
Januar 1999 fertigte der Verurteilte insgesamt 41 Fotos von L. und
deren neunjähriger Freundin S. T., auf denen jeweils die
unbedeckten Geschlechtsteile der Mädchen deutlich zu sehen
waren. Auf sieben dieser Fotos zogen die Mädchen auf
Geheiß des Verurteilten an sich selbst oder dem jeweils
anderen Mädchen die Schamlippen auseinander und fassten sich
oder dem anderen Mädchen an das Geschlechtsteil. 5 d) In der
Nacht vom 13. zum 14. Februar 1999 nahm die gerade achtjährige
L. auf Aufforderung des Verurteilten dessen Geschlechtsteil in den Mund
und manipulierte später daran mit der Hand. 6 e) Im Februar
1999 fotografierte der Angeklagte das unbedeckte Geschlechtsteil der S.
T. und berührte sie daran. 7
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f) An einem anderen Tag im Februar 1999 fertigte der Verurteilte sieben
Fotos von dem entblößten Geschlechtsteil der
neunjährigen M. T. Außerdem cremte er das
Geschlechtsteil ein, während das Mädchen zum
Fotografieren auf dem Bett lag. 8 Das Landgericht hatte
hierfür Strafen von acht Monaten (Fall a), drei Jahren (Fall
b), dreimal jeweils zwei Jahren (Fälle c, d und f) und einem
Jahr und drei Monaten (Fall e) verhängt. 9 2. Vor Begehung
dieser Taten war der Verurteilte bereits zweimal wegen sexuellen
Missbrauchs von Kindern in Erscheinung getreten. Vom Kreisgericht Jena
wurde er wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer
Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Er hatte im Zeitraum von
Ende 1986 bis Mai 1988 mehrfach am Geschlechtsteil von zwei 1977 und
1978 geborenen Mädchen manipuliert und sich von den Kindern an
seinem Penis manipulieren lassen. Weiter wurde er vom Amtsgericht
Weimar am 9. März 1994 wegen fortgesetzten sexuellen
Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und
die später erlassen wurde. Der Verurteilte hatte von Mai bis
Juni 1991 die damals vierjährige Tochter seiner
Lebensgefährtin fotografiert, wobei sich das Kind
entblößen, die Beine spreizen und die Schamlippen
mit den Händen auseinander ziehen musste. Der Verurteilte
nutzte die Fotos, um sich daran sexuell zu erregen, auch sandte er sie
einem Dritten, um dafür Pornovideos zum Tausch zu erhalten. 10
3. In dem Verfahren vor dem Landgericht Gera war der Verurteilte
geständig. Eine Begutachtung durch einen
Sachverständigen erfolgte nicht. Der Verurteilte hatte sich
bereits während des Vollzugs der Untersuchungshaft um eine
Verlegung in die sozial-therapeutische Abteilung der
Justizvollzugsanstalt 11
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Erfurt bemüht. Die Behandlung dort erfolgte vom 1. Dezember
1999 bis zum 24. Juli 2001. Der Verurteilte machte Fortschritte; im
Mai/Juni 2001 kam es jedoch aus ungeklärten Gründen
zu erheblichen Unstimmigkeiten, was zur Rückverlegung in den
Strafvollzug führte. Ein Therapieversuch in der
Justizvollzugsanstalt Tonna im Februar 2002 scheiterte bereits nach
zwei Tagen. Am 12. November 2002 erstattete der
Sachverständige Dr. med. Dipl.-Psych. K. im Auftrag der
Strafvollstreckungskammer ein psychiatrisch-psychologisches Gutachten
zur Frage des Fortbestehens der Gefährlichkeit des
Verurteilten und zur Rückfallprognose. Der
Sachverständige diagnostizierte eine Pädophilie mit
der Qualität einer Perversion, allerdings keine
ausschließliche Fixierung auf ein rein pädophiles
dissexuelles Verhaltensmuster, nachdem der Verurteilte bis zuletzt, zum
Teil über mehrere Jahre, in festen partnerschaftlichen
Beziehungen gelebt, Sexualkontakte mit etwa gleichaltrigen Frauen
gehabt und zwei Kinder gezeugt hatte. Die Gefahr weiterer
Straffälligkeit schätzte er als nicht unerheblich
ein. Der Verurteilte verbüßte die Strafe daraufhin
vollständig bis zum 8. September 2004. Unter dem 23. August
2004 beantragte die Staatsanwaltschaft die nachträgliche
Anordnung der Sicherungsverwahrung und den Erlass eines
Unterbringungsbefehls gemäß § 275 a Abs. 5
StPO, den die Strafkammer zunächst
antragsgemäß erließ. Am 23. September 2004
hob sie den Unterbringungsbefehl auf die Beschwerde des Verurteilten
auf, welcher am selben Tage aus der Justizvollzugsanstalt entlassen
wurde. Am 28. Februar 2005 erließ die Strafkammer auf der
Grundlage des im Verfahren nach § 66 b StGB erstatteten
Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. B. einen neuen
Unterbringungsbefehl, auf Grund dessen der Verurteilte zurzeit
vorläufig untergebracht ist.
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II. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Allerdings hat das Landgericht
zutreffend die formellen Voraussetzungen des § 66 b Abs. 1
i.V.m. § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB und des §
66 b Abs. 2 StGB bejaht. Der nachträglichen Anordnung der
Sicherungsverwahrung steht auch nicht entgegen, dass der Verurteilte
zwischenzeitlich aus der Unterbringung entlassen worden war. Die
Situation durch die Aufhebung des Unterbringungsbefehls stellt sich
nicht anders dar, als wenn das Landgericht den Erlass zunächst
abgelehnt hätte und der Verurteilte nach
Vollverbüßung der Strafhaft auf freien Fuß
gekommen wäre (vgl. Senatsurteil NJW 2005, 3078 - 2 StR 9/05 -
zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Jedoch sind die
materiellen Voraussetzungen des § 66 b Abs. 1 und Abs. 2 StGB
nicht ausreichend dargetan. 12 1. Das Landgericht hat zur Frage der
Gefährlichkeit des Angeklagten die Sachverständigen
Dr. med. B. und Dr. med. St. gehört. Beide
Sachverständige sind in ihren Gutachten zu dem Ergebnis
gelangt, bei dem Verurteilten bestehe eine Kernpädophilie, die
als schwere andere seelische Abartigkeit einzustufen sei. Die
kernpädophile Entwicklung des Verurteilten habe bereits im
Zeitpunkt seiner Verurteilung durch das Landgericht Gera am 14.
September 1999 bestanden; ihre Symptome hätten sich deutlich
in der von Dr. med. K. vorgenommenen Exploration gezeigt. Für
den früheren Tatrichter sei die Kernpädophilie jedoch
nicht erkennbar gewesen. Die beim Verurteilten bestehenden
Verdrängungs- und Verleugnungsmechanismen, die erst durch die
Verhaltenstherapie in der sozial-therapeutischen Anstalt etwas
gelockert und durchbrochen worden seien, hätten damals ein
Erkennen der Kernpädophilie verhindert, auch wenn er
psychiatrisch untersucht worden wäre. Bei dem Verurteilten
liege eine klassische Kernpädophilie im Sinne einer stabilen,
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suchtartigen, unkorrigierbaren Verhaltensweise vor, die ihn immer
wieder neue Sexualstraftaten zum Nachteil von Mädchen im
vorpubertären Alter begehen lasse. Die Triebstörung
sei derart stark, dass der Verurteilte diesem Trieb nicht zu
widerstehen in der Lage sei, so dass mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit neuerliche Sexualstraftaten bis hin zum
Geschlechtsverkehr mit jungen Mädchen zu erwarten seien. Die
Kernpädophilie des Verurteilten sei nicht ambulant
behandelbar. Eine Behandlung könne nur durch Aufbauen und
Verankern von Kontrollmechanismen in einer psychiatrischen Klinik
erfolgen. 2. Das Landgericht hat die bei der Exploration durch Dr. med.
K. hervorgetretenen Anknüpfungstatsachen für die
durch die Sachverständigen Dr. med. B. und Dr. med. St.
diagnostizierte Kernpädophilie als „neue
Tatsachen“ im Sinne des § 66 b Abs. 1 und 2 StGB
angesehen, die während des Vollzugs der Strafhaft festgestellt
worden seien. Grundsätzlich können psychiatrische
Befundtatsachen „neue Tatsachen“ i. S. des
§ 66 b Abs. 1 und 2 StGB sein (vgl. zu einem
„frontal betonten Hirnsubstanzdefekt“ BGH StV 2006,
66 - 4 StR 483/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
Das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. K. ist auch
während der Strafhaft wegen der Anlassverurteilung erstellt
worden, so dass die sich daraus ergebenden Tatsachen, wie es §
66 b Abs. 1 und 2 StGB erfordern, bereits während des Vollzugs
bekannt geworden sind. Hingegen ist die gegenüber der
Begutachtung durch Dr. med. K. anders lautende Bewertung der von diesem
festgestellten Befundtatsachen durch die Sachverständigen Dr.
med. B. und Dr. med. St. keine neue Tatsache im Sinne des Gesetzes
(vgl. BGH StV 2006, 66 - 4 StR 483/05, zur Veröffentlichung in
BGHSt vorgesehen). Zudem sind beide Gutachten erst nach Ende des
Vollzugs erstellt worden, so dass Tatsachen, welche diese beiden
Sachverständigen erstmals festgestellt hätten, nicht
als „neue Tatsachen“ im Sinne des Gesetzes
berücksichtigt werden könnten. 14
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Während des Vollzugs der Strafhaft bekannt gewordene Tatsachen
sind allerdings dann nicht „neu“ im Sinne des
§ 66 b StGB, wenn sie bereits zum Zeitpunkt der
Anlassverurteilung erkennbar waren. Erkennbar waren für den
Tatrichter seinerzeit alle diejenigen Tatsachen, die ein
sorgfältiger Tatrichter mit Blick auf § 244 Abs. 2
StPO hätte aufklären müssen, um entscheiden
zu können, ob eine Maßregel nach
§§ 63, 64, 66, 66 a StGB anzuordnen ist (vgl. BGH StV
2006, 66 - 4 StR 483/05, zur Veröffentlichung in BGHSt
vorgesehen). Rechtsfehler, die durch deren
Nichtberücksichtigung entstanden sind, können nicht
durch Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung
korrigiert werden. 15 Der Verurteilte war hier bereits zweimal wegen
sexuellen Missbrauchs von Kindern strafrechtlich in Erscheinung
getreten. Der Anlassverurteilung lagen mehrere gleichartige Delikte
zugrunde; der Verurteilte hatte sich selbst bei seiner polizeilichen
Vernehmung als „krank“ bezeichnet und sich noch
während der Untersuchungshaft um die Aufnahme in der
sozial-therapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt
bemüht. Unter diesen Umständen drängte sich
eine Begutachtung des Verurteilten durch den Tatrichter im Hinblick auf
die Anordnung einer Maßregel nach §§ 63, 66
StGB geradezu auf. 16 Zwar hat das Landgericht festgestellt, die
Pädophilie des Verurteilten wäre zum Zeitpunkt der
Aburteilung wegen der Anlasstaten auch bei einer psychiatrischen
Begutachtung für den Tatrichter nicht erkennbar gewesen. Es
folgt insoweit der Einschätzung der Sachverständigen
Dr. med. B. und Dr. med. St. , ein psychiatrischer
Sachverständiger hätte seinerzeit wegen der beim
Verurteilten bestehenden Verdrängungs- und
Verleugnungsmechanismen die Pädophilie nicht erkennen
können. Diese Feststellung ist aber nicht ausreichend mit
Tatsachen belegt. Inwieweit Verdrängungs- und
Verleugnungsmechanismen des Verurteilten seinerzeit zu einer
Selbstdarstellung geführt haben 17
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würden, die ein qualifizierter Sachverständiger auch
unter Anwendung entsprechender Untersuchungsmethoden nicht
hätte durchschauen können, ist aus den mitgeteilten
Angaben der Sachverständigen angesichts der
einschlägigen Vortaten und der Vielzahl der gleichartigen
angeklagten Taten nicht nachvollziehbar. Die Urteilsgründe
lassen auch nicht in ausreichendem Maße erkennen, inwiefern
die - abgebrochene - Therapie in der sozial-therapeutischen Abteilung
die Verdrängungs- und Verleugnungsmechanismen des Verurteilten
„etwas gelockert und durchbrochen“ (UA S. 19) und
damit erst die Erhebung der Befundtatsachen durch Dr. med. K.
ermöglicht hat. Diese Urteilsfeststellung bedürfte
hier deshalb näherer Begründung, weil es an anderer
Stelle heißt, dass beim Verurteilten in Bezug auf
„seine psychische Erkrankung“ nach wie vor
ausgeprägte Abwehrmechanismen (Verleugnung, Bagatellisierung,
Rationalisierung, Verdrängung) bestehen (UA S. 21) und die
Verhaltenstherapie nicht zu einer tiefgreifenderen Verarbeitung der
Problematik geführt hat (UA S. 23). Die Sache bedarf deshalb
neuer Prüfung und Entscheidung. Möglicherweise
können der Sachverständige Dr. med. K. und der
Dipl.-Psych. Sch. , der den Verurteilten im Rahmen der
Verhaltenstherapie in der sozial-therapeutischen Abteilung der
Justizvollzugsanstalt Erfurt betreut hatte, Angaben dazu machen,
inwieweit es auch vor Durchführung der Verhaltenstherapie in
der sozial-therapeutischen Anstalt möglich gewesen
wäre, zutreffende Befunde beim Verurteilten zu erheben. 18 3.
Angesichts der Urteilsaufhebung aus vorstehenden Gründen
bedarf die Frage, ob eine Überweisung in den Vollzug der
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus analog § 67
a Abs. 2 StGB zugleich mit der nachträglichen Anordnung der
Sicherungsverwahrung zulässig ist, keiner
abschließenden Entscheidung. 19
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Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist §
67 a Abs. 2 StGB bei der nachträglichen Anordnung der
Sicherungsverwahrung ebenso anwendbar wie bei der Sicherungsverwahrung
nach den §§ 66 und 66 a StGB (BTDrucks. 15/2887 S.
14). Die Möglichkeit, den Verurteilten nachträglich
in den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
oder in einer Entziehungsanstalt zu überweisen, wenn seine
Resozialisierung hierdurch besser gefördert werden kann,
entspricht der verfassungsrechtlichen Anforderung möglichst
weitgehender Schonung des Freiheitsgrundrechts des Verurteilten (vgl.
BVerfGE 109, 190, 242). Dennoch sind bei der Anwendung des §
67 a Abs. 2 StGB die allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen zu
beachten. 20 Bei der Entscheidung nach § 67 a Abs. 2 StGB
handelt es sich grundsätzlich um eine nachträgliche,
d. h. zuständig hierfür ist die
Strafvollstreckungskammer. Die Überweisung durch die
Strafkammer zugleich mit der nachträglichen Anordnung der
Sicherungsverwahrung, mag sie auch „Leerlauf“
verhindern (so Veh in MünchKomm-StGB, § 67 a Rdn. 5;
Horstkotte in LK StGB 10 Aufl. § 67 a Rdn. 12),
entzöge den Verurteilten insoweit seinem gesetzlichen Richter.
Auch darf die gleichzeitige Überweisung nicht zu einer
Umgehung der gesetzlichen Anforderungen bei den verschiedenen
Maßregeln führen. Der Gesetzgeber hat keine
gesetzliche Regelung für die nachträgliche Anordnung
der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geschaffen. Die
Überweisung in den Vollzug dieser Maßregel zugleich
mit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung
birgt die Gefahr, dass Verurteilte, bei denen zum Zeitpunkt der
Verurteilung wegen der Anlasstat die gesetzlichen Voraussetzungen des
§ 63 StGB nicht vorlagen, insbesondere eine erhebliche
Verminderung der Schuldfähigkeit nicht festgestellt worden
ist, dennoch in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden,
obwohl sich ihr „Zustand“ seit der Verurteilung
wegen der Anlasstat nicht verändert hat. Eine solche
Gesetzesanwendung wäre jedenfalls dann, wenn durch die
Unterbringung keine konkrete 21
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Aussicht auf Förderung der Resozialisierung
entstünde, nicht hinnehmbar. Im vorliegenden Fall
bestünden gegen die Anordnung im Urteil deshalb schon insofern
Bedenken, als sich während der Zeit der vorläufigen
Unterbringung im Landesfachkrankenhaus für Psychiatrie und
Neurologie in Mühlhausen „therapeutisch nicht
bewegt“ hat (UA S. 21).
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