BGH,
Beschl. v. 15.1.2003 - 1 StR 464/02
1 StR 464/02
StPO § 261
Bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von
Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer
verfahrensbeendenden Absprache sind, muß die Glaubhaftigkeit
dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht
nachprüfbaren Weise gewürdigt werden. Dazu
gehören insbesondere das Zustandekommen und der Inhalt der
Absprache.
BGH, Beschluß vom 15. Januar 2003 - - LG München I
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
15. Januar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zur Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. Januar 2003
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 10. April 2002, soweit es ihn betrifft, mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Dem Angeklagten E. liegt zur Last, den Mitangeklagten F. und Z. bei
Untreuehandlungen zu Lasten der BBV-Immobilien-Fonds GmbH (im folgenden
BBVI) im Zusammenhang mit der Errichtung des Gewerbe- und
Dienstleistungszentrums in Clarenberg/Frechen Beihilfe geleistet zu
haben. Das Landgericht hat deshalb den Angeklagten E. wegen Beihilfe
zur Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die
Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung
ausgesetzt. Den Mitangeklagten F. hat es wegen Untreue in drei
Fällen unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten
verurteilt. Der Mitangeklagte Z. ist wegen Untreue in vier
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und
sechs Monaten verurteilt worden. Schließlich hat das
Landgericht den Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Untreue in zwei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs
Monaten verurteilt, wobei es die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur
Bewährung ausgesetzt hat. Die drei Mitangeklagten F. , Z. und
S. haben gegen das Urteil keine Rechtsmittel eingelegt. Der Angeklagte
E. wendet sich gegen seine Verurteilung mit seiner auf
Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten
Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Die Mitangeklagten F. und Z. waren Geschäftsführer
der BBVI, einer Tochter der Bayerischen Beamten- und Lebensversicherung
AG (BBV). Geschäftszweck der BBVI war u.a. das Auflegen von
geschlossenen Immobilienfonds. Mit dem Ziel, durch den Erwerb
geeigneter Immobilienobjekte weitere Immobilienfonds aufzulegen, wurden
zahlreiche Kommanditgesellschaften gegründet, deren
Komplementärin die BBVI war. Kommanditisten dieser
KG´s waren in der Regel die Angeklagten F. und Z. .
Im April 1994 schlossen der Angeklagte Z. für die BBVI und der
anderweitig verfolgte M. einen Vertrag zur Gründung der BBV
Immobilien-Fonds GmbH & Co Frechen KG (im folgenden Frechen
KG). Aus dieser ging später der geschlossene
BBVI-Immobilien-Fonds GmbH & Co. Nr. 16 KG hervor. An der
Frechen KG war M. als Kommanditist mit einem Kapitalanteil von neun
Zehntel beteiligt. Zwischen den Mitangeklagten Z. und F. und M. wurde
vereinbart, daß dieser eine Abfindung erhalten solle, wenn er
als Kommanditist ausscheide. Von dem Abfindungsguthaben sollte aber ein
Drittel an den Mitangeklagten Z. ausgezahlt werden, der seinerseits
diesen Betrag zur Hälfte mit dem Mitangeklagten F. teilen
wollte.
Im September 1994 schlossen die Angeklagten F. und Z. für die
Frechen KG mit der Firma i. , Niederlassung Leverkusen, einen
Generalunternehmervertrag für die schlüsselfertige
Erstellung des Gewerbeparks Clarenberg/Frechen zum Pauschalfestpreis
von Netto 44.900.000 DM. Niederlassungsleiter der Firma i. war in
diesem Zeitraum der Angeklagte E. . Nach Beendigung der Bauarbeiten
erstellte der Mitangeklagte S. für die Firma i. eine Rechnung
vom 27. Juni 1995 mit einer vorläufigen Abrechnungssumme von
47.825.945,44 DM netto. In der Rechnung waren ergänzend zur
Auftragssumme Mehr- und Minderkosten sowie Nachträge enthalten.
Als sich herausstellte, daß die Abfindung für M.
höher ausfallen würde als ursprünglich
angenommen, vereinbarten die Mitangeklagten Z. und F. , den
für die Abfindung erforderlichen Betrag, aber auch den eigenen
Anteil daran, aus dem Gesellschaftsvermögen der
BBV-Immobilien-Fonds GmbH & Co. Frechen KG zu entnehmen und
dies über die Firma i. abzuwickeln. Der Mitangeklagte Z. bat
den Angeklagten E. , die Schlußrechnung mit einer
Gesamtabrechnungssumme auszustellen, die ca. dreizehn Millionen DM
höher liegen sollte als die Rechnung vom 27. Juni 1995. Der
Angeklagte E. forderte den Mitangeklagten S. auf, sich
Nachträge für tatsächlich nicht erbrachte
Bauleistungen im Wert von ca. zwölf Millionen DM einfallen zu
lassen. Er wies den Mitangeklagten S. darauf hin, diese Summe bliebe
nicht bei der Firma i. und müsse noch mit der finanzierenden
Bank der Frechen KG abgestimmt werden. Der Mitangeklagte S. gab einem
freien Mitarbeiter der Firma i. Hinweise, wie die Nachträge
gestaltet werden sollten. Mit Fax-Schreiben vom 2. und 9. November 1995
(E. an Z. ) sowie vom 6. November 1995 (Z. an E. ) stimmten der
Angeklagte E. und der Mitangeklagte Z. den Inhalt der
Nachträge ab, um welche die ursprüngliche Rechnung
für das Bauvorhaben Clarenberg/Frechen erhöht werden
sollte. Der Angeklagte E. und der Mitangeklagte S. wußten,
daß den Nachträgen keine tatsächlichen
Bauleistungen bzw. berechtigte Mehrforderungen zugrunde lagen und
nahmen daher in Kauf, daß der Mitangeklagte Z. dem
Gesellschaftsvermögen der Frechen KG durch Zahlungsanweisungen
auf eine überhöhte Schlußrechnung der Firma
i. Nachteile zufügte. Die Firma i. erteilte der Frechen KG am
4. Dezember 1995 die Schlußrechnung für den
Gewerbepark Clarenberg/Frechen über 60.680.148 DM netto
zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer. In der Schlußrechnung
bestätigte er, die Firma i. habe bereits 63.020.000 DM
Abschlagszahlungen inklusive der anteiligen Mehrwertsteuer erhalten.
2. Diese Feststellungen beruhen auf den Geständnissen der
Mitangeklagten F. , Z. und S. . Hierzu ist in den
Urteilsgründen folgendes ausgeführt:
a) Der Angeklagte F. erklärte, daß er prinzipiell im
Sinne der Anklage schuldig sei, jedoch die Daten in der Anklageschrift
von der Realität abwichen. Er ließ durch seinen
Verteidiger eine schriftliche Erklärung vorlegen, in welcher
von ihm eingeräumt wurde, kollusiv mit dem Mitangeklagten Z.
zum eigenen Vorteil zusammengearbeitet zu haben. Die
Abschöpfungssumme zu seinen Gunsten habe allenfalls sechs
Millionen DM betragen. Er wolle aber aus
prozeßökonomischen und familiären
Gründen zu einer Abkürzung des Verfahrens beitragen.
b) Der Angeklagte Z. ließ durch seinen Verteidiger vortragen,
daß die Anklage im Sinne eines Geständnisses richtig
sei. De facto sei der Kaufpreis bei den einzelnen Objekten
erhöht worden. Von den zurückgeflossenen
Geldbeträgen habe er ca. elf Millionen DM behalten und ca.
zehn Millionen an F. weitergegeben. Der Angeklagte Z.
erklärte, daß das Vorbringen seines Verteidigers
richtig sei.
c) Der Angeklagte S. ließ durch seinen Verteidiger eine
schriftliche Stellungnahme als Einlassung verlesen und
erklärte glaubhaft, die schriftliche Einlassung sei richtig.
Zum Objekt Clarenberg gab er auch mündlich glaubhaft an, er
sei für die technische und der Angeklagte E. die
kaufmännische Abwicklung des Objekts verantwortlich gewesen.
Er habe die Rechnung vom 27. Juni 1995 erstellt, die auch sein
Diktatzeichen trage. In dieser Rechnung seien Mehrkosten bereits
berücksichtigt worden. Der Angeklagte E. sei an ihn
herangetreten und habe geäußert, er solle sich wegen
der Nachträge etwas einfallen lassen. Er, S. , habe daraufhin
mit dem freien Mitarbeiter gesprochen, in welcher Weise
Nachträge dargestellt werden könnten.
d) Der Angeklagte E. ließ sich bezüglich des
Objektes Clarenberg dahin ein, daß er von Z. angerufen und
gebeten worden sei, Kosten einzurechnen, die bei diesem, Z. ,
angefallen, aber noch nicht erfaßt worden seien. Er habe
vermutet, es handele sich um Nebenkosten. Der Angeklagte S. habe mit
dem Architekten die Nachträge abgestimmt. Es sei ihm
klargewesen, daß Nachträge in Höhe von
zwölf Millionen DM in der Rechnung der Firma i. nichts zu
suchen gehabt hätten. Er habe keine eigenen Vorteile gehabt.
e) Das Landgericht hat seine Überzeugung nicht auf die
Einlassung des Angeklagten E. gestützt, denn es ist
wörtlich ausgeführt: "Aufgrund der insoweit
glaubhaften Angaben der Angeklagten Z. und S. bezüglich des
Objekts Clarenberg und der verlesenen Schriftstücke
(Rechnungen, Fax-Schreiben, Kalkulationsnotizen, Verfügung vom
9. April 2001, Nr. 1 bis 12 als Anlage des Protokolls) ist das Gericht
davon überzeugt, daß die Angeklagten E. und S.
wußten, daß den Nachträgen in der
Schlußrechnung vom 4. Dezember 1995 in Höhe von
insgesamt zwölf Millionen DM keine äquivalenten
Bauleistungen der Firma i. entgegenstanden und damit billigend in Kauf
nahmen, daß die Geschäftsführer der
BBVI-Nr. 16 KG das Gesellschaftsvermögen durch Zahlung der
unberechtigten Nachforderungen schädigten. Der Angeklagte E.
wußte, daß bereits in der Schlußrechnung
vom 27. Juni 1995 Mehrkosten in Höhe von 2.491.000 DM netto
berücksichtigt waren. Anhaltspunkte für weitere
berechtigte Mehrkosten in Höhe von ca. zwölf
Millionen DM hatte er nicht, als er den Mitangeklagten S. bat, sich
Nachträge in entsprechender Höhe einfallen zu lassen".
II.
Die Revision macht u.a. geltend, das Landgericht habe die Verurteilung
des Angeklagten E. ohne weitere Beweisaufnahme allein auf die
Geständnisse seiner Mitangeklagten gestützt. Weder im
Hauptverhandlungsprotokoll noch in den Urteilsgründen sei
dargelegt, daß diese Geständnisse aufgrund einer
verfahrensbeendenden Absprache abgegeben worden seien, an der sich der
Angeklagte E. nicht beteiligt habe. Die Strafkammer habe mehrere
Verfahrensfehler begangen, weil die Absprache gegen die vom
Bundesgerichtshof aufgestellten Maßstäbe
für die Zulässigkeit von Absprachen im Strafverfahren
verstoße. Das Urteil enthalte aber auch sachlich-rechtliche
Darstellungsmängel. Der von der Strafkammer der Verurteilung
des Angeklagten E. zugrunde liegende Sachverhalt sei aufgrund der
unzureichend dargelegten Beweiswürdigung einer
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
zugänglich.
Der Beschwerdeführer trägt dazu - ohne daß
die Staatsanwaltschaft dem in ihrer Gegenerklärung entgegen
getreten ist - im einzelnen vor, es habe im Zwischenverfahren auf
Betreiben der Strafkammer ein Gespräch zur Vorbereitung der
Hauptverhandlung stattgefunden, an dem die drei Berufsrichter, von
jedem Angeschuldigten zumindest ein Verteidiger sowie Vertreter der
Staatsanwaltschaft teilnahmen. In diesem Gespräch
hätten die Mitglieder der Kammer betont, sie wollten eine
"schlanke" Hauptverhandlung ohne zeitraubende Beweisaufnahme
durchführen, die durch Geständnisse erheblich
abgekürzt werden könnte. Die Berufsrichter
hätten für den Fall von Geständnissen
Strafhöchstgrenzen in Aussicht gestellt. Am ersten
Hauptverhandlungstag sei die Sitzung unterbrochen worden, um zwischen
den Berufsrichtern, den Schöffen, den Verteidigern sowie dem
Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft im Beratungszimmer ein
vertrauliches Gespräch zu führen. Von den Angeklagten
habe an diesem Gespräch keiner teilgenommen. In diesem
Gespräch sei erneut die Möglichkeit erörtert
worden, auf die Beweiserhebung zu verzichten und statt dessen die
Verurteilung lediglich auf geständige Einlassungen der
Angeklagten sowie einige im Selbstleseverfahren einzuführende
Urkunden zu stützen. Die Strafkammer habe ihre Erwartungen zum
Strafmaß erneuert. Der Verteidiger des Angeklagten E. habe
auch an diesem Gespräch teilgenommen, habe aber keine
geständige Einlassung zugesagt. Der Inhalt der
verfahrensbeendenden Absprache sei in öffentlicher
Hauptverhandlung nicht wiederholt und auch im Sitzungsprotokoll nicht
vermerkt worden.
III.
Es kann offen bleiben, ob der Strafkammer Verfahrensfehler unterlaufen
sind, insbesondere, ob es eine mit den Grundsätzen von BGHSt
43, 195 ff nicht vereinbare verfahrensbeendende Absprache mit den
Angeklagten F. , Z. und S. gegeben hat. Denn die
Überprüfung des Urteils aufgrund der
Sachrüge ergibt, daß die Beweiswürdigung
lückenhaft ist. Sie besteht im wesentlichen aus der teilweisen
Wiedergabe der von den Verteidigern verlesenen Erklärungen
dieser drei Angeklagten. Die Strafkammer ist damit ihrer Pflicht nicht
ausreichend nachgekommen, in den Urteilsgründen ihre
Überzeugungsbildung darzulegen. Der Beschwerdeführer
beanstandet mit Recht, es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die
Strafkammer die Geständnisse der Mitangeklagten Z. und S. als
glaubhaft bewertet und auch darauf ihre Überzeugung von der
Beihilfehandlung des Angeklagten E. gestützt hat. Das Urteil
kann deshalb, soweit es den Angeklagten E. betrifft, schon aufgrund
dieses sachlich-rechtlichen Mangels keinen Bestand haben.
1. Für die Verwertung von Geständnissen als Grundlage
einer Verurteilung gilt allgemein, daß der Tatrichter nicht
gehindert ist, dem Geständnis eines Angeklagten Glauben zu
schenken und seine Feststellungen darauf zu gründen, auch wenn
dieser den Anklagevorwurf nur pauschal einräumt. Für
die Bewertung eines Geständnisses gilt der Grundsatz der
freien richterlichen Beweiswürdigung (BGHSt 39, 291, 303). Der
Tatrichter muß, will er die Verurteilung des Angeklagten auf
dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit
überzeugt sein. Wann und unter welchen Umständen er
diese Überzeugung gewinnen darf oder nicht, kann ihm aber
grundsätzlich nicht vorgeschrieben werden. Die Freiheit der
tatrichterlichen Würdigung stößt aber dort
auf Grenzen, wo der Angeklagte nicht etwa die Sachverhaltsannahmen der
Anklage als richtig bestätigt, sondern sich vielmehr, ohne den
Sachverhalt einzuräumen, auf eine Stellungnahme
beschränkt, die gleichsam ein bloß prozessuales
Anerkenntnis oder eine nur formale Unterwerfung enthält (BGH
NStZ 1999, 92 m. w. Nachw.).
2. Der Tatrichter ist auch nicht gehindert, ein Geständnis
für glaubhaft zu halten, wenn der Angeklagte dieses erst
ablegt, nachdem ihm für diesen Fall ein bestimmtes
Strafmaß in Aussicht gestellt wird. Hier gilt folgendes:
a) Wie der Bundesgerichtshof bereits betont hat, darf eine Absprache
über das Strafmaß nicht dazu führen,
daß ein so zustande gekommenes Geständnis dem
Schuldspruch zugrunde gelegt wird, ohne daß sich das Gericht
von dessen Richtigkeit überzeugt. Das Gericht bleibt dem Gebot
der Wahrheitsfindung verpflichtet. Das Geständnis
muß daher auf seine Glaubhaftigkeit
überprüft werden; sich hierzu aufdrängende
Beweiserhebungen dürfen nicht unterbleiben (BGHSt 43, 195, 204
m. w. Nachw.).
b) Dies gilt um so mehr, wenn sich das Strafverfahren gegen mehrere
Angeklagte richtet, von denen nicht alle ein Geständnis
ablegen. Bei der Verurteilung eines Angeklagten aufgrund von
Geständnissen der Mitangeklagten, die Gegenstand einer
verfahrensbeendenden Absprache sind, muß die Glaubhaftigkeit
dieser Geständnisse in einer für das Revisionsgericht
nachprüfbaren Weise gewürdigt werden. Dazu
gehören insbesondere das Zustandekommen und der Inhalt der
Absprache. Denn bei dieser Sachlage besteht unter anderem die Gefahr,
daß die Mitangeklagten den Nichtgeständigen zu
Unrecht belasten, weil sie sich dadurch für die eigene
Verteidigung Vorteile versprechen. Dieses Problem besteht
überall dort, wo "Aufklärungsgehilfen" Vorteile
gewährt werden, etwa bei der Kronzeugenregelung oder der
Strafmilderung nach § 31 BtMG. In einem solchen Fall ist das
Gericht zum einen zu besonderer Rücksichtnahme auf die
Verteidigungsinteressen des nicht geständigen Angeklagten
verpflichtet, zum anderen hat der Tatrichter die Geständnisse
der anderen Angeklagten kritisch zu würdigen (so zutreffend
Kuckein/Pfister, FS aus Anlaß des
fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 641, 657 m. w.
Nachw.). Maßgeblich für die Bewertung ist die
Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Geständnisse. Dies
schließt auch das Zustandekommen, den Inhalt und
gegebenenfalls das Scheitern einer verfahrensbeendenden Absprache mit
ein. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen,
daß sich die geständigen Angeklagten durch ein
Geständnis gegen die Zusage einer - im Einzelfall nicht
schuldangemessenen - Strafe nicht nur eigene Vorteile verschafft,
sondern sich auch zu Lasten des nicht geständigen Angeklagten
eingelassen haben. Fehlen solche Darlegungen in den
Urteilsgründen, so kann dies ein sachlich-rechtlicher Fehler
sein. Dessen ungeachtet bleibt es bei der Verpflichtung, die Absprache
in die Hauptverhandlung einzuführen und im
Hauptverhandlungsprotokoll festzuhalten (BGHSt 43, 195, 205f.).
3. Hier lassen die Urteilsgründe besorgen, daß es
sich bei den Mitangeklagten F. , Z. und S. um nur pauschale
"Geständnisse" aufgrund einer nicht offengelegten
verfahrensbeendenden Absprache gehandelt hat. Darin liegt hier ein
durchgreifender Erörterungsmangel.
a) Zwar haben sich von vier Angeklagten drei "im Sinne der Anklage
für schuldig erklärt". Der Angeklagte F. hat sich
aber lediglich "prinzipiell" im Sinne der Anklageschrift für
schuldig erklärt. Seiner einschränkenden Aussage, die
"Abschöpfungssumme zu seinen Gunsten" habe allenfalls sechs
Millionen DM betragen, ist die Strafkammer nicht näher
nachgegangen. Denn nach der Einlassung des Angeklagten Z. hat dieser
von den zurückgeflossenen zwölf Millionen ca. zehn
Millionen an F. weitergeleitet. Die Erklärung des Angeklagten
F. , er wolle aus familiären Gründen zur
Abkürzung der Beweisaufnahme beitragen,
läßt besorgen, die Verfahrensbeteiligten
hätten sich nach der Abgabe der Erklärungen der
Verteidiger um eine nähere Aufklärung des
Sachverhalts nicht mehr bemüht, um die angesichts der
angerichteten Schäden und der einzubeziehenden Verurteilung
kaum noch angemessene, aber möglicherweise vorher zugesagte
Gesamtstrafe, nicht zu gefährden.
Soweit das Geständnis des Angeklagten Z. mitgeteilt wird,
verteidigt sich dieser damit, er habe den größten
Teil der veruntreuten Gelder an den Angeklagten F. weitergeleitet. So
bleibt letztlich offen, welchen Tatbeitrag und welchen
persönlichen Vorteil die Strafkammer der von ihr festgesetzten
Strafe zugrunde gelegt hat. Zu dem Tatvorwurf der Beihilfe des
Angeklagten E. enthält das mitgeteilte Geständnis
keinerlei Ausführungen. Auch dies läßt
besorgen, daß die Strafkammer sich hinsichtlich der
Beihilfehandlung des Angeklagten E. maßgeblich auf das in
eigener Sache abgegebene Geständnis des Angeklagten Z.
gestützt hat und eine weitere Prüfung des den
Angeklagten E. betreffenden Sachverhalts nicht erfolgt ist.
b) Das Geständnis des Angeklagten S. sowie dessen
zusätzliche mündliche Einlassung enthalten lediglich
Ausführungen dazu, daß der Angeklagte E. an ihn
herangetreten sei und geäußert habe, er solle sich
wegen der Nachträge etwas einfallen lassen. Zu dem Widerspruch
gegenüber der Einlassung des Angeklagten E. , er habe
vermutet, es handele sich um Nebenkosten, die beim Angeklagten Z.
angefallen seien, ist dem Geständnis des Angeklagten S. nichts
zu entnehmen.
4. Ein Beruhen des Urteils auf der
Beweiswürdigungslücke kann der Senat nicht
ausschließen, auch wenn der Angeklagte E. angegeben hat, ihm
sei klar gewesen, daß die Nachträge in Höhe
von zwölf Millionen DM in der Rechnung der Firma i. "nichts zu
suchen gehabt" hätten. Dies läßt sich
jedenfalls nicht ohne weiteres als uneingeschränktes eigenes
Geständnis dieses Angeklagten hinsichtlich seiner Beihilfe zur
Untreue verstehen. Denn der Zusammenhang seiner Einlassung
verdeutlicht, daß er zugleich von tatsächlich
angefallenen Kosten ausging, die noch nicht erfaßt seien. Dem
entspricht, daß die Strafkammer für das Wissen des
Angeklagten E. um das Nichtvorhandensein "äquivalenter
Bauleistungen" in Höhe von zwölf Millionen DM nicht
etwa auch auf dessen eigene Einlassung abhebt, sondern - neben Urkunden
- auf die von ihr für glaubhaft erachteten Angaben der
Mitangeklagten.
Der neue Tatrichter wird sich demnach gegebenenfalls näher mit
der Einlassung des Angeklagten E. auseinandersetzen müssen.
Will er diese - etwa auch nur teilweise - für widerlegt halten
und sich dabei u.a. auf die Geständnisse von Mitangeklagten
stützen, so müssen diese auch im Lichte ihres
Zustandekommens gewürdigt werden.
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