BGH,
Beschl. v. 15.1.2004 - 3 StR 481/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 481/03
vom
15.01.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches
Betätigungsverbot
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am
15.01.2004 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 17. Juli 2003 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§
349 Abs. 2
StPO). Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß die
Angeklagte durch
die Unterzeichnung der Bekenntniserklärung und ihre
organisatorische Beteiligung
an der vom Präsidialrat der PKK beschlossenen Kampagne dem
vollziehbaren
Verbot nach § 18 Satz 2 VereinsG, sich für die PKK zu
betätigen, zuwidergehandelt
und damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG
verwirklicht
hat. Im einzelnen wird hierzu auf das Urteil des Senats vom 27.
März
2003 - 3 StR 377/02 (NJW 2003, 2621 f.) verwiesen.
Ergänzend zu den Ausführungen des
Generalbundesanwalts bemerkt
der Senat:
1. Soweit die Revision als Verstoß gegen § 261 StPO
rügt, das Landgericht
habe sich mit der "aus dem Hauptverhandlungsprotokoll
vollständig er-
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sichtlichen Aussage" der Angeklagten nicht erschöpfend
auseinandergesetzt,
geht sie von einem unrichtigen rechtlichen Ausgangspunkt aus. Dadurch,
daß
der Verteidiger eine vorbereitete schriftliche Erklärung
verlesen und sodann als
Anlage zum Protokoll überreicht hat, ist über deren
Wortlaut kein Beweis erhoben
und dieser damit nicht zum Inbegriff der Hauptverhandlung geworden.
Vielmehr wurde Gegenstand der Hauptverhandlung lediglich der
mündliche
Vortrag durch den Verteidiger und die zustimmende Erklärung
der Angeklagten.
Eine Überprüfung, ob die zusammenfassende Darstellung
dieser Einlassung
in den Urteilsgründen zutreffend und vollständig ist,
ist dem Senat ohne
Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht möglich (vgl.
Beschluß des Senats
vom 14.08.2003 - 3 StR 17/03, zum Abdruck in BGHR StPO § 243
Abs. 4 Äußerung 8 bestimmt; ebenso Park StV 2001,
589, 592).
Nur wenn das Gericht die Verlesung dieses Schriftstücks
angeordnet
und durchgeführt hätte, wäre die Urkunde in
ihrem Wortlaut in die Hauptverhandlung
eingeführt worden und hätte von der Revision als
Maßstab zur Überprüfung
der Beweiswürdigung herangezogen werden können (vgl.
BGHSt 38,
14, 16 f.). Allerdings weist der Senat darauf hin, daß ein
Gericht grundsätzlich
nicht verpflichtet ist, die schriftliche Einlassung eines Angeklagten
als Urkunde
zu verlesen, da seine mündliche Vernehmung nicht durch die
gerichtliche Verlesung
einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden kann (BGH NStZ
2000,
439). Denn nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO erfolgt die
Vernehmung eines Angeklagten
zur Sache nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 StPO, also
grundsätzlich
durch mündliche Befragung und mündliche Antworten
(vgl. KK 5. Aufl. § 243
Rdn. 44 m. w. N.).
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2. Im übrigen wird die vom Landgericht vorgenommene Auslegung
der
Selbsterklärung und die Bewertung des Verhaltens der
Angeklagten den sich
aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen gerecht. Unter
Berücksichtigung
des Kontextes und der Begleitumstände (vgl. BVerfGE 93, 266,
295) ist die Strafkammer mit schlüssigen und nachvollziehbaren
Erwägungen
zum Ergebnis gekommen, daß die Einlassung der Angeklagten, es
sei ihr lediglich
um eine Meinungsäußerung zu dem
Betätigungsverbot gegenüber der
PKK gegangen und nicht um eine gezielte Beteiligung an einer von der PKK
organisierten Kampagne mit dem Ziel, durch massenhafte
Herbeiführung von
Ermittlungs- und Strafverfahren den Strafverfolgungsbehörden
die Ahndung
von Verstößen gegen das vereinsrechtliche
Betätigungsverbot zumindest zu
erschweren, eine Schutzbehauptung darstellt. Insbesondere der Umstand,
daß
sich die Angeklagte und die anderen an der Kampagne Beteiligten nicht
an das
für eine Aufhebung des Betätigungsverbotes
zuständige Bundesinnenministerium,
sondern mit massenhaften gebündelten
Einzelerklärungen an die zur
Verfolgung von Verstößen gegen das vereinsrechtliche
Betätigungsverbot zuständige
Abteilung der Staatsanwaltschaft wandten, rechtfertigt diesen
naheliegenden
Schluß. Im übrigen wird die mangelnde Bereitschaft,
das Verbot zu
befolgen, durch den Umstand bestätigt, daß die
Angeklagte einschlägig vorbestraft
ist und unabhängig von der Selbsterklärungskampagne
durch die finanzielle
Förderung der ERNK in einem weiteren Falle gegen das
vereinsrechtliche
Betätigungsverbot verstoßen hat.
3. Die Strafkammer hat auch bei der Strafzumessung die wertsetzende
Bedeutung der Meinungsfreiheit ausdrücklich beachtet (vgl.
BVerfG NJW 1999,
204, 205; 2002, 1031, 1034). Daß sie diesem Gesichtspunkt ein
zu geringes
Gewicht beigemessen hätte, ist nicht erkennbar. Die im
Verhältnis zu den ge-
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gen andere Unterzeichner der Selbsterklärung
verhängten Strafen höhere Anzahl
von Tagessätzen hat sie mit der einschlägigen
Vorstrafe und dem Umstand
nachvollziehbar begründet, daß sich die Angeklagte
im Gegensatz zu
diesen nicht auf die Unterzeichnung der Erklärung
beschränkt hatte, sondern
erhebliche organisatorische Leistungen zur Förderung der
Kampagne erbracht
und zusätzlich Spenden für die ERNK geleistet hatte
("Vielzahl von Handlungsvarianten").
Daß sich die rechtlich nicht unbedenkliche
Berücksichtigung
der Erklärung der Angeklagten in der Hauptverhandlung auf die
Strafhöhe ausgewirkt
haben könnte, kann der Senat ausschließen.
Tolksdorf Miebach Winkler
Becker Hubert |