BGH,
Beschl. v. 15.1.2004 - 3 StR 490/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 490/03
vom
15.01.2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Nötigung;
hier: Revision des Angeklagten S.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15.01.2004
gemäß § 349
Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil
des Landgerichts Kleve vom 14.08.2003 - auch soweit es
den Mitangeklagten G. betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Kleve
zurückverwiesen.
3. Vorsorglich wird der gegen den Mitangeklagten G. ergangene
Haftbefehl des Amtsgerichts Kleve vom 19. Januar 2003
(10 Gs 97/03) aufgehoben. Der Mitangeklagte G. ist unverzüglich
aus der Strafhaft zu entlassen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Nötigung zu
Freiheitsstrafen
von einem Jahr neun Monaten (Angeklagter G. ) und einem Jahr
(Angeklagter
S. ) verurteilt und die gegen den Angeklagten S. erkannte
Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil hat der
Angeklagte
S. Revision eingelegt. Das auf die Rüge der Verletzung
sachlichen
Rechts gestützte Rechtsmittel hat Erfolg. Die Aufhebung des
Urteils ist gemäß
§ 357 StPO auf den Nichtrevidenten G. zu erstrecken.
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1. Nach den Feststellungen gingen die stark angetrunkenen Angeklagten
in einem Kiosk, in dem sich mehrere Kunden befanden, auf die Inhaberin
zu, wobei der Angeklagte G. äußerte: "Das ist ein
Überfall, gib Geld her".
Die Frau, die die beiden nicht maskierten Angeklagten als Kunden
kannte, ging
zunächst von einem Scherz aus und erwiderte, sie habe
allenfalls 50
Kasse. Daraufhin bedrohte der Angeklagte G. die Frau mit einer
Spielzeugpistole
und forderte die Herausgabe von 50
äußerte, es sei wirklich ernst. Das Tatopfer hielt
die Spielzeugpistole für
eine echte Waffe und bekam Angst. Tatsächlich kam es den
Angeklagten nicht
auf die Herausgabe von Geld an. Vielmehr wollten sie mit der Tat einen
Anlaß
für die Verhaftung zumindest des als Folge seines massiven
Alkoholkonsums
unter erheblichen Beschwerden leidenden Angeklagten G.
herbeiführen und
ihn dadurch aus seinem bisherigen Umfeld herausbringen. Die Frau
übergab
das geforderte Geld nicht, sondern rief die Polizei an. Als sie den
Angeklagten
deren baldiges Eintreffen mitteilte, gingen diese auf die
Straße und warteten
vor dem Kiosk auf die Polizeibeamten, von denen sie sich mit erhobenen
Händen
festnehmen ließen.
Nach Ansicht des Landgerichts haben sich die Angeklagten wegen
vollendeter
Nötigung strafbar gemacht, weil sie durch die Drohung mit der
Spielzeugpistole
den Eindruck eines echten Überfalls erweckt und dadurch die
Geschädigte
zur Verständigung der Polizei - ihrem eigentlichen Ziel -
veranlaßt
hätten.
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Nötigung
hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
Entgegen der Meinung des Landgerichts liegt eine Nötigung
nicht deshalb
vor, weil die Angeklagten ihr eigentliches Ziel, nämlich die
Benachrichti-
4 -
gung der Polizei von dem "Überfall" zum Zwecke ihrer
Festnahme, tatsächlich
erreichten. Es ist schon nicht festgestellt, daß nach ihrer
Vorstellung die Inhaberin
des Kiosk selbst die Polizei verständigten sollte.
Außerdem fehlt es an
der für die Annahme einer Nötigung entscheidenden
Voraussetzung, daß der
Genötigte als Folge des auf ihn ausgeübten Drucks mit
dem von ihm geforderten
Verhalten zumindest begonnen hat (vgl. BGH NStZ 1987, 70 f.; BGH bei
Holtz MDR 1979, 280 f.). Ein vom Täter erstrebtes Verhalten
des Genötigten,
das er von diesem nicht verlangt, ist dafür nicht ausreichend,
weil das durch
§ 240 StGB geschützte Rechtsgut die Freiheit der
Willensentschließung und
Willensbetätigung ist (vgl. Eser in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 240
Rdn. 1; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 240 Rdn.
2). Die Inhaberin des Kiosk
ist der Forderung der Angeklagten zur Herausgabe von 50 !"#$%
nachgekommen. Vielmehr hat sie aufgrund einer autonomen Entscheidung die
Polizei von dem Überfall verständigt.
3. Entgegen der Meinung des Generalbundesanwalts kann der Schuldspruch
nicht dahin abgeändert werden, daß die Angeklagten
der versuchten
Nötigung schuldig sind.
Es fehlen bereits eindeutige Feststellungen zu den für einen
Nötigungsvorsatz
wesentlichen Vorstellungen der Angeklagten über die Reaktion
des
Tatopfers auf ihre Forderung nach Herausgabe der 50
"&(')"*,+'-."'-./lten
Sachverhalt ergibt sich nicht, daß diese davon ausgegangen
sind, die Frau
werde ihnen unter dem Eindruck der Bedrohung mit der Spielzeugpistole
das
Geld sicher aushändigen oder dies zumindest für
möglich gehalten und billigend
in Kauf genommen haben. Unter den besonderen Umständen der Tat,
insbesondere angesichts des eigentlichen Ziels der Täter,
erscheint eine Vorstellung
der stark angetrunkenen Angeklagten, die bedrohte Frau werde sich
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- wie tatsächlich geschehen - nicht einschüchtern
lassen, nicht von vorneherein
ausgeschlossen, zumal der Angeklagte G. schon einmal in einem
Uhrengeschäft
unter Vorhalt eines Messers ohne Erfolg die Herausgabe von Geld verlangt
und anschließend auf das Eintreffen der Polizei gewartet
hatte (UA S. 3).
Unterstellt, die Angeklagten hätten die Kioskbetreiberin in
der Vorstellung
bedroht, sie werde ihnen unter dem Druck der Drohung Geld herausgeben,
das sie freilich nicht behalten wollten, so hätten die
getroffenen Feststellungen
zu der Prüfung gedrängt, ob die Angeklagten
strafbefreiend von der
versuchten Nötigung zurückgetreten sind (§
24 Abs. 2 Satz 1 StGB). Von einem
fehlgeschlagenen Versuch, der einem strafbefreienden Rücktritt
entgegenstehen
würde, ist aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht
auszugehen.
Die Angeklagten haben das Tatopfer nicht weiter bedroht und die
Herausgabe
von Geld nicht mehr verlangt, obwohl ihnen dies trotz der
Benachrichtigung
der Polizei noch möglich gewesen wäre. Daß
die Angeklagten mit der
Verständigung der Polizei von dem "Überfall" ihr
außertatbestandliches Handlungsziel
erreicht hatten, schließt die
Rücktrittsmöglichkeit weder wegen eines
fehlgeschlagenen Versuchs noch wegen Unfreiwilligkeit aus (vgl. BGHSt
39,
221, 232 f.).
4. Der dargestellte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des
Urteils, gemäß
§ 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten G. , der kein
Rechtsmittel
eingelegt hat. Der Senat hat von der Möglichkeit des
§ 354 Abs. 3 StPO Gebrauch
gemacht und die Sache an das Amtsgericht Kleve zurückverwiesen.
Der neue Tatrichter wird, sollten sich die Voraussetzungen eines
strafbaren
Versuchs der Nötigung nicht feststellen lassen, auch
Gelegenheit zu der Prüfung
haben, ob sich die Angeklagten wegen Bedrohung (§ 241 StGB)
strafbar
gemacht haben.
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Vorsorglich hat der Senat gemäß § 120 Abs.
1 Satz 1, § 126 Abs. 3
StPO den gegen den Angeklagten G. ergangenen, mit Rechtskraft des
Urteils gegenstandslos gewordenen Haftbefehl des Amtsgerichts Kleve vom
19. Januar 2003 (10 Gs 97/03) aufgehoben (vgl. Meyer-Goßner,
StPO 46. Aufl.
§ 120 Rdn. 15).
Tolksdorf Winkler von Lienen
Becker Hubert |