BGH,
Beschl. v. 15.3.2001 - 3 StR 57/01
3 StR 57/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
15. März 2001
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 15. März 2001
gemäß §§ 44, 46 Abs. 1, 349 Abs. 2
StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung von
Verfahrensrügen wird auf seine Kosten als unzulässig
verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stade
vom 14. September 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit
unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt
über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe und mit dem
Führen derselben zu einer Freiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt.
1. Wie der Generalbundesanwalt näher dargelegt hat, ist das
Wiedereinsetzungsgesuch unzulässig, da infolge der rechtzeitig
erhobenen Sachrüge die Revisionsbegründungsfrist
nicht versäumt worden war und eine von der Rechtsprechung
anerkannte Ausnahmesituation zur Gewährung von
Wiedereinsetzung zur Ergänzung der bisherigen
Revisionsbegründung nicht gegeben ist (st. Rspr., vgl. BGHSt
1, 44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3, 7). Im
übrigen weist der Senat daraufhin, daß die
sachlichrechtlichen Ausführungen in dem nachgereichten
Schriftsatz vom 13. Dezember 2000 unbeschadet des Fristablaufs vom
Senat berücksichtigt werden konnten und mußten und
daß die beiden - verspäteten -
Verfahrensrügen den Bestand des Urteils aus den nachfolgend
genannten Gründen ohnehin nicht hätten
gefährden können.
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge
hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Die Strafkammer hat einen bedingten Tötungsvorsatz, der
sich bei den festgestellten Tatumständen und den
vorausgegangenen Drohungen des Angeklagten regelrecht
aufgedrängt hatte, ohne Rechtsfehler bejaht. Daß sie
im Schuld- und Strafausspruch nicht berücksichtigt hat,
daß sich dieser bedingte Tötungsvorsatz auf alle
vier im Eingangsbereich befindlichen Gäste bezogen hatte, weil
der Angeklagte auf diese Gruppe und nicht auf einen einzelnen von ihnen
gezielt und dabei seine Waffe leer geschossen hatte, weshalb er wegen
versuchten Totschlags in vier tateinheitlich begangenen Fällen
hätte verurteilt werden müssen (vgl. BGH, Beschl. vom
6. September 2000 - 3 StR 226/00), beschwert ihn nicht.
b) Soweit die Verteidigung beanstandet, daß die Strafkammer
nicht die Voraussetzungen des § 213 StGB bejaht hat,
übersieht sie, daß dies für den Angeklagten
nachteilig gewesen wäre, da der Strafrahmen des § 213
StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren höher als
der zweifach gemilderte Strafrahmen nach §§ 21, 23,
49 Abs. 1, 212 StGB ist. Im übrigen weist weder die
Strafrahmenwahl noch die engere Strafzumessung einen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten auf.
3. Die verspäteten Verfahrensrügen hätten
der Revision nicht zum Erfolg verhelfen können. Ob der
Beweisantrag zum Beweis der Tatsache, daß sich der Angeklagte
die Waffe zum Eigenschutz besorgt hatte, als bedeutungslos
hätte abgelehnt werden dürfen, kann dabei offen
bleiben, da die Strafzumessung auf einem etwaigen Fehler nicht beruhen
würde. Die Strafkammer hat die Strafe dem zweifach gemilderten
Strafrahmen des § 212 StGB entnommen und dabei lediglich
ergänzend berücksichtigt, daß
tateinheitlich zwei Tatbestände des Waffengesetzes
verwirklicht worden sind. Dabei hat sie jedoch rechtsfehlerhaft zu
Gunsten des Angeklagten die Voraussetzungen einer - ohnehin rechtlich
zweifelhaften - erheblichen Minderung der Schuld nach § 21
StGB auf Grund der erheblichen Alkoholisierung und Erregung des
Angeklagten auch für die Tatbestände des bereits seit
Monaten begangenen Tatbestandes der Ausübung der
tatsächlichen Gewalt und für das ebenfalls schon vor
Trinkbeginn erfolgte Führen der halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe angenommen. Durch diesen Fehler zu Gunsten des
Angeklagten wäre eine etwaig unterbliebene
Berücksichtigung des Selbstschutzes bei der Gewichtung der
Waffenverstöße mehr als ausgeglichen.
Der Antrag auf Einnahme eines Ortsaugenscheins "zur Klärung
der Sichtverhältnisse" stellt keinen Beweisantrag dar, da es
an der Angabe einer konkreten unter Beweis gestellten Tatsache fehlt.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 26. Februar 2001, hier eingegangen
am 15. März 2001, hat bei der Beratung vorgelegen.
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen |