BGH,
Beschl. v. 15.3.2001 - 5 StR 591/00
5 StR 591/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 15. März 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Vergewaltigung u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2001
beschlossen:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten T wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 10. März 2000 nach § 349
Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit dieser
Angeklagte verurteilt worden ist.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. 1. Die Revisionen der Angeklagten L und Z gegen
das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet
verworfen.
2. Jeder dieser beiden Beschwerdeführer hat die Kosten seines
Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Vergewaltigung in
Tateinheit mit Geiselnahme und mit gefährlicher
Körperverletzung verurteilt;
es hat gegen die Angeklagten L und T Freiheitsstrafen von jeweils
vier Jahren und gegen den Angeklagten Z , der ferner wegen Widerstandes
gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher
Körperverletzung
verurteilt wurde, eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren
und drei Monaten verhängt. Die Revision des Angeklagten T hat
mit
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einer Verfahrensrüge Erfolg, die Revisionen der beiden anderen
Angeklagten
sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Hinsichtlich der beiden letztgenannten Revisionen merkt der Senat
ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts
folgendes an:
a) Mit Rücksicht auf generell nicht linearen Alkoholabbau
rechtfertigen
zwei Blutproben nicht, der Berechnung der Blutalkoholkonzentration
“individuelle”
Abbauwerte zugrunde zu legen (vgl. BGHR StGB § 21 -
Blutalkoholkonzentration
24). Der Fehler hat sich hier nicht ausgewirkt, da Vollrausch
bei den Angeklagten nach hinreichend aussagekräftigen
psychodiagnostischen
Kriterien auszuschließen war und § 21 StGB Anwendung
gefunden
hat.
b) Daß der Tatrichter den Angeklagten L ausdrücklich
als alkoholkrank
bezeichnet (UA S. 74), die Frage seiner Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) aber dennoch ungeprüft
gelassen hat, begründet
hier keine durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken. Der Angeklagte
hat mit seiner Revision keine entsprechende Beanstandung erhoben;
ob bereits hieraus eine entsprechende Rechtsmittelbeschränkung
(BGHSt 38, 362) abzuleiten ist, bedarf keiner Entscheidung. Ebenso wenig
muß entschieden werden, ob bereits an der Sprachunkundigkeit
des Angeklagten
das Erfordernis hinreichend konkreter Aussicht eines Behandlungserfolges
(BVerfGE 91, 1) scheitern müßte, was der Senat
für naheliegend
hält (a.A. BGH StV 1998, 74; zweifelnd BGHSt 36, 199).
Jedenfalls war im
vorliegenden Fall ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang und
Tatbegehung nicht so eindeutig, daß deshalb die Frage der
Unterbringung
nach § 64 StGB im Urteil unbedingt abgehandelt werden
mußte; eine solche
Erörterung wäre freilich hier gerade nach den Angaben
des psychiatrischen
Sachverständigen angezeigt gewesen.
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2. Die Revision des Angeklagten T hat mit einer auf die Verletzung
des Fragerechts gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
Der Beschwerdeführer hatte sich nicht zur Sache eingelassen;
die
Mitangeklagten hatten sich damit verteidigt, die Geschädigten,
nämlich die
beiden Frauen und insbesondere der Zeuge A , hätten sie nach
gemeinsamer
Feier bestohlen oder gar beraubt (s. UA S. 40 ff.); die Anzeige
der abgeurteilten Tat durch die Geschädigten wurde als deren
“Vorwegverteidigung”
erklärt (UA S. 42, 48). Bei dieser Beweislage war der
Verteidiger
des Beschwerdeführers zur Überprüfung der
Glaubwürdigkeit auch durch
§ 68a StPO nicht offensichtlich gehindert, den Zeugen A nach
etwaigen
Vorstrafen zu fragen, und zwar nicht nur Aussagedelikte betreffend,
sondern auch schwere Straftaten, aus denen ein mögliches Indiz
für die der
Zeugendarstellung entgegenstehende Angeklagtenversion herzuleiten war.
Unter dieser Voraussetzung beanstandet die Revision es zutreffend als
verfahrensfehlerhaft, daß die Frage des Verteidigers nach
Aufenthalten des
Zeugen in einem deutschen Gefängnis oder Polizeigewahrsam ohne
jede
Begründung und Einschränkung nicht zugelassen und
daß dies durch Gerichtsbeschluß
bestätigt wurde. Eine berechtigte, von § 241 Abs. 2
StPO
gedeckte Zurückweisung dieser Frage versteht sich jedenfalls
ohne jede
Begründung nicht von selbst (vgl. BGHR StPO § 241
Abs. 2 - Zurückweisung
3; BGH, Beschluß vom 17. November 2000 - 3 StR 389/00 -; vgl.
auch
BGHSt 2, 284; 13, 252).
Der Senat sieht sich nicht in der Lage, ein Beruhen der - mindestens
ergänzend auf die Aussage des Zeugen A gestützten -
Verurteilung
des Beschwerdeführers auf dem Verfahrensfehler
auszuschließen. Dies läßt
sich insbesondere auch nicht durch folgende Erwägungen
erreichen: Ein
Verteidiger, der durch eine verfahrensfehlerhafte
Fragezurückweisung in
seiner Verteidigungsführung eingeschränkt wurde, wird
im weiteren Verlauf
der Vernehmung gelegentlich die Chance suchen, die bereits mit der zu-
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rückgewiesenen Fragestellung berechtigt erstrebte Information
im weiteren
Verlauf der Vernehmung durch andere, eingeschränkte oder
umgestellte und
dann möglicherweise nicht beanstandete Fragen doch noch zu
erhalten. Allerdings
ist der Verteidiger zu solchem Vorgehen regelmäßig
nicht unbedingt
gehalten. Hier ist nichts für einen solchen weiteren
Vernehmungsablauf ersichtlich.
Insbesondere vermag der Senat ihn nicht etwa eindeutig dem Urteil
oder gar dem Protokoll zu entnehmen. Auch aus dem eigenen Vortrag der
Revision ergibt sich dafür nichts, ebenso wenig aus der
Gegenerklärung der
Staatsanwaltschaft, etwa aufgrund einer Stellungnahme der
Strafkammervorsitzenden
hierzu. Eine eigene inhaltliche Rekonstruktion der Hauptverhandlung
hinsichtlich des Ablaufs der weiteren Zeugenvernehmung ist dem
Senat bei der Beruhensprüfung versagt. Für den
Sonderfall einer insgesamt
ungewöhnlich eingehenden Zeugenbefragung durch den Verteidiger
mit ersichtlich
erschöpfendem Informationsgewinn (vgl. BGH NStZ 1982, 158, 159;
BGH, Beschluß vom 17. November 2000 - 3 StR 389/00 -) ist
hier auch
nichts ersichtlich.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum |