BGH,
Beschl. v. 15.5.2001 - 3 StR 153/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 153/01
vom
15. Mai 2001
in der Strafsache gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts, zu Ziff. 2.
auf dessen Antrag, am 15. Mai 2001 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kleve vom 24. Januar 2001 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe
wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung
verurteilt wurde;
b) im Gesamtstrafenausspruch;
c) hinsichtlich der Einziehungsanordnung.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung und schweren Raubes in Tateinheit mit
(vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt
sowie ein sichergestelltes "Ventilhandrad (Schlagring)" und eine
sichergestellte Schreckschußpistole nebst Magazin und
fünf Patronen eingezogen. Hiergegen richtet sich die Revision
des Angeklagten. Er beanstandet das Verfahren und rügt die
Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der
Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen die Verurteilung des Angeklagten
wegen gefährlicher Körperverletzung im Fall II. 1.
der Urteilsgründe und die insoweit festgesetzte
Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr wendet.
2. Dagegen führt schon die Sachrüge zur Aufhebung des
Schuldspruchs im Fall II. 2. der Urteilsgründe, der
Gesamtstrafe und der Einziehungsanordnung. Das Urteil
ermöglicht dem Senat nicht die Prüfung, ob das
Landgericht den Angeklagten ohne Rechtsfehler wegen schweren Raubes
gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a StGB verurteilt hat.
a) Nach den Feststellungen traf der Angeklagte während einer
Zugfahrt den Zeugen C. , der sich etwa fünf Jahre vorher ca.
30 DM zur Beschaffung von Rauschgift vom Angeklagten geliehen hatte.
Das Geld hatte der Angeklagte in den Folgejahren von C. mehrfach unter
Androhung von Gewalt zurückgefordert. Der Angeklagte forderte
C. auch jetzt zur Begleichung der Schuld auf. Noch ehe dieser hierauf
reagieren konnte, schlug ihm der Angeklagte mit der Faust in das
Gesicht, um ihm die Geldbörse zu entwenden, die C. bereits in
der Hand hielt, um beim Eintreffen des Schaffners eine Fahrkarte zu
lösen. Der Angeklagte riß dem durch den Faustschlag
benommenen C. die Geldbörse aus der Hand, entnahm dieser einen
100 DM-Schein und schlug C. danach nochmals mit der Faust in das
Gesicht. Unmittelbar danach übergab der Angeklagte eine mit
fünf Patronen geladene "Gas-/Schreckschußpistole"
und "ein als Schlagring verwendbares Ventilrad eines Wasserhahns", die
er während der Tat "griff- und gebrauchsbereit" am
Körper getragen hatte, zusammen mit dem Geldschein seiner ihn
begleitenden Freundin S. . Er forderte diese auf, die Sachen
wegzustecken und bei einer Befragung durch die Polizei zu
erklären, "die Waffe und der Schlagring" gehörten
ihr. Die Geldbörse warf er in Richtung des Zeugen C.
zurück.
b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen
Raubes nicht, denn sie lassen die Möglichkeit offen,
daß der Angeklagte den ersten Faustschlag gegen C. nur
deswegen führte und ihm die Geldbörse nur deshalb
entriß, um sich hieraus 30 DM zur Befriedigung seines
Rückzahlungsanspruchs zu entnehmen. Wollte er aber
zunächst nicht mehr Geld wegnehmen als ihm C. schuldete, kommt
ein die Verurteilung wegen Raubes ausschließender
Tatbestandsirrtum in Betracht. Denn der Täter, der
irrtümlich annimmt, sich das weggenommene Geld zueignen zu
dürfen, befindet sich in einem den Vorsatz
ausschließenden Tatbestandsirrtum über die
Rechtswidrigkeit der Zueignung (st. Rspr.; vgl. BGHSt 17, 87, 91; BGH
NJW 1990, 2832; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 10).
Feststellungen dazu, was der Angeklagte konkret wollte, enthalten die
Urteilsgründe nicht. Dies durfte hier nicht
unerörtert bleiben.
Sollte sich der Angeklagte erst zur Wegnahme von mehr als 30 DM
entschlossen haben, als er die Geldbörse bereits in
Händen hielt, und sich ursprünglich über
seine Berechtigung zur Aneignung des ihm von C. geschuldeten Betrages
im Wege der Selbsthilfe geirrt haben, käme - neben der
Verurteilung wegen tateinheitlicher vorsätzlicher
Körperverletzung - statt eines Schuldspruch wegen Raubes
lediglich ein solcher wegen Nötigung (Faustschlag zur Duldung
der Wegnahme der Geldbörse) und Diebstahls (des 30 DM
übersteigenden Betrages) oder ggf. (s. unten c) Diebstahls mit
Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) in Betracht.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird die insoweit
notwendigen weiteren Feststellungen zu treffen haben. Dabei
könnte es ein Indiz für den Umfang der
ursprünglichen Zueignungsabsicht des Angeklagten sein, wenn
die Geldbörse des Zeugen C. den Betrag von 30 DM in passenden
Geldscheinen oder -münzen enthalten haben sollte oder
zumindest Bargeld in einer Stückelung vorhanden war, die zur
Befriedigung eines Anspruchs über 30 DM nicht die Wegnahme des
100 DM-Scheines erfordert hätte. Ebenso könnte es
einen Schluß auf die ursprünglichen Absichten des
Angeklagten zulassen, falls dieser der Geldbörse mit dem 100
DM-Schein nicht das gesamte darin befindliche Bargeld entnommen haben
sollte.
c) Unabhängig von dem dargestellten Erörterungsmangel
tragen die Feststellungen aber auch nicht die Verurteilung des
Angeklagten wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. a StGB. Denn sie belegen nicht, daß der Angeklagte
bei der Tat ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser
Vorschrift bei sich geführt hätte.
Das Urteil läßt offen, mit welcher Munition die
"Gas-/Schreckschuß-
pistole" geladen war. War es Gasmunition, stellte die Pistole nur dann
ein gefährliches Werkzeug dar, wenn beim Abfeuern das Gas
durch den Lauf nach vorn ausgetreten wäre (BGHSt 45, 92, 93;
BGH NStZ 1999, 301, 302; BGH, Urt. vom 25. April 2001 - 3 StR 533/00).
Hierzu verhält sich das Urteil nicht. War die Pistole dagegen
mit Platzpatronen aufmunitioniert, konnte sie nur durch eine
für das Opfer gefährliche Art der Verwendung
(zumindest Bedrohung in Nahdistanz) zu einem gefährlichen
Werkzeug werden (s. etwa BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2;
BGH NStZ-RR 1999, 102 f.). Ein Einsatz der Pistole ist hier indessen
nicht festgestellt.
Ob das Ventilrad so beschaffen war, daß es
tatsächlich ohne weiteres als Schlagring im Sinne des
§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WaffG (s. dazu auch OLG
Zweibrücken MDR 1990, 1039) oder als sonstiges
gefährliches Werkzeug bezeichnet werden kann, lassen die
Feststellungen mangels näherer Beschreibung des Gegenstandes
ebenfalls nicht hinreichend erkennen.
d) Der Schuldspruch wegen schweren Raubes hat daher keinen Bestand.
Dies führt auch zur Aufhebung der - für sich gesehen
rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilung wegen
vorsätzlicher Körperverletzung (Kuckein in KK-StPO 4.
Aufl. § 353 Rdn. 10 und 12 m.w.Nachw.), der Gesamtstrafe sowie
der allein auf die Tat des Falles II. 2. der Urteilsgründe
gestützten Einziehungsanordnung. Diese hätte jedoch
auch für sich genommen nicht bestehen bleiben können,
denn die Einziehungsvoraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB sind
nicht belegt. Der Angeklagte hat die Pistole und das Ventilrad bei
Tatbegehung nicht
benutzt. Es ist bisher auch nicht festgestellt, daß diese
Gegenstände von ihm zur Tatbegehung bestimmt gewesen
wären. Er hat sie lediglich bei der Tat mit sich
geführt. Dies allein rechtfertigt die Einziehung nach
§ 74 Abs. 1 StGB nicht.
Rissing-van Saan Miebach Pfister RiBGH von Lienen ist urlaubsbedingt
Becker ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.
Rissing-van Saan
- 2 -
- 2 - |