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BGH, Beschluss vom 15. Mai 2002 - 4 StR 140/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 15.5.2002 - 4 StR 140/02
4 StR 140/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
15. Mai 2002
in der Strafsache gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. Mai 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 4. Dezember 2001
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der schweren Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schußwaffe schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer Schußwaffe unter Einbeziehung mehrerer rechtskräftiger Urteile zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 14

Die Überprüfung des Urteils weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, soweit das Landgericht ihn der schweren Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schußwaffe für schuldig befunden hat. Dagegen hat die Verurteilung des Angeklagten wegen - ebenfalls tateinheitlich verwirklichten - versuchten Totschlags keinen Bestand, weil das Landgericht die sich hier aufdrängende Frage strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB nicht geprüft hat.
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 15. April 2002 näher dargelegt hat, ergeben die Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht, daß der Angeklagte, als er den Geschädigten nach den Gewalthandlungen verließ, davon ausging oder es zumindest für möglich hielt, dieser werde an den Verletzungsfolgen sterben. Im Gegenteil legen die Feststellungen nahe, daß der Angeklagte, der zuvor dem Opfer die Schuhe ausgezogen hatte, um "damit eine Verfolgung seiner Person durch den Geschädigten zu verhindern", und ihm noch zugeschrieen hatte: "Schwule Sau, verpiß dich und laß´ dich nicht mehr blicken!" (UA 24), einen tödlichen Ausgang in diesem Augenblick gerade nicht (mehr) in Rechnung stellte (zum - auch korrigierten - sog. Rücktrittshorizont vgl. BGHSt 36, 224; 39, 221). Bei dieser Sachlage war der Versuch des Totschlags unbeendet, so daß der Angeklagte durch bloße Aufgabe der weiteren Ausführung des Tötungsdelikts von diesem strafbefreiend zurücktreten konnte.
Die Feststellungen stehen auch nicht der Annahme entgegen, daß der Angeklagte freiwillig von der ihm möglichen Vollendung der Tat abgesehen hat. Denn subjektive oder objektive Umstände, die den Angeklagten gehindert haben könnten, das Tötungsvorhaben weiterzuverfolgen, sind auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 24).
Der Vorwurf des versuchten Totschlags muß daher entfallen. Der Senat kann die entsprechende Änderung des Schuldspruchs von sich aus vornehmen; denn er schließt auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses aus, daß sich auf Grund neuerlicher Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen treffen lassen, die mit der gebotenen Sicherheit die Annahme strafbefreienden Rücktritts ausschließen könnten.
Die Schuldspruchänderung hat aber die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge. Über diesen ist deshalb neu zu befinden.
Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanovic Ernemann


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