BGH,
Beschl. v. 15.11.2000 - 2 StR 413/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 413/00
vom
15. November 2000
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. November
2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda
vom 20. Juni 2000 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten
gewerbsmäßigen Handels mit
Betäubungsmitteln in 20 Fällen und wegen unerlaubter
Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in
weiteren 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die
Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Revision erweist sich
zum Schuld- und Strafausspruch als unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO. Die Sachrüge hat jedoch Erfolg,
soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist.
Der Generalbundsanwalt hat dazu folgendes ausgeführt:
"Keinen Bestand haben kann das Urteil jedoch, soweit die Strafkammer
davon abgesehen hat, gemäß § 64 StGB die
Unterbringung des Beschwerdeführers in einer
Entziehungsanstalt anzuordnen. Nach den Feststellungen des Urteils
konsumierte der zur Tatzeit 42jährige Angeklagte seit langem
Betäubungsmittel. Seit seinem 15. Lebensjahr rauchte er
Haschisch; später hat er Kokain inhaliert, gelegentlich auch
Heroin und Haschisch geraucht. Für die letzte Zeit vor seiner
Verhaftung hat die Strafkammer sogar ausdrücklich eine
psychische Abhängigkeit von Kokain festgestellt. Schon die
seiner Verurteilung vom 29. April 1999 wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln zugrunde liegenden Taten hatte der
Angeklagte begangen, um sich Geld für seinen Drogenkonsum zu
beschaffen. Auch für die nunmehrigen Taten ist festgestellt,
daß ´er mit dem Ziel handelte, durch die
Verkäufe diese Sucht mit zu finanzieren´.
Angesichts dieser Feststellungen hätte die Frage einer
Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
nach § 64 StGB nicht unerörtert bleiben
dürfen. Ein Hang im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur bei
einer auf körperlicher Sucht beruhender Abhängigkeit
anzunehmen. Unter den Begriff fällt vielmehr auch die
eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch
Übung erworbene intensive Neigung zu ständigem und
übermäßigem Konsum von Rauschmitteln (st.
Rspr.; vgl. BGH StGB § 64 Abs. 1 Hang 1, 4 und 5). Eine solch
intensive und tiefverwurzelte Neigung belegen die
Urteilsfeststellungen, wenn in ihnen darüber hinausgehend
sogar schon von Sucht (infolge psychischer Abhängigkeit) die
Rede ist, ebenso wie den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang
und den Taten. Dafür, daß keine konkrete Aussicht
bestünde, den Angeklagten zu heilen oder doch über
eine gewisse Zeitspanne vor Rückfall zu bewahren, ist dem
Urteil nichts zu entnehmen. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann auf
eine (bisher unterbliebene) Prüfung der Frage der
Unterbringung nach § 64 StGB durch das Tatgericht nicht
verzichtet werden.
Der Strafausspruch wird durch die Teilaufhebung nicht berührt.
Denn es kann ausgeschlossen werden, daß das Tatgericht bei
Anordnung der Unterbringung auf eine noch mildere Strafe erkannt
hätte."
Dem schließt sich der Senat an.
Jähnke Otten Rothfuß
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