BGH,
Beschl. v. 15.10.2002 - 3 StR 340/02
3 StR 340/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
15. Oktober 2002
in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 15. Oktober 2002 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mönchengladbach vom 14. Mai 2002, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit
der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des
Angeklagten hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen
Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen (Fall II. 5. der Urteilsgründe)
ließ eine Gruppe von
Betäubungsmittelhändlern, zu der auch der
Mitangeklagte A. gehörte, 3.282 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt
zwischen 72,4 % und 78,7 %) durch einen Kurier von Brasilien in die
Bundesrepublik Deutschland einführen, um es gewinnbringend
weiterzuveräußern. Der Angeklagte wartete am
Ankunftsterminal des Flughafens in Berlin auf den Kurier, den er
abholen und zu A. , der sich mit einem Pkw am Flughafen befand,
begleiten sollte. Da der Kurier das Flugzeug irrtümlich
bereits in München verlassen hatte, fuhren
A. und der Angeklagte mit dem Pkw nach München, wo sie den
Kurier am Hauptbahnhof suchten und schließlich fanden. Kurze
Zeit später wurden
A. , der Angeklagte und der Kurier festgenommen.
Das Landgericht hat die Tatbeiträge des Angeklagten als
mittäter-
schaftlich begangenes unerlaubtes Handeltreiben mit der Gesamtmenge von
3.282 Gramm Kokain bewertet, weil sie über die bloße
Unterstützung einer fremden Tat deutlich hinausgingen. Der
Angeklagte habe eigennützig gehandelt. Er habe
nämlich einen Teil des Kokains erhalten sollen, um es entweder
selbst gewinnbringend weiterzuverkaufen oder um einen Schuldner durch
neue Betäubungsmittelgeschäfte zur Bezahlung alter
Schulden zu bewegen.
2. Die Feststellungen belegen nicht, daß der Angeklagte
Mittäter des von A. und weiteren Personen betriebenen
Kokainhandels war.
Es ist schon zweifelhaft, ob ein eigennütziges Handeln des
Angeklagten - was Voraussetzung für die Annahme von
Mittäterschaft ist (vgl. BGHSt 34, 124, 125 f.) - ausreichend
festgestellt ist. Denn bei der von der Strafkammer als möglich
angesehenen Alternative, daß der Angeklagte beabsichtigte,
mit Hilfe eines mengenmäßig nicht näher
bestimmten Teils des Kokains einen Schuldner zur Bezahlung von
Altschulden zu bewegen, bleibt unklar, wem das einzutreibende Geld
gehören sollte. Die Frage, ob und in welcher Höhe der
Angeklagte einen Vorteil aus dem Geschäft mit der Gesamtmenge
von 3.282 Gramm Kokain erwartete, kann aber für die
Entscheidung offen bleiben, weil bereits aus anderen Gründen
eine Mittäterschaft ausscheidet.
Ob die Beteiligung an einem unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe zu
werten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen
über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen.
Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung
können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der
Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der
Wille zur Tatherrschaft, so daß die Durchführung und
der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des
Beteiligten abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2000, 482,
483). Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon
objektiv darauf hin, daß der Beteiligte nur Gehilfe ist (st.
Rspr.; vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39 und
56).
Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände ist die
Förderung des Betäubungsmittelgeschäftes
durch den Angeklagten als eine Gehilfentätigkeit zu werten.
Seine Tatbeiträge waren von untergeordnetem Gewicht. In Berlin
sollte er den Kurier entsprechend den von A. erteilten Weisungen den
kurzen Weg vom Terminal zum Pkw begleiten. In München suchte
er lediglich gemeinsam mit A. den Kurier. Ein selbständiges
eigenverantwortliches Handeln ist in diesen Tätigkeiten nicht
zu sehen. Im übrigen ist ein Einfluß des Angeklagten
auf den Einkauf, den Transport oder den Weiterverkauf des Rauschgifts
nicht festgestellt.
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO
geändert, da weitere, die Annahme von Mittäterschaft
ermöglichende Feststellungen nicht zu erwarten sind.
§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht
entgegen.
Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung
des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen,
daß der Tatrichter eine mildere Strafe verhängt
hätte, wenn er von der gemäß § 27
Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgeschriebenen
Strafrahmenverschiebung ausgegangen wäre.
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