BGH,
Beschl. v. 16.4.2007 - 5 StR 335/06
5 StR 335/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
16.4.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16.4.2007 beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 13. Juni 2006 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
2. Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den zu den Tatzeiten 16-jährigen
Angeklagten wegen Mordes sowie wegen gefährlicher
Körperverletzung unter Einbeziehung eines weiteren Urteils
(Jugendstrafe von sechs Monaten) zu einer einheitlichen Jugendstrafe
von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit
Verfahrensrügen und der näher begründeten
Sachrüge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Jugendkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
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a) Am späten Abend des 17. Juni 2005 gerieten der angetrunkene
Angeklagte und der gesondert Verfolgte S. auf dem Gelände
einer Tankstelle in Berlin-Zehlendorf mit dem ersichtlich betrunkenen
Bundeswehrsoldaten T. aus nichtigem Anlass in einen Streit, bei dem T.
den Angeklagten als „Hurensohn“ und
„Nigger“ beschimpfte. Der über die
Beleidigungen aufgebrachte Angeklagte versetzte dem T. zwei
Faustschläge in das Gesicht, nahm ihn in den
„Schwitzkasten“ und schlug ihm mit der Faust auf
den Kopf. Auch S. versetzte dem Geschädigten mehrere
Faustschläge in das Gesicht. Anschließend kniete
sich der
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Angeklagte mit einem Bein auf den Brustkorb des T. und schlug ihm
mehrmals heftig mit der Faust in das Gesicht, bis er sich nicht mehr
regte. S. und der Angeklagte versetzten ihm sodann noch
Fußtritte gegen den Kopf. Schließlich trat der
Angeklagte wuchtig und nach oben ausholend mit dem Fuß in das
Gesicht des Geschädigten, wobei er äußerte:
„Jetzt weißt du es“.
T. erlitt nicht konkret lebensgefährliche Hirnblutungen,
Hämatome, eine Gehirnerschütterung und Frakturen an
der Nase. Die Verletzungen heilten nach stationärer Behandlung
und einem operativen Eingriff folgenlos aus. Gegen den Angeklagten
erging Haftbefehl bei gleichzeitiger Aussetzung der Vollstreckung. Die
Haftverschonung dauerte bei Begehung der Folgetat an.
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b) Etwa seit 2002 gab sich der Angeklagte - angeregt durch Filme mit
sadistischen Tötungsszenen - Tötungsphantasien hin;
darin nahm er zunehmend die Täterrolle ein. Die Vorstellung,
einen anderen Menschen zu töten, bereitete ihm
Vergnügen, weswegen er sich entschloss, dies in die Tat
umzusetzen. Er plante, sich zunächst ein Kind als Opfer
auszuwählen, da ihm dieses weniger Widerstand leisten
würde.
In der Nacht zum 27. August 2005 konsumierte der Angeklagte Alkohol,
Amphetamine und Marihuana, auch schlief er nicht. Er war verstimmt, da
ihn das Verhalten seiner Freundin eifersüchtig gemacht hatte,
versöhnte sich aber mit ihr noch am Vormittag. Danach traf er
auf einem Spielplatz unweit seines Wohnortes auf den ihm bekannten
sieben Jahre alten Nachbarjungen C. . Da der Junge allein war,
beschloss der Angeklagte, seine Tötungsphantasien mit ihm als
Opfer umzusetzen, was ihn in Erregung versetzte. Er lockte C. zu einem
in der Nähe gelegenen Gelände, welches mit
Bäumen bewachsen und daher kaum einsehbar war. C. ging
vertrauensvoll mit. ... [Dort tötete er C., was im Beschluss
näher ausgeführt wird.]
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Die sachverständig beratene Jugendkammer konnte nicht
ausschlie-ßen, aber auch nicht sicher feststellen, dass die
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei beiden Taten erheblich
vermindert war. Hierzu hat sie bei der gefährlichen
Körperverletzung auf die Wirkung des Alkoholkonsums im
Zusammenspiel mit einer Impulskontrollstörung, bei der
Tötung des siebenjährigen Kindes auf die von
Übermüdung sowie einer akuten Drogen- und
Alkoholintoxikation bestimmte psychische Verfassung in Verbindung mit
einer nachlassenden Eifersuchtsreaktion abgestellt.
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2. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
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a) Zwar beanstandet die Revision zu Recht, dass den in der
Hauptverhandlung anwesenden erziehungsberechtigten Großeltern
des Angeklagten vor Urteilsverkündung am 13. Juni 2006 - nach
Wiedereintritt in die Beweisaufnahme - entgegen § 67 Abs. 1
JGG, § 258 Abs. 2 und Abs. 3 StPO das letzte Wort nicht, wie
erforderlich, ausdrücklich gewährt worden ist. Jedoch
kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensfehler
verneinen. Die gebotene Auslegung des freilich ungeschickt und
nachlässig gefassten Protokolls ergibt eben noch ausreichend
(vgl. BGHSt 13, 53, 59; BGH NStZ 2005, 280; BGH, Urt. v. 30.
März 2004 - 5 StR 410/03), dass den Erziehungsberechtigten am
vorangegangenen Sitzungstag das letzte Wort gewährt worden
war, sie jedoch davon keinen Gebrauch gemacht hatten. Angesichts dieses
Umstands ist auszuschließen, dass die Großeltern
nach zwischenzeitlich erfolgter nur kurzer Beweisaufnahme und
Verhandlung ohne den Verfahrensverstoß von ihrem ihnen
bereits bekannten Recht Gebrauch gemacht und - abweichend von ihrem
Verhalten im gesamten vorangegangenen Verfahren - etwas
ausgeführt hätten, was Schuld- oder Strafausspruch zu
Gunsten des Angeklagten beeinflusst hätte.
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b) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs greift
nicht durch. Zwar enthalten die Urteilsausführungen zur
Bemessung der Jugendstrafe eine wegen des nicht erfolgten Hinweises auf
die mögliche Verwertung bedenklich
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formulierte Bezugnahme auf einen gemäß §
154 Abs. 2 StPO eingestellten Anklagevorwurf. Indes ergibt sich aus dem
Zusammenhang, dass dem Angeklagten nicht dieser eingestellte Vorwurf
oder Umstände desselben zur Last gelegt worden sind. Vielmehr
hat die Strafkammer im Rahmen der Gewichtung der Schwere der Schuld
gewürdigt, dass sich der Tatanreiz nicht für den
Angeklagten überraschend ergeben hat. Dies wiederum hat sie
mit seiner Einlassung zur ausgeurteilten Tat und ihrer Vorgeschichte -
Tötungsphantasien, gedankliche Planung der Tötung
eines Menschen - begründet und dabei lediglich in
überflüssiger, letztlich aber unschädlicher
Weise, im Wesentlichen ergänzend erläuternd, auf den
eingestellten Vorwurf verwiesen. Das schulderschwerend gewertete, vom
Angeklagten eingestandene Element ist hiervon unabhängig. Ein
Beruhen der Straffindung auf dem geltend gemachten Verstoß
scheidet angesichts des gegebenen Zusammenhangs jedenfalls aus.
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3. Auch die Sachrüge dringt nicht durch.
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a) Das Tatgericht hat die Tötung des siebenjährigen
Jungen zu Recht als Mord gewürdigt. Die Feststellungen tragen
die Annahme, dass der Angeklagte heimtückisch und aus Mordlust
gehandelt hat. Entgegen der Ansicht der Revision schließt der
festgestellte psychische Zustand des Angeklagten nicht die Annahme des
Mordmerkmals „aus Mordlust“ aus. Der Angeklagte
handelte mit direktem Tötungsvorsatz allein aus Freude an der
Vernichtung eines Menschenlebens, weder lag in der Person des Opfers
oder in der besonderen Tatsituation ein anderer Anlass für die
Tatbegehung vor, noch war mit der Tötung ein darüber
hinausgehender Zweck verbunden. Die Voraussetzungen des Mordmerkmals
der Mordlust werden durch gegebene triebhafte oder
gefühlsmäßige Regungen nicht in Frage
gestellt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Mordlust 1; Schneider in
MüKo-StGB § 211 Rdn. 51).
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b) Der Senat nimmt die Beurteilung der Schuldfähigkeit durch
die Jugendkammer hin. Der Ausschluss von Schuldunfähigkeit und
die - wenngleich teils schwer nachvollziehbar begründete -
Zubilligung der Voraussetzungen des § 21 StGB sind im Ergebnis
ersichtlich zutreffend. Allerdings vermag die - freilich im Einklang
mit der Beurteilung durch den psychiatrischen Sachverständigen
stehende - Verneinung der Voraussetzungen einer schweren anderen
seelischen Abartigkeit des Angeklagten bei dem Tatbild und
sämtlichen festgestellten Begleitumständen des Mordes
nicht zu überzeugen. Eine insoweit abweichende Beurteilung,
die naheläge, würde indes ersichtlich auch nur zur
Anwendung des § 21 StGB führen und den Strafausspruch
für sich nicht in Frage stellen. Durchgreifenden Anlass,
maßgeblich nur die Frage einer möglichen
Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus nochmals
tatgerichtlicher Prüfung zu unterstellen, sieht der Senat
unter Berücksichtigung der bisherigen Untersuchungsergebnisse
des Sachverständigen auf die Revision des Angeklagten hin
nicht.
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c) Die Jugendkammer hat die Grundlagen für die
Verhängung von Jugendstrafe - in der Tat zum Ausdruck
gekommene schädliche Neigungen und die Schwere der Schuld des
Angeklagten - rechtsfehlerfrei angenommen. Auch die Bemessung der
Jugendstrafe hält revisionsgerichtlicher Prüfung
stand.
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aa) Die Strafzumessungserwägungen weisen aus, dass die
Jugendkammer bei der Verhängung der Höchststrafe in
erster Linie auf die für die Beurteilung der Schuld
entscheidenden Gesichtspunkte abgestellt hat. Dies begegnet keinen
durchgreifenden Bedenken. Insbesondere liegt hierin kein
Verstoß gegen § 18 Abs. 2 JGG, wonach die
Jugendstrafe so zu bemessen ist, dass die erforderliche erzieherische
Einwirkung möglich ist.
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Denn dies bedeutet nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger
Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. So ist die
Verhängung einer Strafe im oberen Bereich des
gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG
eröffneten Strafrahmens - wovon die Jugendkammer hier selbst
ausgegangen ist - in aller Regel allein mit dem Erziehungsgedanken
nicht mehr zu begründen (BGHR JGG § 18 Abs. 2
Strafzwecke 1, 4, 5). Allerdings sind daneben auch andere Strafzwecke,
bei einem Kapitalverbrechen namentlich das Erfordernis gerechten
Schuldausgleichs, zu beachten. Schon deshalb durfte die Jugendkammer
die Verhängung der Höchststrafe hier
maßgeblich mit der „höchst schweren
Schuld“ begründen und musste nicht näher
darlegen, dass erzieherische Zwecke gerade dieses Strafmaß
erforderten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 1996 - 3 StR
471/96 und 23. Oktober 1997 - 5 StR 486/97). Die strafmildernden
Wirkungen des Geständnisses, der erheblich verminderten
Steuerungsfähigkeit und des überaus
unglücklich verlaufenen Werdeganges des Angeklagten standen
bei der ganz außergewöhnlichen Schwere der Taten,
namentlich des Mordes, der Verhängung der
Höchststrafe nicht entgegen.
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Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen hier zudem nicht einmal in
einem gravierenden Spannungsverhältnis. Die charakterliche
Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum
Ausdruck gekommen sind, erweisen sich für die Bewertung der
Schuld als ebenso bedeutsam wie für das
Erziehungsbedürfnis (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 120). Die in den
Taten deutlich gewordenen tiefgreifenden
Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten begründen
offensichtlich allerhöchsten Therapie- und damit einhergehend
höchsten Erziehungsbedarf. Der Jugendstrafvollzug wird in
außergewöhnlicher Weise, naheliegend sehr mittel-
und zeitaufwendig, gefordert sein, wirksame therapeutische
Maßnahmen zur Beeinflussung der schwer gestörten
Persönlichkeit des in massivster Weise sittlich verwahrlosten
Angeklagten zu finden und anzuwenden.
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bb) Eine unzulässige Doppelverwertung liegt nicht vor;
§ 46 Abs. 3 StGB ist bei der Bemessung von Jugendstrafe nicht
anwendbar (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 21, 22; Brunner/Dölling, JGG
11. Aufl. § 18 Rdn. 8 m.w.N.). Einer ausdrücklichen
Erörterung der erzieherischen Wirkung der bereits vollzogenen
Untersuchungshaft auf den Angeklagten, der bisher lediglich einen fast
vierwöchigen Dauerarrest verbüßt hatte,
bedurfte es angesichts der tiefgreifenden
Persönlichkeitsdefizite nicht.
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4. Über die nicht nachvollziehbare Ablehnung der beantragten
Einziehungsentscheidung hatte der Senat nicht zu befinden.
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Basdorf Häger Gerhardt
Raum Jäger |