BGH,
Beschl. v. 16.4.2008 - 1 StR 83/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 83/08
vom
16.4.2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (1. und 3.)
Veröffentlichung: ja
____________________________
StGB § 353b, § 46;
GVG § 147
Zur Strafzumessung bei der unbefugten Offenbarung von
Dienstgeheimnissen, die dem Täter im Rahmen der Dienstaufsicht
durch staatsanwaltschaftliche Berichte zur Kenntnis gelangt sind.
BGH, Beschl. vom 16.4.2008 - 1 StR 83/08 - LG Stuttgart
in der Strafsache
gegen
wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16.4.2008 beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 27. September 2007 wird als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend zum Vorbringen des Generalbundesanwalts in seiner
Stellungnahme vom 13.3.2008 bemerkt der Senat:
1. Das Landgericht hat gegen die Angeklagte wegen Verletzung des
Dienstgeheimnisses in zwei Fällen (§§ 353b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 53 StGB) Freiheitsstrafen von zehn und acht
Monaten verhängt, hieraus eine einjährige
Gesamtfreiheitsstrafe gebildet und deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt.
Die Angeklagte war bis zu ihrem Rücktritt am 22. Juli 2004
badenwürttembergische Justizministerin. Nach den
Feststellungen erfuhr sie in dieser Funktion durch einen von einem
Mitarbeiter ihres Ministeriums "außerhalb der Akten"
verfassten Vermerk, dass in einem von der Staatsanwaltschaft Stuttgart
wegen krimineller Aktivitäten bei der Firmengruppe "FlowTex"
geführten Ermittlungsverfahren relevante Unterlagen
sichergestellt worden waren. Diese erhärteten den Verdacht,
dass Dr. D. , der damalige badenwürttembergische
Wirtschaftsminister und wie die Angeklagte Mitglied der Freien
Demokratischen Partei (F.D.P.), vor dem im selben Zusammenhang vom 13.
Landtag Baden-
- 3 -
Württembergs gebildeten Untersuchungsausschuss wahrheitswidrig
ausgesagt hatte. In einem Telefonat am 17. Juni 2004 unterrichtete die
Angeklagte ihn über die angefallenen Ermittlungsergebnisse. Am
6. Juli 2004 informierte sie Dr. D. ebenfalls telefonisch über
durch weitere Ermittlungen gewonnene Erkenntnisse, die ihr am Vortag
von der Staatsanwaltschaft Stuttgart berichtet worden waren.
2. Die Beweiswürdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. Das Landgericht hat die Aussage der die Taten
bestreitenden Angeklagten sorgfältig geprüft und mit
den Angaben der Belastungszeugen abgewogen. Insbesondere konnte es die
Aussage des Zeugen Dr. D. für zuverlässig halten, er
habe die die Straftaten begründenden Informationen in
Telefonanrufen der Angeklagten erfahren. Insoweit konnte sich das
Landgericht auch auf objektive Umstände stützen, wie
die Verbindungsdaten zu diesen Telefonaten, die in signifikantem
zeitlichen Zusammenhang mit den sonstigen gesicherten Erkenntnissen
standen, sowie einen sichergestellten, kurze Zeit nach dem zweiten
Telefonat über dessen Inhalt durch den genannten Zeugen
gefertigten Vermerk.
3. Auch die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Das gilt sowohl
für die Strafhöhe als auch für eine
beanstandete Strafzumessungserwägung.
a) Soweit die Revision rügt, das Landgericht habe nicht die
Möglichkeit geprüft, Geldstrafen auszusprechen, zeigt
sie keinen Rechtsfehler auf.
Zu Recht hat das Landgericht als maßgeblichen und damit
bestimmenden Strafschärfungsgrund (§ 267 Abs. 3 StPO)
gewertet, dass die Angeklagte (auch) Geheimnisse offenbart hat, die ihr
durch einen staatsanwaltschaftlichen Bericht bekannt geworden waren.
Die durch Verwaltungsanordnung vorgeschriebene Berichtspflicht der
Staatsanwaltschaft dient der Ausübung der ge-
- 4 -
setzlich normierten Aufsichts- und Leitungsbefugnis (§ 147
GVG) durch die Vorgesetzten des ermittelnden Staatsanwalts,
insbesondere des Generalstaatsanwalts und des Justizministers.
Ermittlungserkenntnisse, die zugleich Dienstgeheimnisse sind,
über die berichtet wird, dürfen nicht unbefugt
offenbart werden und das Ermittlungsverfahren gefährden. Die
Staatsanwaltschaft muss sich deshalb darauf verlassen können,
dass die unterrichteten Stellen ihrer Verschwiegenheitspflicht
gewissenhaft nachkommen.
Der Schutz dieses besonders wichtigen öffentlichen Interesses
erfordert bei derartigen Fallgestaltungen grundsätzlich die
Verhängung einer Freiheitsstrafe. Hier kommt hinzu, dass es
sich bei der Angeklagten um die an der Spitze der
Landesjustizverwaltung stehende Ministerin handelte. Sie hat die
Möglichkeiten, die ihr die in § 147 Nr. 2 GVG
vorgesehene Dienstaufsicht zubilligt (vgl. Boll in
Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 147 GVG Rdn. 2),
nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts
missbraucht. Deshalb kam allein die Verhängung einer
Freiheitsstrafe in Betracht. Auch die Höhe der
Freiheitsstrafe, die sich zudem im unteren Bereich des
eröffneten Strafrahmens bewegt, ist bei diesen
Tatumständen nicht zu beanstanden.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, wie der Fall zu sanktionieren
wäre, dass Mitteilungen in Berichten über noch
geplante Ermittlungsmaßnahmen i.S.d. § 33 Abs. 4
StPO - wie eine bevorstehende Durchsuchung - Dritten unbefugt
mitgeteilt werden mit der Folge, dass der Zweck der Maßnahme
gefährdet oder deren Erfolg gar vereitelt wird. In einem
solchen Fall dürfte eine Freiheitsstrafe im unteren Bereich
des Strafrahmens freilich nur dann noch angemessen sein, wenn besondere
Milderungsgründe vorliegen (zur kriminalpolitischen Bedeutung
vgl. Graf in Münch-Komm, StGB § 353b Rdn. 5).
- 5 -
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das
Landgericht habe nicht strafmildernd berücksichtigt, dass "der
öffentliche Druck durch permanente Medienbegleitung extrem
war". Denn wer - wie die Angeklagte, noch dazu an exponierter Stelle -
in Ausübung seines Amtes Verfehlungen der vorliegenden Art
begeht, muss mit einem besonderen Interesse an seiner Person und seiner
Amtsausübung auch für den Fall der
Durchführung eines Strafverfahrens rechnen (vgl. BGH NJW 2000,
154, 157).
Nack Boetticher Elf
Graf Sander |