BGH,
Beschl. v. 16.12.2003 - 5 StR 459/03
5 StR 459/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
16.12.2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Geiselnahme u.a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16.12.2003
beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Potsdam vom 19. Mai 2003 nach § 349
Abs. 4 StPO in den Strafaussprüchen mit den
zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils der Geiselnahme in
Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung für
schuldig befunden. Es hat die
Angeklagten B und S zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren,
den Angeklagten C zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Hinsichtlich der Verfahrensrügen und
zum Schuldspruch
bleiben die Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts
vom 11.11.2003 ohne Erfolg. Die Revisionen
aller drei Angeklagter führen jedoch mit der Sachrüge
zur Aufhebung des
Strafausspruchs. Die Begründung, mit der das Landgericht einen
minder
schweren Fall nach § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 2 StGB
abgelehnt hat, erweist
sich als lückenhaft.
- 3 -
Regelmäßig ist für die Strafzumessung bei
einer Geiselnahme auch
das mit dem Verbrechen verfolgte Nötigungsziel von
wesentlicher Bedeutung.
Die Angeklagten wollten gegen den Nebenkläger im Zusammenhang
mit beträchtlichen während seiner
Geschäftsführung ausgegebenen Geldbeträgen
aus einem gemeinsam finanzierten Unternehmen vorgehen. Daß die
Angeklagten insoweit gegen den Nebenkläger jedenfalls einen
Auskunftsanspruch
über den Verbleib des Geldes hatten, liegt nach den
Urteilsfeststellungen
auf der Hand. Ersichtlich glaubten sie darüber hinaus an einen
aus
jenem Sachverhalt folgenden Schadensersatzanspruch, was sich auch daraus
ableiten läßt, daß sie nicht etwa wegen
erpresserischen Menschenraubes
belangt worden sind. Hinzu kommt der besondere Umstand, daß
die Angeklagten
sich mit einer für sich genommen für sie kaum
durchsetzbaren
mündlichen Zusage der Erfüllung ihrer für
berechtigt gehaltenen Ansprüche
durch den Nebenkläger als Ziel ihres Vorgehens
begnügten. Diese Besonderheiten
wären als Strafmilderungsgründe zu
berücksichtigen gewesen, und
zwar bereits bei der Strafrahmenwahl. Der daraus folgenden
Erörterungspflicht
hat das Landgericht nicht genügt.
Im übrigen bleibt das angefochtene Urteil in der Frage des von
den
Angeklagten zugesagten Schadensersatzes unklar. Sofern sie dem
Nebenkläger
nicht nur ein Schmerzensgeld von 15.000
mit der Anerkennung der Abgeltung „wechselseitiger
Ansprüche“ (UA S. 12)
auf Schadensersatzansprüche gegen ihn verzichten wollten,
könnte das Gewicht
einer solchen Wiedergutmachungsleistung eine andere Beurteilung der
Frage einer Strafrahmenverschiebung gemäß §
46a Nr. 1 StGB eröffnen.
Dies wird das neue Tatgericht zu klären haben. Insgesamt wird
die Annahme
eines minder schweren Falles nach § 239b Abs. 2, §
239a Abs. 2 StGB zur
- 4 -
Sanktionierung der eher untypischen Geiselnahme nicht fernliegen. Das
beträchtliche
Gewicht der - ihrerseits ersichtlich nicht minder schweren -
gefährlichen
Körperverletzung und die Intensität der Angriffe auf
die körperliche
Unversehrtheit, persönliche Integrität und Freiheit
des Nebenklägers dürfen
allerdings im Ergebnis der Strafzumessung nicht vernachlässigt
werden.
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