BGH,
Beschl. v. 16.12.2009 - 2 ARs 424/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 424/09
2 AR 241/09
vom
16. Dezember 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja Veröffentlichung: ja
StPO § 462 a Abs. 4 Satz 3, § 463 Abs. 7
Die eine Führungsaufsicht nach § 68 f StGB
überwachende Strafvollstreckungskammer ist auch für
die Nachtragsentscheidungen zuständig, die sich auf
Strafaussetzungen zur Bewährung aus anderen Verfahren gegen
den Verurteilten beziehen.
BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - 2 ARs 424/09 -
in der Bewährungssache
des
wegen versuchter räuberischer Erpressung
Az.: 307 Js 47388/02 Staatsanwaltschaft Halle
Az.: 11 BRs 24/03 Amtsgericht Eisleben
Az.: StVK S 3418/08 (24a) Bew Landgericht Bielefeld
Az.: 105 ARs 2/09 Generalstaatsanwaltschaft Naumburg
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts am 16. Dezember 2009 beschlossen:
Das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Dresden ist für
die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die
Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts
Eisleben vom 9. April 2003 (11 Ls 307 Js 47388/02) beziehen,
zuständig.
Gründe:
I.
Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Dresden und Bielefeld
sowie das Amtsgericht Eisleben streiten über die
Zuständigkeit für die nachträglichen
Entscheidungen (§ 453 StPO) hinsichtlich der mit Urteil des
Amtsgerichts Eisleben vom 9. April 2003 bewilligten Strafaussetzung zur
Bewährung einer Freiheitsstrafe von acht Monaten.
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Die ursprünglich dreijährige Bewährungszeit
endete nach einer Verlängerung am 8. April 2007. Am 18. April
2007 erlangte das Amtsgericht Eisleben Kenntnis von einer Anklage wegen
zweier neuer Taten in der Bewährungszeit. Wegen dieser Taten
verhängte das Amtsgericht Hagen mit rechtskräftigem
Urteil vom 6. September 2007 eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
und sechs Monaten gegen den Verurteilten; die Rechtskraft der
Verurteilung wurde dem Amtsgericht Eisleben am 9. April 2008 bekannt.
Der Verurteilte trat die Verbüßung der Strafe im Mai
2008 in einer JVA im Bezirk des Landgerichts Bielefeld an. Aufgrund der
erneuten Verurteilung beantragte die Staatsanwaltschaft
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Halle am 6. Mai 2008 beim Amtsgericht Eisleben den Widerruf der
Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 9. April 2003.
Der Verurteilte hatte nach vollständiger
Verbüßung einer fünfjährigen
Gesamtfreiheitsstrafe aus einem Urteil des Landgerichts Dresden vom 21.
August 1997 in der Zeit vom 26. April 2002 bis zum 25. April 2006 bei
der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dresden unter
Führungsaufsicht gestanden.
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II.
Der Bundesgerichtshof ist als gemeinsames oberes Gericht zur
Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen (§ 14
StPO).
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Zuständig für die Nachtragsentscheidungen ist die
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dresden.
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Die bis zum 25. April 2006 bestehende
Fortwirkungszuständigkeit dieser Strafvollstreckungskammer
für die Überwachung der Führungsaufsicht
nach § 68 f StGB begründete nach § 462 a
Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 3 Hs. 1 StPO auch ihre
Konzentrationszuständigkeit für die
Nachtragsentscheidungen betreffend die dem Verurteilten bewilligten
Bewährungen aus Entscheidungen anderer Gerichte.
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§ 463 Abs. 7 StPO stellt für die Anwendung des
§ 462 a Abs. 1 StPO die kraft Gesetzes eingetretene
Führungsaufsicht nach § 68 f StGB der Nichtaussetzung
des Strafrests gleich. Zwar verweist die Vorschrift nicht
ausdrücklich auch auf § 462 a Abs. 4 StPO. Jedoch hat
§ 463 Abs. 7 StPO lediglich die Funktion einer
ergänzenden Klarstellung: Er soll verdeutlichen, dass im Sinne
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des § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO die Strafvollstreckung auch
dann noch nicht endgültig erledigt ist, wenn die Strafe zwar
vollständig verbüßt, mit der Entlassung des
Verurteilten aus dem Strafvollzug aber Führungsaufsicht
eingetreten ist (vgl. die Begr. z. Gesetzentwurf d. EGStGB BT-Drs.
7/550, 314). § 463 Abs. 7 StPO flankiert damit die allgemeine
Anordnung des § 463 Abs. 1 StPO, wonach die Vorschriften
über die Strafvollstreckung auch für die
Maßregelvollstreckung sinngemäß gelten,
und stellt klar, dass auch in diesem Fall die
Fortwirkungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nach
§ 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO für die Aufsicht und die
Nachtragsentscheidungen besteht. Damit schließt §
463 Abs. 7 StPO die Konzentrationszuständigkeit der
Strafvollstreckungskammer auch für Nachtragsentscheidungen in
anderen Verfahren nicht aus; vielmehr handelt es sich auch bei der
Fortwirkungszuständigkeit zur Überwachung einer
Führungsaufsicht im Sinne des § 462 a Abs. 4 Satz 3
Hs. 1 StPO um einen Fall des Absatzes 1 dieser Vorschrift.
Das entspricht dem mit § 462 a Abs. 4 StPO verbundenen
gesetzgeberischen Zweck, eine Entscheidungszersplitterung in der
Überwachung des Verurteilten zu vermeiden, die zu mangelnder
Unterrichtung des einen Gerichts über die von dem anderen
Gericht beabsichtigten Entscheidungen und zu in ihrer
Würdigung der Täterpersönlichkeit und ihrer
kriminalpolitischen Zielsetzung geradezu entgegengesetzten
Entscheidungen führen könnte (vgl. BT-Drs. 7/550,
313). Der Senat hat vor diesem Hintergrund auch in anderen
Zusammenhängen die Zuständigkeitsregelung in
Fällen des Zusammentreffens von Führungsaufsicht nach
§ 68 f StGB mit Vollstreckungen aus anderen Verfahren der
Vorschrift des § 462 a Abs. 1 in Verbindung mit Absatz 4 StPO
entnommen (z.B. BGHR StPO § 463 Abs. 6
Führungsaufsicht 1; BGH NStZ 2001, 165; BGH bei Becker NStZ-RR
2003, 289, 293 Nr. 20; 2004, 321, 324 Nr. 14).
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Die Beendigung der Führungsaufsicht berührte die
Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die
weitere Überwachung der Bewährung nicht; die einmal
begründete Zuständigkeit wirkt fort und endet erst,
wenn die Vollstreckung hinsichtlich aller Verurteilungen, für
die die Strafvollstreckungskammer infolge des Konzentrationsprinzips
zuständig geworden ist, vollständig erledigt ist (BGH
NStZ-RR 2008, 124, 125).
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Mit der Frage des Bewährungswiderrufs wurde die
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dresden befasst, bevor der
Verurteilte die Verbüßung der neuen durch das
Amtsgericht Hagen verhängten Strafe im Bezirk des Landgerichts
Bielefeld antrat. Befasst im Sinne des § 462 a Abs. 1 Satz 1
StPO ist ein Gericht mit der Sache schon dann, wenn Tatsachen
aktenkundig werden, die den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen
können (BGHSt 26, 187, 188; 30, 189, 191; BGH bei Becker
NStZ-RR 2005, 65, 69 Nr. 17). Dies war hier der Fall, als am 18. April
2007 beim Amtsgericht Eisleben eine Abschrift der neuen Anklage gegen
den Verurteilten einging. Die Befassung des Gerichts des ersten
Rechtszuges begründete zugleich die Befassung der
Strafvollstreckungskammer; insofern genügt die Befassung eines
Gerichts, das allgemein für die Entscheidung
zuständig sein kann (vgl. KK-Appl § 462 a Rn. 19
m.w.N.).
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Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Appl Schmitt |